Der Telekom Cup war ein erster Gradmesser auf gehobenem Niveau für die Bayern, Dortmund, Gladbach und den HSV. Was sind die Erkenntnisse drei Wochen vor dem Liga-Start? Wer sind Gewinner und Verlierer der bisherigen Vorbereitung? Ein Überblick.
Bayern München
Die Frage des Sommers: Inwieweit wird Pep Guardiola die Mannschaft umformen?
Der Spanier ging von der ersten Trainingseinheit an in die Vollen, schreitet seitdem auch bei Kleinigkeiten immer sofort ein und korrigiert laut- und gestenstark. Wer befürchtet hatte, dass Guardiola die Mannschaft zu schnell zu radikal verändern wollte, sieht sich offenbar getäuscht.
Die Bayern zeigen schon mehr als nur Ansätze der Pep-Doktrin, ohne dabei ihre bestehenden Strukturen zu verletzen. Der Übergang scheint bis jetzt sehr sachte vonstatten zu gehen, die Reibungsverluste sind kaum erkennbar.
Dafür kristallisiert sich eine noch dominantere und flexiblere Ausrichtung heraus. Acht verschiedene Torschützen bei neun erzielten Treffern in gerade einmal 120 Minuten sind beeindruckende Werte. Guardiola versuchte sich mit verschiedenen Spielsystemen (4-1-4-1 und 4-1-5-0) und wechselndem Personal.
Wie angekündigt spielte Franck Ribery mal zentral im offensiven Mittelfeld, dann wieder auf dem Flügel. Thomas Müller rutschte von der Position des Angreifers auf die Außenbahn im Mittelfeld, Arjen Robben oder Xherdan Shaqiri besetzten dann wiederum bei Bedarf die Angriffsmitte.
Philipp Lahm wurde im rechten Mittelfeld getestet, Toni Kroos halblinks. Und trotz aller Experimente spielten die Bayern drei Wochen vor dem Start in die Bundesliga schon einen erstaunlich flüssigen und pfiffigen Offensivfußball. Angepasst auf die zu erwartenden tief stehenden Gegner forcierten die Bayern Tempoläufe aus der Tiefe hinter die gegnerische Abwehrreihe, was gleich in zwei überragend herausgespielten Treffern mündete.
"Wir haben noch einige Dinge zu verbessern. Aber die Einstellung meiner Spieler stimmt. Das ist das Wichtigste für mich", sagte Guardiola nach dem Finalsieg über Borussia Mönchengladbach. Die ersten großen Schritte sind aber schon gemacht.
Das Personal:
Bastian Schweinsteiger, Holger Badstuber und Mario Götze fehlten noch verletzt, dazu kommen noch angeschlagene Spieler (Javi Martinez) oder solche, die erst aus dem Urlaub zurückgekehrt sind (Luiz Gustavo, Dante). Und trotzdem hatten die Bayern in Gladbach einen überragend besetzten Kader dabei.
Natürlich stellt sich die Frage, wer es in den Pflichtspielen in der 18er Kader schafft und wer nicht. Aber das ist kein Bayern spezifisches Problem. Bei den Münchenern sind nur die Maßstäbe andere. "Wenn meine Spieler akzeptieren, dass ich der Boss bin, wird alles gut", sagt Guardiola. "Ich glaube aber, dass meine Spieler Profis sind und meine Entscheidungen akzeptieren werden."
Beim Telekom Cup änderte Guardiola sein Personal grundlegend, lediglich die Innenverteidigung und die Sechser-Position blieben unangetastet. Dazu durfte Tom Starke zweimal über die komplette Spielzeit das Tor hüten.
Was schon auffällig war: Die im Training einstudierten Stafetten mit Thiago als zentralem Zielspieler finden auch im Spiel ihre Verwendung. Der Spanier ist mit einer tollen Antizipation gesegnet, sich immer wieder richtig und seinen Mitspielern helfend zum Ball zu orientieren. Ebenso überragend die Spielintelligenz von Lahm, der sich im Mittelfeld sofort wohl fühlte und sicher bewegte. Vielleicht reift hier mehr als eine Verlegenheitslösung heran...
Und sonst noch?
Rudi Völler prognostizierte am Sonntag eine "erdrückende" Situation für die bayerische Konkurrenz, der Triple-Sieger sei sportlich und finanziell meilenweit voraus. Der Drohkulisse widersprach Sportvorstand Matthias Sammer entschieden. Die Bayern hätten sich das alles hart erarbeitet und nicht zuletzt selbst vor erst einem Jahr ein Tief überwinden müssen.
