Borussia Mönchengladbach bleibt ein Abstiegskandidat, ein Augsburger Routinier verschwindet in der Versenkung. Und: Kann der VfB Stuttgart vom nächsten Tiefschlag vielleicht sogar profitieren? Die Thesen des 23. Spieltags.
1. Gladbach wird sich unter Hütter nicht mehr entwickeln
Vielleicht ist es ganz gut, dass die Borussia seit Monaten eine Mentalitätsdebatte verfolgt - also die Borussia aus Dortmund. Denn was in Gladbach mittlerweile in schöner Regelmäßigkeit passiert, ist davon nicht nur kaum entfernt - es ist noch schlimmer als die sportlichen Ausfälle beim letzten Gegner.
Eine Halbzeit lang machte Gladbach im Westfalenstadion ein sehr ordentliches Spiel, hatte einige gute Offensivmomente und vorne wie hinten auch jede Menge Pech. Aber wie die Mannschaft dann nach dem dritten Gegentor aus den Fugen geriet, wie sie einmal mehr willenlos unterging und nicht nur ein paar Punkte kampflos abgab, sondern sich auch das ohnehin schon schlechte Torverhältnis versaute, war bemerkenswert.
Und es lässt keine gute Vorahnung zu für den Rest der Saison. Es genügt einfach nicht, ganz gut mitzuspielen, die vermeintliche Wende nach dem Sieg gegen Augsburg in der Vorwoche darf getrost schon wieder in Frage gestellt werden. Denn eine echte Entwicklung in allen Spielphasen ist auch nach zwei Dritteln der Saison nicht zu erkennen, die Flut an Gegentoren bedenklich und es gibt keine Aussicht auf Besserung.
Der Sog, der sich aus diesem schleichenden Niedergang entwickeln kann, ist brandgefährlich. Da helfen dann auch ein paar Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz nichts. Die nächsten Gladbacher Gegner sind mit Wolfsburg, Stuttgart, Hertha und Bochum Chance und Risiko zugleich.
2. Hertha ist auf ein paar Teenager angewiesen
Niklas Stark, Suat Serdar, Lukas Klünter, Marvin Plattenhardt, Maximilian Mittelstädt, Kevin-Prince Boateng, Jurgen Ekkelenkamp und Dongjon Lee: Das war die Liste aller Spieler, die wegen positiver Corona-Befunde Herthas Spiel gegen RB Leipzig verpassten. Und dazu kamen noch die "normal" verletzten Spieler.
Die Ausgangslage war also schon vor der Partie prekär und hat sich nun tatsächlich noch einmal verschärft. Nicht nur wegen des niederschmetternden 1:6, sondern weil den Berlinern langsam die Spieler ausgehen. Gegen Leipzig mussten am Ende Linus Gechter und Lucas Tousart die Innenverteidigung bilden, der eine ist 17 Jahre jung, der andere ein Mittelfeldspieler.
Nach dem ziemlich ungeschickten Platzverweis von Marc-Oliver Kempf kippte nicht nur die Partie, sondern steht Trainer Tayfun Korkut nun schon wieder vor dem nächsten Problem. Dedryck Boyata und Marton Dardai fallen weiter aus, Kempf wird wohl für zwei Spiele gesperrt, wann und wie Stark nach seiner Infektion zurückkehren wird, ist offen. Und das war's dann auch schon mit Innenverteidigern im Berliner Kader.
Bleiben allenfalls noch Christalino Atemona und Cimo Röcker aus der Regionalligamannschaft. Sehr gut möglich, dass Atemona schon bald sein Bundesligadebüt feiern wird - wie Anton Kade gegen Leipzig. Der 18-Jährige wurde 15 Minuten vor dem Ende eingewechselt. Berlin hat Abermillionen für Spieler ausgegeben in den letzten Jahren, nun könnte aber auf ein paar Teenagern aus der eigenen Jugend die Last des Abstiegskampfes liegen.
imago images3. Bielefelds Low-Budget-Lebensversicherung
Im Gegensatz zu den Spielzeiten davor hatte sich Arminia Bielefeld für seine Verhältnisse im letzten Sommer sehr weit ins Risiko gewagt. Im Jahr zwei nach dem Aufstieg sollten die nächsten Schritte erfolgen, um aus der Arminia wieder einen dauerhaften Bundesligisten zu machen. Also wurden fast zehn Millionen Euro in Zukäufe investiert, so viel Geld wie noch nie zuvor in der Klubgeschichte.
Einen Bruchteil davon steckte Bielefeld in die Verpflichtung von Masaya Okugawa. Der Japaner spielte schon in der letzten Saison leihweise vor und wusste zu überzeugen. Eine Million Euro floss für Okugawa nach Salzburg, der 25-Jährige sollte eigentlich in die Rolle von Ritsu Doan schlüpfen. Mittlerweile ist Okugawa mit acht Saisontoren der mit weitem Abstand gefährlichste Bielefelder Angreifer und ein echter Experte für wichtige Treffer: Sechs Zähler waren seine Tore schon wert, auch die Partie am Samstag gegen Union entschied Okugawa.
Die Wandlung vom Vorbereiter zum Torjäger hat er erstaunlich schnell vollzogen und als offensiver Mittelfeldspieler jetzt mehr Tore erzielt als der Bielefelder Sturm mit Fabian Klos, Janni Serry, Brian Lasme und Florian Krüger zusammen.
