Thesen zum 32. Bundesliga-Spieltag: Als Goretzka-Ersatz? Warum dieser Dortmunder mit zur EM sollte

Stefan Rommel
10. Mai 202110:47
SPOXgetty
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Warum ist der FC Augsburg trotz der nächsten Niederlage auf einem guten Weg? Welcher BVB-Star dreht aktuell so richtig auf? Was ist Frankfurts Problem und warum ist eine Quarantäne-Pause offenbar gar nicht so schlimm? Die Antworten auf diese Fragen liefern die Talking Points des 32. Spieltags.

FC Augsburg: Die Richtung stimmt

Es war wie immer: Markus Weinzierl verliert das erste Spiel als Trainer einer neuen Mannschaft. Das war damals schon in Augsburg so, danach beim FC Schalke, dann in Stuttgart und nun erneut mit dem FCA. Premieren sind offenbar nichts für Weinzierl, dem wenigstens ein Punkt beim Gastspiel in Stuttgart nicht nur gefallen hätte, sondern auch ganz besonders wichtig gewesen wäre. Denn Augsburg ist jetzt nur noch zwei Punkte im Vorteil gegenüber Bielefeld, der Hertha und Werder - gegen das es am kommenden Wochenende im Do-or-Die-Spiel geht.

Auf dem Papier hat sich also am Abwärtstrend der Augsburger nichts verändert. Auf dem Platz aber sehr wohl. Weinzierl hat seiner Mannschaft einen sehr aktiven und durchaus mutigen Plan mit auf den Weg gegeben, der FCA attackierte früh und mit vielen Spielern und schaltete nach Ballgewinnen sofort in die Tiefe um.

Daraus entstanden so viele Torchancen wie in zwei, drei Spielen unter Ex-Coach Heiko Herrlich zusammen. Der Auftritt in Stuttgart sollte für die Partie gegen Werder reichlich Mut machen - weil der FCA unter Weinzierl offenbar das spielen will, was Herrlich zwar immer propagiert und dann nie umgesetzt hat. Und was deutlich besser zum Kader passt als der reaktive, fast ausschließlich destruktive Ansatz.

BVB: Noch ein Dortmunder Kandidat für die EM?

Marco Reus findet offenbar rechtzeitig zum Saisonfinale wieder seine Form und wird - speziell in Erling Haalands Abwesenheit - zum Unterschiedspieler bei Borussia Dortmund. Reus' Chancen auf einen Platz bei Joachim Löw für die anstehende Europameisterschaft verbessern sich von Woche zu Woche, dabei hatte das im März und April noch ganz anders ausgesehen, als Reus wie die gesamte Mannschaft weit von seiner Normalform entfernt war.

Als Konstante damals wie heute ist aber Mo Dahoud auszumachen. Der hat sich längst nicht nur zu einem festen Bestandteil der Stammelf entwickelt, sondern ist im defensiven Mittelfeld mittlerweile so etwas wie der Chef im Ring. Dahoud löst mit ein paar Jahren Verspätung immer mehr sein Versprechen ein, der Nachfolger von Ilkay Gündogan werden zu können.

Der 25-Jährige bestimmt den Rhythmus des Dortmunder Spiels und bildet zusammen mit einem der eher fleißigen Zuarbeiter Jude Bellingham oder Thomas Delaney ein sauber aufeinander abgestimmtes Pärchen vor der Abwehr. Dahoud ist mittlerweile auf hohem Niveau stabil in seinen Leistungen und verbessert damit automatisch seine Chancen, in den 26er-Kader von Löw berufen zu werden. Zumal es jetzt auch Sorgen um Bayerns Leon Goretzka gibt, der das Turnier wegen einer Muskelverletzung verpassen könnte.

Eintracht Frankfurt gehen die Ideen aus - und auch der Saft?

Drei Viertel der Saison rollten die Frankfurter Wuchtbrummen durch die Liga, standen nach dem vermeintlich vorentscheidenden Sieg in Dortmund sieben Punkte besser da als der Kontrahent im Kampf um die Königsklasse und hatten bis dato nur drei Spiele verloren. Dann kündigte Trainer Adi Hütter seinen Abschied zum Saisonende an und seitdem muss sich die Eintracht jeden einzelnen Punkt mühsam zusammenkratzen. Der Punkteschnitt hat sich seitdem fast halbiert.

Die Leichtigkeit ist weg, auch die Kreativität auf dem Platz und auf der Trainerbank. Das Spiel gegen Mainz war geprägt von sinnlosen Versuchen der Frankfurter, über die Flügel irgendwie in den Strafraum zu gelangen. Mehr als ein paar Flanken sprangen dabei aber nicht heraus und die räumten Mainz' Abwehrriesen in der Luft locker wieder aus der Gefahrenzone.

Frankfurt fehlte die Verbindung im Zentrum, zwischen den Sechsern und dem Doppel-Sturm war Daichi Kamada heillos damit überfordert, die Angreifer in Szene zu setzen. Filip Kostic wurde von Danny da Costa kaltgestellt und schon war es vorbei mit dem Frankfurter Offensivkonzept.