Die Bayern stapeln tief, dabei zeigte sich auch die Konkurrenz beim Telekom Cup sichtlich beeindruckt. "Diese Bayern spielen hervorragend und finden immer die Lücke zwischen den Linien. Es ist schwer, gegen diese Mannschaft zu spielen", sagt Gladbachs Trainer Lucien Favre. Luuk de Jong ist sich schon sicher: "Die Bayern sind eine Maschine."
Borussia Mönchengladbach
Die Frage des Sommers: Was folgt auf das Jahr des Umbruchs?
Nachdem die Borussia in Dante, Roman Neustädter und Marco Reus drei elementare Stützen verlassen hatten, geriet die vergangene Saison zu einem Auf und Ab. Gladbach fehlte die Konstanz, mit Platz acht wurde der erneute Einzug in die Europa League verpasst.
Lucien Favre hatte vor der Saison gewarnt und sollte Recht behalten. Jetzt ist die Zeit des Einspielens aber vorbei. Dominguez, Granit Xhaka und Luuk de Jong sind ein Jahr da und müssen jetzt die nächsten Schritte machen. Dazu passte das Verhältnis von erzielten zu kassierten Treffern nicht mehr (45:49).
Beim Telekom Cup präsentierte sich die Borussia kurioserweise im Spiel gegen die Bayern mit fünf Gegentoren defensiv stabiler als gegen den BVB, wo Dortmund ohne Gegentor blieb. "Wir können uns insgesamt noch verbessern, zum Beispiel in Sachen defensiver Kompaktheit. Es war zum Teil zu einfach, sich gegen uns Torchancen zu erspielen." Das sagte Kapitän Filip Daems - nach dem 1:0-Sieg über Dortmund und vor den fünf Gegentreffern gegen die Bayern.
Hinter den Ergebnissen probierte Favre aber eine offensivere Grundausrichtung gegen den BVB, ließ die Viererkette offensiver und weiter herausgerückt agieren und schob die beiden Außenverteidiger immer wieder mit nach vorne.
Gegen die Bayern war die Verteidigungsart im 4-4-2 etwas anders, die Option mit zwei echten Spitzen zu spielen und wieder verstärkt das Element des Konterfußballs in den Vordergrund zu rücken, war erkennbar. Allerdings weisen die zarten Ansätze noch einige Kinderkrankheiten auf.
Das Personal:
Spannend war zu sehen, wie sich Gladbachs defensives Mittelfeld gestaltet. Hier machte besonders der erst 17-jährige Mahmoud Dahoud auf sich aufmerksam, der seine ordentliche Vorbereitung mit einer starken Leistung gegen die Bayern krönte und so etwas wie der Gewinner der Vorbereitung ist.
Dahoud ist eben erst von den U-17- zu den U-19-Junioren gewechselt und darf gemäß Statuten noch gar keinen Profivertrag unterzeichnen. Dass Favre ihm aber jetzt schon die "verantwortungsvolle Position" überträgt, lässt einiges hoffen.
Xhaka konnte die beiden Spiele nur bedingt zur Eigenwerbung nutzen. Gegen den BVB spielte er noch ordentlich, ein Fehler wie der vor dem 0:2 gegen die Bayern, als er gleich zweimal vor dem eigenen Strafraum ins Dribbling ging, anstatt eine klare Aktion zu spielen, erinnert aber stark an die Probleme der letzten Saison.
Und sonst noch?
Havard Nordtveit wurde in der Innenverteidigung getestet, was jedoch kein Dauerzustand werden dürfte. De Jong spielte erneut flankiert von Juan Arango und Patrick Herrmann - Favre ließ die Chance ungenutzt, den Niederländer mit den beiden Zugängen Raffael und Max Kruse zu testen.
Ein Fragezeichen bleibt die Leistungsstärke von Marc-Andre ter Stegen. Unabhängig der Personalien und Ergebnisse stimmt die Richtung, in die sich die Borussia bewegt.
Borussia Dortmund
Die Frage des Sommers: Wie ist Mario Götzes Weggang zu kompensieren?
In den Testspielen vor dem Telekom Cup hatten die Zugänge Pierre-Emerick Aubameyang und Henrikh Mkhitaryan schon einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Leider waren beide am Wochenende erkrankt und konnten sich nicht beweisen.
Trainer Jürgen Klopp versuchte es mit Ilkay Gündogan auf der Zehn, dann mit Marco Reus. Beide mit eher mäßigem Erfolg. Eine echte Richtgröße stellte das Turnier in Bezug auf die dringlichste Frage bei der Borussia nicht dar. Nervös wird in Dortmund deswegen aber niemand. "Wir wollen uns nicht festlegen, wenn wir das noch nicht müssen", sagte Klopp.
