Von wegen "nur" Kompetenzgerangel um die U 21: Zwischen dem Deutschen Fußball Bund und seinem Trainerstab samt Teammanager Oliver Bierhoff hat sich ein tiefer Graben aufgetan. Die Fronten scheinen verhärtet, eine Vertragsverlängerung von Löw und Co. liegt bis nach der Weltmeisterschaft auf Eis. Offenbar waren Bierhoffs Forderungen zu viel für den ernüchterten DFB-Präsidenten Zwanziger.
Pressemitteilung 11/2010 des Deutschen Fußball Bundes kam wie unzählige ihrer Artgenossen recht unscheinbar daher, auch dem Titel "DFB-Präsidium vertagt Vertragsverhandlungen" entsprang nicht die größte Explosivität.
Diese kam erst bei genauerem Durchforsten der Meldung. Denn dort steht nichts anderes als: Am Status quo der Verträge des Trainer-Trios samt Teammanager hat sich nichts geändert. Alle vier laufen im Sommer aus und werden bis nach den Titelkämpfen auch nicht verlängert.
Dabei galten die Unterschriften unter die neuen Kontrakte seit der Qualifikation für die WM als sicher. Und die fuhr die DFB-Auswahl Anfang Oktober ein, vor fast vier Monaten. Seitdem wurde viel geredet und geschäkert. Aber nichts unterschrieben. Trotzdem hatten sich allem Anschein nach alle lieb.
Tiefe Gräben
Das Ergebnis der außerordentlichen Sitzung am Donnerstag deutet jedoch darauf hin, dass es unterm Dach in der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt ordentlich kracht. Der Konflikt zwischen Jogi Löw und Matthias Sammer bezüglich der Kompetenzen für die U 21 wurde der Öffentlichkeit als Hemmschuh der schleppenden Vertragsverhandlungen beschieden.
Aber jetzt tun sich deutlich tiefere Gräben auf - zwischen Parteien, die bislang als enge Einheit galten. Einem Bericht der "Bild" zufolge fordere Teammanager Oliver Bierhoff neben einem zusätzlichen Jahresgehalt bei Vertragsunterzeichnung (Signing Fee) für das gesamte Trainerteam auch ein eindeutiges Vetorecht bei der Berufung des Bundestrainers.
Eine Art Ausgliederung aus dem DFB
Im Prinzip will Bierhoff damit die A-Nationalmannschaft, das Aushängeschild des größten Sportfachverbandes der Welt, auslagern. Wie ein Bundesligist seine Fußballabteilung aus dem Gesamtverein auslagert und selbst bestimmt.
Die Folge wäre eine Art Abspaltung vom Verband, ohne direkten Zugriff der Bosse Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach auf die Nationalmannschaft.
Wohl auch deshalb wird der DFB-Präsident in der Pressemeldung ungewohnt schroff zitiert. "Während sich, was die Kompetenzen für die U 21 betrifft, eine klare und einvernehmliche Lösung erarbeiten ließ, sind bei den Gesprächen im Januar für uns überraschend neue Vorstellungen entwickelt worden, die aus der Sicht des DFB-Präsidiums zum Teil auch im Blick auf die Satzung nicht zu akzeptieren sind. Ein Alternativvorschlag des DFB fand nicht die Zustimmung der sportlichen Leitung. Deshalb setzen wir die Gespräche nicht fort."
In §34 der DFB-Satzung heißt es: "Der Präsident ist oberster Repräsentant des DFB. Ihm obliegt die Gesamtverantwortung und die Richtlinienkompetenz. Er ist insbesondere auch zuständig für die Belange der Nationalmannschaft und den Leistungssport."
Diese wäre durch den neuen, von Bierhoff angeblich geforderten Passus aber nicht mehr in dem Maße gegeben. Dem DFB bliebe unterm Strich "nur" noch das Flagschiffchen Frauen-Fußball und der Breitensport. Deshalb musste Zwanziger hier eingreifen.
"Schöner" Nebeneffekt
Ein "schöner" Nebeneffekt der Intervention: Sollte die WM sportlich in die Hose gehen und sich der DFB von seinen Trainern samt Bierhoff trennen wollen oder müssen, würden Abfindungen in vermutlich zweistelliger Millionenhöhe eingespart.
Nur stellt sich momentan die Frage: Was sollte sich an den Standpunkten der beiden Lager bis nach der WM eigentlich tun? Wer sollte als erster einknicken? Der Konflikt wird die ganze Zeit über weiter schwelen und bei jeder kleinen Ungereimtheit oder schlechteren Spielen der Mannschaft hervorgekramt werden.
Es riecht förmlich nach einem faulen Kompromiss. Dr. Zwanziger steht nach der öffentlich hinausposaunten Quasi-Verlängerung vor Weihnachten mit Löw jetzt ziemlich unglücklich da, auch alle anderen Beteiligten sind schwer angezählt.
Einzig Matthias Sammer könnte sich als heimlicher Gewinner fühlen. Ganz so alleine und isoliert steht er offenbar innerhalb des Verbandes gar nicht da. Nichtsdestotrotz hat der DFB einen denkbar schlechten Start ins WM-Jahr hingelegt.