Der Platzsturm entwickelt sich zur neuen Folklore - dabei gehört er sofort wieder abgeschafft. Beim FC Augsburg müssen die Falschen gehen und ein ehemaliger Champions-League-Aspirant wird zur Enttäuschung der Saison.
In Augsburg müssen die Falschen gehen
Am Freitagabend trat FCA-Präsident Klaus Hofmann zurück, offizielle Begründung: Gesundheitliche Probleme, der Unternehmer wolle sich in Zukunft wieder mehr um seine Firma kümmern, die Doppelbelastung als FCA-Präsident ein Problem. Keine 24 Stunden später stellte sich Trainer Markus Weinzierl im Live-Moment vor die Kamera und verkündete bei Sky seinen Abschied aus Augsburg - ohne davor ein Wort mit seinem Vorgesetzten darüber gesprochen zu haben.
Stefan Reuter wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Der starke Mann beim FCA hat den Machtkampf gewonnen, während alle anderen einmal mehr gehen müssen oder aus mehr oder weniger freien Stücken gehen, kann Reuter bleiben. Und nun den sechsten Trainer in den letzten sechs Jahren suchen. Diese Bilanz hegt die Vermutung, dass nicht immer nur die anderen Schuld sind an der sportlichen Schieflage, sondern in erster Linie derjenige, der als Konstante eine Entscheidung nach der anderen treffen darf.
Der Klassenerhalt für den FC Augsburg, eine zwölfte Saison in Folge in der Bundesliga: Das ist ein großer Erfolg. Aber schon lange ist der FCA nicht mehr der sympathische Underdog, der mit seiner ruhigen, akribischen Arbeit das schafft, wovon andere - siehe unter anderem Schalke, Werder, Stuttgart, der HSV - träumen. Augsburg ist auf dem Weg zur Skandalnudel und das hat auch einiges mit Stefan Reuter zu tun.
Gladbach braucht wieder Gladbach-Fußball
Das Kapitel Adi Hütter war ein sehr kostspieliges und hat Borussia Mönchengladbach ein ganzes Jahr gekostet. Immerhin konnten der Klub und sein Trainer nach einer sehr schwierigen Saison ohne die Perspektive auf Besserung nun aber einen sauberen Schnitt machen und ihr Gesicht wahren. Nach dem Rücktritt von Max Eberl schlingerte die Borussia ohne Führung und ohne konkrete sportliche Idee vor sich hin und hatte es auch Hütter zu verdanken, der bei allen sportlichen Probleme und seinem großen Anteil daran als Kommunikator nach außen immer eine ruhige und seriöse Figur abgab und damit noch Schlimmeres verhinderte.
Die Trennung stellt die Weichen wieder neu, jetzt muss der Klub aber auch wieder zurückfinden auf den Weg, der seit fast zwei Jahren verlassen wurde. Sportchef Roland Virkus hat die verwässerte Spielphilosophie als Grundübel ausgemacht und liegt damit richtig.
Gladbach war in den Jahren nach seiner Wiederauferstehung unter Lucien Favre immer dann am besten, wenn die Mannschaft den Ball haben und das Spiel kultivieren wollte - und nicht wie unter den ehemaligen Red-Bull-Trainern Marco Rose und Hütter den Schwerpunkt auf großer Intensität im Spiel gegen den Ball legte, sowie schnell umschalten wollte. Gladbach muss zurück zu den Favre-Wurzeln - vielleicht ja mit Favre selbst?
Der Platzsturm darf sich niemals etablieren
Wir konnten das in Frankfurt sehen vor einigen Tage, auf Schalke letzte Woche und in Köln - nach einer Niederlage. Und nun am Wochenende in Stuttgart und in der zweiten Liga auch in Bremen: Der Platzsturm bahnt sich seinen Weg in den Folklore-Katalog der Fans.
Und das ist eine schlechte Entwicklung.
Bei allem Verständnis dafür, dass die angestaute Energie raus muss, dass die Leute durchdrehen wollen und sich in gewisser Weise auch ausleben: Am Ende killt so ein gefluteter Platz mehr Emotionen, als dass er sie transportieren oder verstärken würde. Überdies ist er für die Ordnungskräfte im Stadion nicht mehr kontrollierbar, gegnerische Fangruppen könnten aufeinandertreffen und sowohl auf Schalke, als auch in Stuttgart und besonders in Bremen gab es mehrere Verletzte.
Beim Werder-Spiel mussten mehr als 20 Personen behandelt werden. Der Platzsturm verkommt zur Selbstdarstellung jener, auf die es in erster Linie gar nicht ankommt. Die gezückten Smartphones verstärken das Übel nur zusätzlich, rauben dem Augenblick für ein paar verwackelte Selfies oder kleine Videoschnisel die Magie - und die Fans nehmen damit auch jenen im Wortsinn den Raum, sich über ihre Leistung zu freuen: Die Spieler sind das Wichtigste und sonst gar niemand. Sie sollten sich so freuen dürfen, wie sie das in diesem Moment für angemessen halten. Und nicht belagert werden von Souvenirjägern.
Hoffenheim ist der eigentliche Verlierer der Saison
Am 25. Spieltag besiegte 1899 Hoffenheim den 1. FC Köln in dessen eigenem Stadion, die Kraichgauer kletterten nach dem 13. Saisonsieg - mehr hatten zu diesem Zeitpunkt nur die Bayern und Borussia Dortmund eingefahren - auf Platz vier. Die Qualifikation für die Champions League war keine Illusion, sondern ein sehr konkretes Ziel.
Was danach aber folgte, war ein Einbruch erster Güte, so schlimm wie nie zuvor in der immer noch jungen Hoffenheimer Bundesliga-Historie. Aus den letzten neun Spielen gelang kein einziger Sieg mehr, nur drei Punkte sammelte Sebastian Hoeneß' Mannschaft ein, kassierte 24 Gegentore und verspielte nicht nur die Champions, sondern nacheinander dann auch die Europa und die Conference League.
Letztlich holte Hoffenheim nur drei Zähler mehr als in der bereits als schwach eingestuften letzten Saison, mit dem Tiefpunkt beim herben 1:5 zum Abschluss in Gladbach. Angesichts der hervorragenden Ausgangslage und was die TSG daraus gemacht hat und der Tatsache, dass Hoeneß nun schon das zweite Jahr in den Sand gesetzt hat, ist Hoffenheim neben der Hertha der große Verlierer der Saison.