Und es droht noch ein anderes, altes Problem zum Stolperstein auf der Zielgeraden zu werden: Frankfurts Powerfußball fordert irgendwann seinen Tribut. Die Eintracht ist eine der körperlich stärksten Mannschaften der Liga, gegen Mainz und phasenweise auch schon in Spielen davor prallte das Team aber regelrecht an den jeweiligen Gegner ab. Das Phänomen gab es auch in den Jahren davor in der Endphase einer Spielzeit zu sehen. Jetzt, so kurz vor dem großen Ziel Champions League, wäre ein erneuter Einbruch doppelt bitter.

Bundesliga-Tabelle am 32. Spieltag

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München3292:405274
2.RB Leipzig3257:282964
3.Wolfsburg3257:322560
4.Borussia Dortmund3269:442558
5.Eintracht Frankfurt3263:481557
6.Bayer Leverkusen3251:351651
7.Borussia M'gladbach3259:52746
8.1. FC Union Berlin3247:41646
9.SC Freiburg3249:47244
10.VfB Stuttgart3254:52242
11.TSG Hoffenheim3249:52-339
12.1. FSV Mainz 053235:51-1636
13.FC Augsburg3232:49-1733
14.Werder Bremen3234:51-1731
15.Hertha BSC3138:49-1131
16.Arminia Bielefeld3223:51-2831
17.1. FC Köln3233:60-2729
18.Schalke 043120:80-6013

Quarantäne! Na und?

14 Tage waren die Spieler und das Trainerteam plus Betreuerstab von Hertha BSC in der so genannten häuslichen Quarantäne. Während andere Mannschaften ganz normal weiter trainieren durften, waren die Berliner zu einem deutlich abgespeckten Programm verdonnert und hatten keine Möglichkeit zum Mannschaftstraining.

Das sind sehr schlechte Voraussetzungen, um in der Bundesliga zu bestehen - könnte man meinen. Schließlich ist ja alles bis ins Detail durchgetaktet, sind die Trainingspläne und die Belastungssteuerung individuell konzipiert und nehmen auf die kleinste Veränderung sofort Rücksicht. So eine zweiwöchige Zwangspause sollte da doch wie ein Dampfhammer erscheinen, der dem Team enorm zusetzt.

In der Theorie mag das alles stimmen. In der Praxis zeigt sich aber ein ganz anderes Bild. Hertha BSC hat aus den drei Spielen nach der Quarantäne fünf Punkte eingefahren, von einem Leistungsabfall war rein gar nichts zu erkennen. Nun könnte man das auf die Gegner in dieser Zeitspanne schieben und tatsächlich waren mit Mainz, Freiburg und Bielefeld keine ausgesprochenen Topteams darunter.

Aber immerhin dann doch der Sechste der Rückrunden-Tabelle (Mainz), ein Team im Dunstkreis der Europapokalplätze (Freiburg) und die Arminia, gegen die Berlin in der Hinrunde noch verloren hatte. Einen Zufall mag man ausschließen: Auch in der von Corona deutlich heftiger gebeutelten 2. Liga punkteten die "Quarantäne-Teams" Sandhausen, Karlsruhe und Kiel unmittelbar nach ihren Pausen teilweise herausragend. Vielleicht stößt die Verwissenschaftlichung des Spiels irgendwann auch an ihre Grenzen...

Werder Bremen: Neues Rezept im Abstiegskampf

Yuya Osako kann ein überdurchschnittlicher Bundesligaspieler sein, für Milot Rashica wollte Werder Bremen mal an die 30 Millionen Euro Ablöse aufrufen, Kevin Möhwald ist der torgefährlichste Spieler im Bremer Kader - aber alle drei sind in der entscheidenden Phase der Saison bei Florian Kohfeldt außen vor.

Werders Trainer hat nach zuletzt sieben Niederlagen in Folge die neue Robustheit als Markenkern ausgerufen, die Null muss stehen und vorne wird gearbeitet, statt spielerisch zu glänzen. Das ist das Bremer Rezept für den Klassenerhalt und es wird ausgefüllt von Spielern, die in erster Linie eine körperliche Präsenz mitbringen.

Im Mittelfeld ist Christian Groß als Sechser derzeit gesetzt. Ein Spieler, der eigentlich für den Regionalliga-Kader geplant war und sich derzeit anschickt, zu einem der Eckpfeiler der Mannschaft zu werden. Im Angriff vertraut Kohfeldt auf den bulligen Niclas Füllkrug für mehr Strafraumpräsenz bei Flanken sowie Arbeitsbiene Davie Selke als besonders hartnäckigem Störspieler, der dem Gegner auch mal auf die Nerven geht.

Die Zehnerposition füllt Joshua Sargent aus, ein gelernter Angreifer, der 90 Minuten und ein bisschen mehr marschieren kann und sich in zahllosen Zweikämpfen aufreibt. Für Osako, Rashica, Möhwald bleibt da kein Platz mehr und stattdessen nur die Joker-Rolle.

Der patentierte Huub-Stevens-Plan soll Werder jetzt also in der Liga halten und die letzten beiden Spiele gegen Leipzig im Pokal und beim 0:0 gegen Leverkusen bestätigten einen Leistungsanstieg. Allerdings müsste Werder auch noch eine der letzten beiden Partien gegen Augsburg und Gladbach gewinnen, um fast sicher gerettet zu sein. Wie diese Mannschaft aber ein Tor erzielen soll, ist noch nicht ganz klar.