Immerhin: Die von ihm angekündigte "neue Pressingmaschine" hat ihren Betrieb schon aufgenommen. Besonders gegen Gladbach hatte der BVB da sehr starke Szenen. Obwohl die Mannschaft nicht ganz frisch wirkte. "Wir sind körperlich grad ein bisschen im Keller, aber fußballerisch schon gut unterwegs", so Klopp.
Das Personal:
Abseits der Debatten um die Offensive haben sich in den letzten Spielen zwei Akteure besonders hervorgetan. Jonas Hofmann und Erik Durm. Durm kam vom FSV Mainz 05 und ist gelernter Stürmer. Klopp sieht in ihm aber eine dauerhafte Lösung für das Problem auf der Rechtsverteidigerposition und will den U-20-Nationalspieler nach Vorbild von Lukas Piszczek umformen.
Durm jedenfalls ist ein Gewinner der Vorbereitung und auf mittelfristige Sicht eine Option. Vor allen Dingen auch deshalb, weil Sokratis seine Stärken am besten in der Innenverteidigung ausspielen kann und sich dort mit Neven Subotic einen Zweikampf liefern wird.
Das meiste Lob sicherte sich aber Hofmann. "Er hat bisher in der Vorbereitung einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Es war richtig, ihn in den Profi-Kader hoch zu ziehen", sagte Sportdirektor Michael Zorc. Im rechten offensiven Mittelfeld wäre bei ein wenig Rotation durchaus Platz - und selbst als Alternative für das Mittelfeldzentrum käme Hofmann in bestimmten Spielen Frage.
Und sonst so?
"Ich habe ein paar Erkenntnisse gewinnen können", sagte Jürgen Klopp. Welche, wollte Dortmunds Trainer nicht verraten. Dass Julian Schieber einmal mehr unglücklich agiert hat und weiter oft die falschen Entscheidungen trifft? Dass Mats Hummels gemäß seiner Ankündigungen eine starke Frühform offenbart? Dass Robert Lewandowski im Angriff noch nicht so omnipräsent ist wie in der vergangenen Saison?
Hamburger SV
Die Frage des Sommers: Kann die Mannschaft van der Vaarts Sonderstellung auffangen?
Thorsten Fink hatte vor ein paar Wochen angedeutet, dem Niederländer mehr Freiheiten einzuräumen. "Ich will, das Rafael weniger läuft, ich will ihn nur noch auf der Zehnerposition hinter der Spitze sehen", sagte Fink damals.
Im Spiel gegen Dortmund ging der Plan gar nicht auf. Van der Vaart war in der Offensive isoliert und überhaupt kein Faktor, dazu die Doppel-Sechs zu offensiv aufgestellt. Es bleibt ein schwieriges Unterfangen, die Stärken des Niederländers hervorzubringen, ohne dafür zu viele Opfer in Kauf nehmen zu müssen.
Insgesamt erinnern einige Dinge noch an die vergangene Saison: Nach jeweils ordentlichem Beginn lässt sich die Mannschaft von einem Negativerlebnis leicht beeinflussen und verliert den Faden. Spielerisch und im Defensivverhalten waren kaum Verbesserungen erkennbar.
"Die Bayern waren uns in allen Belangen überlegen. Nach vorne ging nichts, hinten war es auch schwierig. Mir hat der Spaß und die Aggressivität gefehlt", sagte Fink nach dem 0:4 vom Samstag.
Das Personal:
Milan Badelj und Tolgay Arslan auf der Doppel-Sechs sind eine zu offensive Variante. Fink versuchte es mit beiden und ging gegen die Bayern damit böse ein. Badelj und Arslan sind keine klassischen Sechser und können unter anderem van der Vaarts angedachte Rolle gegen starke Gegner nicht mit auffangen. Mit Tomas Rincon gegen den BVB wurde das Konstrukt stabiler.
Slobodan Rajkovic erhielt seine Chance in der Innenverteidigung und spielte schwach. Immerhin hatte Lasse Sobiech einige gute Szenen. Michael Mancienne als Rechtsverteidiger versuchte einiges nach vorne, war aber in der Rückwärtsbewegung auf der Position keine ideale Lösung. Hakan Calhanoglu blieb blass - überdies ist immer noch nicht klar, welche Position der Youngster einnehmen könnte.
Und sonst so?
Der HSV blieb das einzige Team ohne eigenen Treffer. Nach Testspielsiegen gegen Anderlecht und Kopenhagen bleibt die Erkenntnis: Gegen die Großen der Liga ist der HSV offenbar zu klein. "Auf uns wartet noch jede Menge Arbeit", sagt Marcell Jansen.
Der 1. Spieltag der Bundesliga