Der Umbruch und die Folgen: Der VfB Stuttgart hat gleich ein Dutzend Spieler im Kader, deren kurz- oder mittelfristige Zukunft ungewiss ist. Das Spektrum ist breit gefächert, es wartet eine Menge Arbeit auf Sportdirektor Fredi Bobic und Trainer Bruno Labbadia. SPOX gibt einen Überblick über die Härtefälle - und solche, die es noch werden könnten.
Abwehr
Arthur Boka (28, seit 2006 im Verein, Vertrag bis 2012): Der Ivorer soll abgegeben werden. Boka hat zuletzt kaum gespielt. Am Wochenende gegen den Club durfte er dann mal wieder ran, weil Boulahrouz verletzt war und enttäuschte auf der linken Seite. Boka würde gerne bleiben, sogar auf einen Teil seines Gehalts verzichten. Er ist einer der wenigen Verbliebenen der Meistermannschaft von 2007 und hat noch die dicken Verträge aus Champions-League-Zeiten mitgenommen. Im Ranking der Linksverteidiger ist er hinter Sakai zurückgefallen und allenfalls auf einer Stufe mit Molinaro. Auch im linken Mittelfeld ist die Konkurrenz zu groß und zu stark. Eine Vertragsverlängerung ist so gut wie ausgeschlossen.
Dortmund - Stuttgart: Daten & Fakten
Khalid Boulahrouz (30, seit 2008 im Verein, Vertrag bis 2012): Der Niederländer kam nach der EM 2008 zum VfB und musste damals privat eine schwere Zeit durchmachen. Von den Anlaufschwierigkeiten hat er sich fast drei Jahre lang nicht erholt, erst in dieser Saison und besonders in der Rückrunde zeigt der 30-Jährige das, was sich einst Armin Veh und dann auch dessen Nachfolger von Boula erhofft hatten. Allerdings muss man Boulahrouz auch zugestehen, dass er als Innenverteidiger geholt wurde und sich erst nach und nach mit der weniger geliebten Rolle als Rechtsverteidiger arrangiert hat. Gerade als er richtig stark wurde, setzt ihn jetzt ein Zehenbruch für vier Wochen außer Gefecht - damit kann er sich sowohl nicht beim VfB, als auch bei anderen Vereinen und der Elftal für die EM empfehlen. Boulahrouz jedenfalls sieht seine Zukunft pragmatisch. "Der VfB und ich sind Partner und arbeiten zusammen." Und wenn nicht, dann eben nicht mehr. Zumal der Niederländer einer der Topverdiener im Kader ist mit kolportierten knapp drei Millionen Euro Jahresgehalt. Dass da auch beim VfB gespart werden könnte, ist Boula durchaus bewusst: "Schließlich befinden wir uns in Krisenzeiten, und da wird jeder Euro zehnmal umgedreht, bevor man ihn ausgibt."
spoxStefano Celozzi (23, seit 2009 im Verein, Vertrag bis 2012): Vom ersten Tag an hatte es Celozzi beim VfB schwer. Seine Karlsruher Vergangenheit war bei den Fans nicht gern gesehen, seine Auftritte wurden deshalb besonders kritisch begutachtet. Dazu kam die Tatsache, dass ihn keiner der vielen Trainer über mehrere Spiele einsetzen wollte; und eine ganze handvoll Verletzungen. Im Februar wurde er dann von Sportdirektor Bobic abgewatscht, als er VIP-Karten für das Pokalspiel gegen die Bayern via Facebook an seine Freunde angeboten hatte. Diese Saison durfte er in Berlin von Beginn an ran. Celozzi spielte ordentlich, der VfB verlor aber unnötig 0:1und der 23-Jährige war wieder raus aus der ersten Mannschaft. Dass er gehen muss, steht fest. "Ich hatte mir das alles ganz anders vorgestellt in Stuttgart, ich bin natürlich enttäuscht." Vielleicht wird Celozzi Teil des von den Schwaben angestrebten Deals mit Timothy Chandler vom 1. FC Nürnberg. Der Club jedenfalls soll interessiert sein.
