Im Sommer wechselte Dayot Upamecano von RB Leipzig zum FC Bayern. Im Interview spricht er über seine Eingewöhnung, seine einzigartige Antrittsrede beim FCB, das Gladbach-Debakel und "die beste Entscheidung" seines Lebens.
Mit 42,5 Millionen Euro Ablöse war Dayot Upamecano im Sommer der Königstransfer des FC Bayern - und bislang ist der Innenverteidiger voll eingeschlagen. Auch in der französischen Nationalmannschaft ist der 23-Jährige auf dem besten Weg, sich als feste Größe zu etablieren.
Im Gespräch mit SPOX und GOAL erklärt Upamecano, wie er das Debakel in Gladbach verdaut hat und warum er sich einst für den frühen Wechsel nach Salzburg entschied. Außerdem: Was er an Julian Nagelsmann schätzt und welcher Musik er aktuell lauscht.
Im Sommer wechselten Sie zu Bayern München - und sorgten sofort für einen besonderen Moment, als Sie bei Ihrer Präsentation eine Dankesrede hielten. Wie kam es dazu?
Dayot Upamecano: Ich hatte das nicht geplant, es war ganz spontan. Nachdem ich unterschrieben hatte, bin ich aufgestanden und habe ein paar Worte gesagt. Dieser Klub vertraut mir, dafür bin ich dankbar und das wollte ich ausdrücken. Ich werde hier alles geben und für die Mannschaft kämpfen. In dem Moment war mir das gar nicht bewusst. Ich habe einfach den Stift zur Seite gelegt und vor dem Sportdirektor, dem Trainer und den zehn anderen Leuten gesprochen.
Das geschah auf Deutsch.
Upamecano: Ja natürlich, und ich glaube, das kam überraschend. Ich war wohl der erste Spieler, der so etwas gemacht hat.
In der Öffentlichkeit gelten Sie als schüchtern. Trifft das zu?
Upamecano: Ich finde, man sollte Schüchternheit nicht mit Sachlichkeit verwechseln. Ich bin ein ruhiger Mensch. Ich rede nicht einfach daher, sondern denke über das nach, was ich sage und tue. Manche Leute nennen das dann schüchtern, aber ich bin einfach ein ruhiger Typ. Wer wirklich schüchtern ist, kann nicht jedes Wochenende große Spiele vor tausenden Menschen bestreiten. Das geht nicht.
gettyBayern-Debakel gegen Gladbach? Upamecano: "Da haben wir versagt"
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Start in München?
Upamecano: Ehrlich gesagt fühlt er sich sehr gut an. Ich wurde toll aufgenommen. Die Trainer und die Mitspieler haben mir sofort gezeigt, wie alles läuft. Zu Beginn bei einem neuen Verein ist es nie einfach. Aber ich kannte den Trainer und das war ein Vorteil. Vieles von dem, was wir in Leipzig gespielt haben, hat er auch bei Bayern umgesetzt - nur besser. Das hat es einfach gemacht.
Neben vielen guten Spielen, wie dem Sieg gegen Barcelona in der Champions League, gab es auch das 0:5-Debakel im Pokal gegen Borussia Mönchengladbach. Was war da los?
Upamecano: Das war schlimm und dafür will ich mich bei den Fans auch entschuldigen. So etwas darf nicht nochmal passieren. Wir haben da versagt und waren einfach nicht im Spiel. Das gilt für mich genauso wie für den Rest der Mannschaft. Mein Ansatz ist: Aus den eigenen Fehlern muss man lernen, und das haben wir danach gegen Union Berlin und Benfica auch getan. Das war die richtige Reaktion. Gladbach muss ein Unfall bleiben.
Sie haben eben Julian Nagelsmann angesprochen. Welchen Einfluss hat er auf Ihre Karriere?
Upamecano: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Ich mag Trainer, die Dinge erklären, und er redet viel mit mir. Wenn ich nicht gut war, merkt er das direkt an. Er zeigt mir anhand von Beispielen, wo ich falsche Entscheidungen getroffen habe und wie ich mich besser verhalten hätte. Am meisten imponiert mir, dass er keine Angst hat, Dinge anzusprechen. Als Verteidiger gefällt mir, dass ich unter ihm auch nach vorn spielen und mal ein Risiko eingehen darf. Und wir sind flexibel, was Dreier- oder Viererkette angeht. Das kommt ganz auf den Gegner an.