4. Augsburgs Routinier ist außen vor
Weil Michael Gregoritsch mittlerweile ja wieder wichtig ist für den FC Augsburg und als einer von zwei Angreifern im 4-4-2 gesetzt ist, spielt Andere Hahn wieder auf der rechten Achterposition. Und weil Hahn zuletzt auch ganz gut drauf war und als nimmermüder Arbeiter auch die entsprechenden Argumente für den Abstiegskampf mitbringt, schaut ein anderer nun schon seit Wochen nur noch in die Röhre: Daniel Caligiuri ist außen vor dem FCA, der ehemalige Anführer und Vize-Kapitän aktuell offenbar keine Hilfe im Überlebenskampf.
Das verwundert ein wenig, war Caligiuri in den letzten Jahren und auch noch zu Beginn der Rückrunde eine der wenigen Säulen einer oft genug wackeligen Mannschaft - für Markus Weinzierl ist der älteste Feldspieler und ein Akteur mit 349 Bundesligaspielen auf dem Buckel momentan aber kaum zu gebrauchen. Seine letzten Spielminuten hatte der 34-Jährige bei einem Mini-Einsatz Anfang Januar in Hoffenheim.
Seitdem sitzt Caligiuri nur noch auf der Bank oder auf der Tribüne. Auch gegen Freiburg bekamen Hahn, Ruben Vargas, sowie die eingewechselten Noah Sarenreen Bazee und Ricardo Pepi den Vorzug, der einzige Offensivspieler ohne Einsatzminuten blieb erneut Caligiuri.
Es wird spannend sein zu beobachten, wie souverän Caligiuri mit der offenkundigen Degradierung umgeht - oder ob die Personalie in der Endphase der Saison nicht noch zu einem Problem wird.
5. Mavropanos' Missgeschick wird zum Knackpunkt
Wie viel Unheil kann eine Mannschaft in einer Saison ertragen? Wen das schon immer interessiert hat, der sollte vielleicht mal beim VfB Stuttgart nachfragen. Beim Remis gegen Bochum packte der VfB die komplette Saison einfach in 96 Minuten und lieferte wieder konsequent alles ab, was einen Abstiegskandidaten ausmacht: Als sich das Glück in Form eines Eigentors des Gegners sich endlich auch mal den Stuttgartern zuzuwenden schien, stellte eine Mixtur aus eigener Dusseligkeit vor dem gegnerischen Tor, zweifelhafte Schiedsrichterentscheidungen und der törichten Grätsche von Dinos Mavropanos doch noch alles auf den Kopf.
Eine Partie noch aus der Hand zu geben, bei der selbst der Gegner keinerlei Ahnung hatte, wie er noch zu einem Punktgewinn kommen konnte, ist das eine. Die große Chance auf einen Wendepunkt formvollendet zu verhühnern, stattdessen mit der bisher bittersten Enttäuschung der Saison rauszugehen und auch noch den gerade erst zurückgekehrten Silas zu verlieren, könnte nun aber endgültig zu viel sein für diese Mannschaft.
Mavropanos' Missgeschick jedenfalls war ein Schlag in die Magengrube, seine Tränen und die von Borna Sosa legen die Vermutung nahe, dass da mehr passiert ist als "nur" der Verlust von zwei Punkten im Abstiegskampf. Die Szene wird ein Knackpunkt werden für die Saison: Momentan sieht es danach aus, als würde der VfB daran endgültig zerbrechen.
Vielleicht passiert aber auch etwas ganz Verrücktes und die Mannschaft bringt das Erlebte für die letzten elf Spiele noch enger zusammen. "Wenn wir nach diesen elf Spielen auf dieses Riesenbrett zurückblicken und trotzdem feiern können, dann ist das eine Bindung, die ein Leben lang halten wird", sagt Trainer Pellegrino Matarazzo. Auszugehen ist davon allerdings nicht.
gettyBundesliga: Die aktuelle Tabelle
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 23 | 74:26 | 48 | 55 |
2. | Borussia Dortmund | 23 | 63:36 | 27 | 49 |
3. | Bayer Leverkusen | 23 | 60:39 | 21 | 41 |
4. | RB Leipzig | 23 | 49:28 | 21 | 37 |
5. | Hoffenheim | 23 | 45:35 | 10 | 37 |
6. | Freiburg | 23 | 36:26 | 10 | 37 |
7. | Köln | 23 | 35:37 | -2 | 35 |
8. | Mainz 05 | 23 | 34:26 | 8 | 34 |
9. | Union Berlin | 23 | 29:31 | -2 | 34 |
10. | Eintracht Frankfurt | 23 | 33:35 | -2 | 31 |
11. | Bochum | 23 | 25:33 | -8 | 29 |
12. | Wolfsburg | 23 | 24:35 | -11 | 27 |
13. | Borussia M'gladbach | 23 | 30:46 | -16 | 26 |
14. | Arminia Bielefeld | 23 | 22:29 | -7 | 25 |
15. | Hertha BSC | 23 | 25:51 | -26 | 23 |
16. | Augsburg | 23 | 25:40 | -15 | 22 |
17. | Stuttgart | 23 | 27:43 | -16 | 19 |
18. | Greuther Fürth | 23 | 21:61 | -40 | 13 |