Matthieu Delpierre (30, seit 2004 im Verein, Vertrag bis 2012): Der Franzose hat eine Saison komplett verpasst und gilt als Härtefall. Fast sechs Jahre lang war Delpierre in der Innenverteidigung gesetzt, holte 2007 an der Seite von Fernando Meira die Meisterschaft. Ein Sehnenabriss im Hüftbeugermuskel setzte ihn dann in der Hinrunde außer Gefecht, als er dann endlich wieder fit war und bei der U 23 spielen durfte, flog er mit Rot vom Platz, holte sich einen Pferdekuss ab, fehlte wieder einen Monat. Derzeit laboriert er an muskulären Problemen - ein Einsatz in dieser Saison wird immer unwahrscheinlicher. Und damit auch die Gewissheit, dass er von den Verantwortlichen nur schwer zu beurteilen sein wird. Die Tendenz geht Richtung Abschied. Delpierre ganz sachlich: "Ich bin gerade 30 Jahre alt geworden, und ich will noch ein paar Jahre weiterspielen. Nur wenn ich keine wichtige Rolle mehr in der Mannschaft spielen kann, stelle ich mir natürlich die Frage, ob es für mich in Stuttgart weitergeht. Es würde hier auch ohne mich weitergehen, und für mich würde es auch ohne den VfB weitergehen."
Cristian Molinaro (28, im Verein seit 2010, Vertrag bis 2014): Vor sechs Wochen war der Italiener noch unumstritten. Dann kamen ein unabsichtlicher Tritt ins Gesicht von Andre Schürrle, eine Rote Karte und drei Spiele Sperre. Und seitdem ist auf der Nummer eins auf der linken Abwehrseite die Nummer 2B geworden. Der junge Sakai, den der VfB halten will und wird, hatte sich vorerst den Platz erobert, Molinaro fand sich zum Teil sogar auf der Tribüne wieder. "Ich hatte auf eine Chance gehofft, aber sie kam nicht. Natürlich bin ich jetzt unzufrieden", sagt er. Angeblich gibt es trotz seiner Vertragslaufzeit bis 2014 Interessenten aus Italien, namhafte dazu. Von Milan und Juventus war die Rede. Besonders bitter für Molinaro ist, dass er sich vor seinem Platzverweis noch gute Chancen auf die EM ausrechnen konnte. Die sinken jetzt aber von Woche zu Woche. Immerhin könnte ihm Boulahrouz' Verletzung wieder seinen Job links in der Viererkette zuschanzen, weil Sakai wahrscheinlich weiter auf dem rechten Flügel bleibt.
Mittelfeld: Von Bah bis Traore
Mittelfeld
Mamadou Bah (23, im Verein seit 2010, Vertrag bis 2013): Seit über eineinhalb Jahren ist Bah beim VfB - und doch immer noch der No Name hinter den Gesetzten Kvist, Kuzmanovic, Hajnal oder Gentner. An denen kam er bis heute nicht vorbei. Allerdings warfen ihn speziell in dieser Saison zuerst ein Handbruch und später muskuläre Probleme immer wieder entscheidend zurück. Gegen den Club durfte er am Sonntag ein paar Minuten spielen und sich ins Gedächtnis der Fans rufen. Immerhin vertraut Trainer Labbadia offenbar auch in engen Spielen auf den 23-Jährigen. Bahs Qualitäten im defensiven Mittelfeld sind unbestritten, die Verantwortlichen werden sich seine Entwicklung ganz in Ruhe anschauen.
Timo Gebhart (22, seit 2008 im Verein, Vertrag bis 2013): Noch einer, der sehr lange verletzt war und dadurch den Anschluss verpasst hat. Gebhart war einer der stillen Helden der letzten Rückrunde. In Phasen der Lethargie waren es sein Biss und Einsatzwillen, die der Mannschaft enorm wichtige Punkte beschert haben - nicht nur den 3:2-Sieg nach Zwei-Tore-Rückstand in Mönchengladbach, den Gebharts Elfmeter kurz vor Schluss sicherte. Danach hatte er aber mit allerlei Verletzungen zu kämpfen, zuletzt legte ihn eine Bauchmuskelentzündung für Wochen flach. Unterm Strich stehen deshalb nur Kurzeinsätze und deshalb auch unweigerlich der Wunsch nach mehr Spielzeit. Die Flügel sind aber mit Harnik und Okazaki/Schieber gut besetzt, im Zentrum bekommt Hajnal immer noch den Vorzug. In der zweiten Mannschaft schlummert mit Kevin Stöger ein großes Talent für die Spielmacherrolle. Gebharts Aussichten könnten besser sein. Zuletzt gab es Gerüchte um Hoffenheim, wo mit Ernst Tanner Gebharts früherer Förderer aus Münchener Zeiten angeblich Interesse gehabt haben soll. Tanner ist jetzt weg, die Gerüchte schnell wieder verflogen. Trotzdem sagt Gebharts Berater Herbert Briem ganz offen: "Timo ist beim VfB mit dem Herzen bei der Sache. Wenn es bis zum Saisonende aber so weiterläuft, ist für beide Seiten ein Wechsel vielleicht die beste Lösung. Timo hat einen gewissen Namen, er ist für viele Klubs interessant."