Wie gefällt Ihnen Ihr Spitzname "Supermecano"?
Upamecano: (lächelt) In Deutschland habe ich einen guten Ruf, ich bin ja auch mittlerweile schon eine Weile hier. Ich gehe die Dinge einfach ernsthaft an und will eine gute Mentalität zeigen. Respekt ist auch sehr wichtig. Ich war noch nie zu spät beim Training und will keine Fehler machen. Das ist keine Einbahnstraße. Wenn man sich respektvoll verhält, zeigen die Menschen auch Respekt.
In Ihrer Heimat Frankreich dagegen sind Sie eher unbekannt, weil Sie bereits vor sechs Jahren zu Red Bull Salzburg nach Österreich wechselten. Die beste Entscheidung ihre Lebens?
Upamecano: Das war ohne Frage eine der besten Entscheidungen. Damals haben Leute zu mir gesagt: "Was machst Du, Dayot? Das ist eine schlechte Wahl, es bringt Dir nichts." Ich habe immer entgegnet: "Abwarten, Ihr werdet schon sehen." Dann bin ich ruhig geblieben und habe gearbeitet. Heute sagen mir dieselben Kritiker, dass ich es richtig gemacht habe. Damals habe ich mir das Gelände angeschaut und mit Ralf Rangnick (damals Red Bulls Sportchef, d. Red.), dem Trainer und dem Mitarbeiter gesprochen, der für die Integration der Neuzugänge zuständig war. Ich habe eine Menge Angebote abgelehnt, um dorthin zu gehen. Meine Eltern hatten mir geraten, mir Salzburgs Offerte anzuhören. Und ich habe gesehen, dass das zu meinem Zielen passte.
Vier Länderspiele haben Sie mittlerweile absolviert, die Fans in Frankreich kennen Sie jetzt schon etwas besser. Gibt es etwas, dass sie noch nicht von Ihnen wissen?
Upamecano: Es stimmt, in Deutschland bin ich bekannter als in Frankreich. Aber mit der Zeit werden die Menschen mich noch besser kennenlernen. Zum Beispiel bin ich jemand, der sehr gerne Musik hört. So ziemlich alle Richtungen. Im Moment steht afrikanische Musik hoch im Kurs: Bissa Kode, Burna Boy oder Joe Boy, der übrigens gerade ein sehr gutes Album rausgebracht hat. Oder Koffi Olomide und Oumou Sangare, das alles gefällt mir. Ich versuche auch, viel zu lesen.
Bayern-Star Upamecano über seine Beraterin: "Ich vertraue ihr"
Ihren ersten Einsatz für Frankreich hatten Sie im August. Wie sind Sie bisher mit Ihrer kurzen Nationalmannschaftskarriere zufrieden?
Upamecano: In Erinnerung bleiben immer die guten Dinge. Ich habe ein Tor erzielt und wir haben die Nations League gewonnen. Jetzt geht es darum, weiter meine Leistung abzurufen. Das gilt für die Nationalmannschaft genauso wie für Bayern München. Im Training muss ich mir einen Platz in der Startelf verdienen.
Kommt Ihnen ein System mit Dreierkette bei Les Bleus entgegen?
Upamecano: Alle Spieler sind hier, weil sie eine Chance haben, zu spielen. Ich stelle die Mannschaft nicht auf. Aber wenn ich von Anfang an ran darf, werde ich alles geben.
Haben Sie die WM 2022 schon im Hinterkopf oder geht es nur darum, es in das nächste Aufgebot zu schaffen?
Upamecano: Natürlich habe ich das im Hinterkopf! Aktuell denke ich zwar nur an die Qualifikation und das nächste Spiel gegen Kasachstan. Aber sicher ist: Ich will zu dieser WM. Genauso, wie ich gerne bei der EM dabei gewesen wäre. Das hat meinen Wunsch nach der Weltmeisterschaft noch verstärkt.
In der französischen Mannschaft sind Sie der einzige Spieler, der von einer Beraterin (Raquel Rosa, d. Red.) vertreten wird. Wie kommt das?
Upamecano: Meine Mutter hat mich großgezogen, für mich ist das also nichts Ungewöhnliches. Sie macht ihre Arbeit ausgezeichnet und verfügt über viel Erfahrung im Männerfußball. Ich vertraue ihr. Ich muss sie nicht mit einem männlichen Berater vergleichen, denn ich sehe da keinen Unterschied.