Wie sich die Berliner um einen Elfmeter streiten, lässt schon wieder Böses für die Hertha erahnen. Leipzig scheint den Upamecano-Abgang problemlos zu kompensieren, Adi Hütter hat in Gladbach schon mächtig Druck. Die Thesen zum 2. Spieltag.
Herthas Unprofessionalität lässt Böses erahnen
Zu den peinlicheren Szenen der Saison dürfte jetzt schon der Elfmeter-Streit und dessen Nachklapp zwischen Dodi Lukebakio und Davie Selke beim 1:2 der Hertha gegen Wolfsburg gehören. Dass man sich mal um die Ausführung eines Strafstoßes streiten: geschenkt. Gibt's in jeder Mannschaft mal. Aber wie unnachgiebig beide da mit dem Ball in der Hand standen und nicht im Stande waren, das Problem untereinander zu klären und erst die Intervention von Kapitän Dedryck Boyata nötig war, um überhaupt einen Schützen zu ermitteln, war schon befremdlich.
Dass der zurückgewiesene Selke, laut Jobbeschreibung ein Torjäger, dann aber bei der Ausführung einfach so am Strafraumrand rumsteht, die Händen in den Hüften und nicht einmal zum Schein irgendwelche Anstalten macht, auf einen womöglich abgewehrten Schuss zu reagieren, also in den Strafraum zu sprinten und mit aller Macht den Abpraller zu verwerten: Das ist schlicht unprofessionell.
Und es nährt zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison schon wieder Zweifel am Teamgeist. Die Hertha hat herausragende Einzelkönner in ihrer Mannschaft, das war auch in der letzten Saison schon so. Aber sie fügten sich nie in ein Kollektiv. Mit der Selke-Lukebakio-Episode driftet das nur schon wieder in diese Richtung. Der Fehlstart ist jetzt schon perfekt - und nächste Woche warten die Bayern...
gettyRB Leipzig hat seinen neuen Upamecano schon gefunden
Dominik Szobolzlai hat gegen den VfB Stuttgart ein tolles Spiel hingelegt und gezeigt, dass sich die Liga auf ihn als Spielertyp freuen kann.
Aber der kaum besungene eigentlich Star des 4:0 von RB Leipzig gegen den VfB Stuttgart war Mohamed Simakan. Der junge Franzose legte einen fulminanten Auftritt hin, nahezu jeder der ohnehin schon wenigen Stuttgarter Angriffe zerschellte spätestens an Simakan.
Keiner hatte mehr Balleroberungen, mehr erfolgreiche Tacklings und fing mehr Bälle ab. Keiner brachte mehr Pässe zum Mitspieler und war in der Luft so stark wie der Zugang von Racing Straßbourg. Dazu noch das wuchtige Andribbeln, das teilweise an den jungen Lucio erinnerte, der mit dem Ball am Fuß einfach mal tief in die gegnerische Hälfte marschierte.
Leipzig hat in Dayot Upamecano und Ibo Konate zwei überragende Innenverteidiger verloren. Aber ganz offenbar ist der neue Upamecano ja schon gefunden. Jedenfalls ist Simakan das nächste Riesentalent aus dem schier unerschöpflichen Reservoir an französischen Topspielern. Und mit erst 21 Jahren auch noch formbar und mit genug Potenzial ausgestattet, in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger zu treten.
Mohamed Simakan: Spieldaten in der Bundesliga
Gegner | Pässe | erfolg. Pässe | Ballaktionen | Ballbesitz erlangt | Zweikämpfe | gew. Zweikämpfe |
Mainz 05 | 106 | 84.91 | 121 | 5 | 16 | 75 |
VfB Stuttgart | 56 | 91.07 | 76 | 10 | 14 | 85.71 |
FC Bayern: Nagelsmann hat gleiches Problem wie Flick
Eine "typisches Spiel für die Vorbereitung" hat Julian Nagelsmann gegen Köln gesehen, wie er nach dem wilden 3:2 sagte. Eine bemerkenswerte Aussage am zweiten Spieltag der Bundesliga, das die Bayern gegen einen kecken Gegner mit Ach und Krach noch so gewinnen konnten.
