Mit der Verpflichtung von Fabian Schär hat 1899 das nächste Ausrufezeichen auf dem Transfermarkt gesetzt. Die TSG will raus aus dem grauen Mittelmaß und die eigene Entwicklung vorantreiben. Ob der 23-Jährige für diese Mission der Richtige ist, muss sich aber erst zeigen.
Ein "bisschen Enttäuschung" machte Markus Gisdol nach dem letzten Auftritt der vergangenen Spielzeit bei sich aus. Zumindest offiziell. Intern dürfte es bei 1899 nicht nur den Coach ein bisschen mehr geärgert haben, die hervorragende Position um ein Europa-League-Ticket nicht genutzt zu haben.
Genau drei Spieltage lang standen die Kraichgauer in der Hinserie nicht auf einem internationalen Rang - nach nur fünf Siegen in der Rückrunde rutschte die TSG ab. "Platz acht ist okay", so Gisdols ernüchtertes Fazit.
Nach dem Beinahe-Exitus vor zwei Jahren hat es der Coach zusammen mit Sportdirektor Alexander Rosen geschafft, Hoffenheim zu rehabilitieren. Den Klub aus der roten Zone der Tabelle ins sichere Mittelfeld zu führen. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, für die finanziellen Mittel, die im Kraichgau herrschen, aber auch kein Husarenstück.
In Hoffenheim geht der Blick bei aller gepredigter Demut deshalb nach oben. "Wir konnten uns nicht so schnell entwickeln wie erhofft", brachte es Gisdol auf den Punkt. Bei 1899 will man die nächste Stufe erklimmen - und die heißt nach den Plätzen neun und acht in den letzten Jahren konsequenterweise Europa.
"Wissen nicht, wie der Kader aussehen wird"
Im Angesicht des als sicher geltenden Abgangs von Roberto Firmino keine leichte Aufgabe. Auch Gisdol selbst übte sich nach der verkorksten Rückrunde in Zurückhaltung. Ob man die versäumte Chance auf die Europa League einfach nächstes Jahr nachholen würde? "Wir wissen ja nicht mal, wie der neue Kader aussehen wird."
Doch daran bastelt man im Kraichgau auf Hochtouren. Mit der Verpflichtung von Freiburgs Jonathan Schmid und vor allem der Vertragsverlängerung des umworbenen Kevin Volland setzten die 1899er kleine Ausrufezeichen in Richtung der kommenden Saison. Es sind klare Fingerzeige, dass der Status Quo nicht als befriedigend angesehen wird in Baden. Fingerzeige, dass man nicht zur grauen Maus der Liga mutieren möchte.
Trotz der angebrachten Euphorie sind Personalentscheidungen in dieser Größenordnung allerdings Pflicht, wollen die Blauweißen die angestrebte Entwicklung vorantreiben und nicht hinter der Konkurrenz zurückbleiben, zumal die Spitze der Liga qualitativ so breit aufgestellt ist, wie lange nicht mehr.
London, Mailand? Hoffenheim!
In diese Kategorie der personellen Veränderungen fällt auch die jüngste Verpflichtung von Fabian Schär. Der Schweizer wird der Metropole Basel den Rücken kehren und fortan im Kraichgau seine Stiefel schnüren. Eine Personalie, die aufhorchen lässt. Beim Schweizer Serienmeister wären Titel garantiert gewesen. Genauso wie die Champions League. Arsenal soll Interesse gehegt haben, nicht als einziger Klub von der Insel. Mit Inter war ein weiterer großer Klub aus Italien im Rennen, Gladbach - so heißt es - habe ihn ebenfalls auf dem Zettel gehabt.
Die "Personalplanungen weiter konsequent vorantreiben", so drückt es Rosen aus, der den Coup als Bestätigung für die Arbeit der TSG sieht. Das sportliche Anforderungsprofil stimmt, die knapp fünf Millionen Euro Ablöse kann sich 1899 leisten, ohne ein Risiko einzugehen. Gefühlt ist der 23-Jährige ein wahres Schnäppchen.
International erfahren und ein enormes Entwicklungspotenzial - zwei Attribute, die Schär auf den ersten Blick zur Premiumlösung für die unzureichend besetzte Innenverteidigung der TSG macht. Ihn, der vom FC Basel vor drei Jahren aus heiterem Himmel aus der Sommervorbereitung seines Heimatvereins FC Wil in der zweiten Liga herausgekauft wurde. Der sich beim Königsklassen-Stammgast in Windeseile unverzichtbar machte. In 114 Spielen 15 Tore erzielte, zum Elfmeterschützen aufstieg, zum Nationalspieler wurde.
Weiterentwicklung ist das Stichwort
"In Hoffenheim", so ließ der seit längerem mit einem Wechsel ins Ausland kokettierende Defensivmann selbst verlauten, "habe ich die optimalen Voraussetzungen gefunden, um mich weiter zu entwickeln."
Weiterentwicklung ist dabei das Stichwort. Denn nicht nur für die TSG geht es darum, nach einer kurzen Phase der Stagnation einen nächsten Schritt zu gehen. Auch der hochveranlagte Verteidiger, von dem sein ehemaliger Nati-Coach Ottmar Hitzfeld gar sagte, er könne sich selbst beim FC Bayern durchsetzen, hat noch reichlich unausgeschöpfte Möglichkeiten.
Schär ist ein unglaublich guter Aufbauspieler aus dem Zentrum heraus. Seine langen und präzisen Bälle nach vorne werden den Hoffenheimern gut zu Gesicht stehen. Der Schweizer ist trotz seines jungen Alters eine Führungspersönlichkeit, ein sicherer Elfmeterschütze und in der Luft eine Macht - auch vor dem gegnerischen Tor.
"Wir haben hier einiges vor"
Doch ob er dem Hype um seine Person gerecht werden kann, muss Schär bei Hoffenheim erst noch beweisen. Das Medienecho war ob der namhaften Konkurrenz um eine Verpflichtung groß, doch wird der Schweizer nicht das Allheilmittel für die teils wacklige TSG-Defensive sein.
Zum einen kämpfte Schär in den letzten beiden Jahren mit einigen Blessuren. Jüngst war es ein Bänderriss im Sprunggelenk, das Knie macht seit längerem Mätzchen, Probleme mit der Patellasehne setzten ihn vor eineinhalb Jahren für zwölf Spiele außer Gefecht.
Auch in Sachen Konstanz - das große Problem der Hoffenheimer der vergangenen Spielzeit - war Schär nicht von Leistungsschwankungen verschont. Ein Umstand, der für einen 23-Jährigen vollkommen normal ist. Sich aber bessern muss.
Denn: "Wir haben hier einiges vor", verkündete Volland noch nach seiner Verlängerung. Ein Schweizer soll dabei helfen - und zeigen, dass er tatsächlich ein Transfercoup ist.
Fabian Schär im Steckbrief