Aber Nagelsmann muss ja auf Grund der dünnen Personaldecke und weil so viele Spieler erst so spät ins Training eingestiegen sind tatsächlich ein wenig improvisieren. Gegen Köln ließ er auf dem Papier mit einer Viererkette spielen, faktisch verteidigten die Bayern in der ersten Halbzeit aber mit drei Spielern in der letzten Reihe. Das Ergebnis: Eine gute defensive Stabilität, aber null Druck nach vorne.
Zur zweiten Hälfte drückten die Münchener dann ihr 4-2-3-1 durch, wurden in der Offensive plötzlich brandgefährlich - aber hinten zuweilen auch ungewohnt offen. Die Partie im zweiten Durchgang erinnerte an die Schwächephase unter Vorgänger Hansi Flick zu Beginn des Jahres, als die Bayern in jedem Spiel in den Umschaltphasen überrumpelt wurden und sehr viele Gegentore kassierten. Flick brauchte damals einige Wochen, um das leidige Thema in den Griff zu bekommen.
Nagelsmann sollte das schneller bewerkstelligen, schon aus reinem Eigennutz. Immerhin: Im nächsten Spiel wartet der Bremer SV, ein Bremer Fünftligist. Quasi noch ein Vorbereitungsspiel für den FC Bayern.
Adi Hütter hat zwei große Probleme in Mönchengladbach
Marcus Thuram, Stefan Lainer, Alassane Plea und Matthias Ginter: Gleich vier Spieler verlor Borussia Mönchengladbach beim 0:4 in Leverkusen. Lainer hat sich offenbar das Sprunggelenk gebrochen und fällt monatelang aus, die anderen Spieler könnten zumindest nächste Woche beim FC Union fehlen.
Vor dem Nachbarschaftsduell gegen Bayer hatte Trainer Adi Hütter die Partie als absolutes Knackpunktspiel deklariert, das die Weichen für die nächsten Wochen stellen würde. Und dann so ein Auftritt, so ein Verletzungspech. Das Spiel in der BayArena war auf mehreren Ebenen ein echter Tiefschlag und es bringt Hütter in eine ziemlich delikate Lage: Nach der verkorksten Schlussphase der letzten Saison, als nach der Bekanntgabe von Marco Roses Wechsel zum BVb nchts mehr ging, sollte unter dem neuen Trainer Hütter ein schwungvoller Neustart gelingen in Gladbach.
Nun aber torpedierten erst der knackige Spielplan (Bayern, Leverkusen, Union) und das Verletzungspech das Vorhaben. Und ohne bewährte Stammkräfte wird das Unterfangen für einen Trainer, der seine Idee noch vermitteln muss und dafür Zeit benötigt, gewiss nicht leichter.
Adi Hütter hatte auch in Frankfurt damals einen missratenen Start, fand erst nach ein paar Wochen in die Spur. Damals aber mit einer intakten Mannschaft und ohne große Verletzungssorgen. Der Österreicher steht in Gladbach schon früh vor einer sehr großen Aufgabe.
gettyDie Szene des Spieltags: Weltklasse made in Bochum
Man stelle sich mal vor, dieses Tor hätte Robert Lewandowski erzielt. Oder Erling Haaland. Oder Filip Kostic. Die Reaktionen darauf hätten sich geradezu überschlagen, "Weltklasse" wäre fast schon ein minderwertiges Prädikat dafür gewesen.
Der Sololauf ereignete sich nur nicht München, Dortmund oder Frankfurt, sondern an der Castroper Straße in Bochum. Und der Schütze heißt Gerrit Holtmann.
57 Meter legte der in dieser Szene im Spiel gegen Mainz 05 mit dem Ball am Fuß zurück, überspielte dabei sechs Gegenspieler und schoss Mainz' Keeper Robin Zentner am Ende den Ball durch die Beine. Dabei rumpelte Holtmann fast in seine sagenhafte Aktion, vergaß ganz zu Beginn den Ball und stolperte beinahe über seine eigene Beine. Danach aber: Ein Lauf in die Geschichtsbücher, wenigstens in jeden des VfL Bochum.
So ein Tor hat es selbst an der Castroper noch nicht gegeben und dieses Stadion hat fürwahr schon viel erlebt.