Tamas Hajnal (31, im Verein seit 2011, Vertrag bis 2013): In der Rückrunde der letzten Saison einer der Garanten für den Klassenerhalt. Hajnals Verpflichtung füllte das Kreativvakuum zumindest einigermaßen, durch ihn wurden Harnik oder Cacau erst wieder gefährlich und lieferten die nötigen Tore. Der Verein zog deshalb die Option und verpflichtete den ausgeliehenen Hajnal fest. Auch zum Start der Hinrunde ganz stark, mit sehr guten Standards. Danach baute der Ungar aber immer weiter ab, zeigte nur noch vereinzelt seine Klasse im offensiven Mittelfeld. Auf U-23-Hoffnung Stöger setzen die Verantwortlichen große Stücke, er soll Hajnal demnächst beerben. Auch Raphael Holzhauser wird die Rolle in der Offensivzentrale durchaus zugetraut. Hajnals Perspektiven sind kurzfristig noch recht gut. Auf mittel- oder langfristige Sicht aber eher durchwachsen.
Zdravko Kuzmanovic (24, seit 2009 im Verein, Vertrag bis 2013): Der Serbe ist schwer einzuschätzen. Gute Leistungen wechseln sich mit weniger guten ab. Kuzmanovic ist gewiss immer gewillt, wirkt dabei aber manchmal auch aktionistisch und übermotiviert. Immerhin ist er einer derjenigen, die auch in kniffligen Spielen vorangehen wollen. Er fühle sich wohl beim VfB, wird er nicht müde zu betonen. Und trotzdem drängt bei ihm immer das Gefühl durch, dass ihm Stuttgart zu klein wird. "Wenn wir europäisch dabei sind im nächsten Jahr, könnte ich mir richtig gut vorstellen, hier zu bleiben. Aber zwei Jahre hintereinander ohne internationale Plätze, das wäre schon hart", sagt er offen und ehrlich. In der Winterpause gab es Offerten aus Italien, allen voran Juventus Turin soll am 24-Jährigen interessiert gewesen sein. Kuzmanovic hielt sich damals alle Türen offen, kokettierte durchaus mit einer Rückkehr in die Serie A. Da hatte er seinen Platz neben William Kvist an Christian Gentner verloren. Jetzt spielt er wieder auf der Doppel-Sechs, hat die Zukunft der Mannschaft mit in der Hand - und stellt sich nebenbei auch für andere Klubs ins Schaufenster.
Ibrahima Traore (23, im Verein seit 2011, Vertrag bis 2013): Kam vor der Saison aus Augsburg und sollte den dauerverletzten Johan Audel auf dem linken Flügel ersetzen. In der zweiten Liga war Traore eine Konstante, spielte beim FCA bis zu seiner Verletzung 18 teilweise sehr starke Monate. Dann verlor er etwas den Faden, der VfB hielt aber sein Versprechen und holte den guten Dribbler nach Stuttgart. Ein paar Mal bekam er seine Bewährungschance, im Pokal gegen den FSV Frankfurt gelang ihm auch ein Tor. Wirklich aufgedrängt hat er sich aber nie. Traore verteidigt zu schwach, wirkt im Zweikampf zu leicht für das Niveau in der Bundesliga. Allein mit seiner Schnelligkeit kann er nicht bestehen. Stand zuletzt zwar wieder im Kader, spielt derzeit aber kaum eine Rolle. Sollte irgendwann auch Audel, der im Prinzip seit zwei Jahren nur verletzt ist, zurückkommen, wird's noch enger für Traore.
Angriff
Cacau (31, im Verein seit 2003, Vertrag bis 2013): Identifikationsfigur und kleines Sorgenkind zugleich. Cacau hat im aktuellen Kader die meisten Spiele für den VfB bestritten, hat letzte Saison trotz einer Leistenverletzung durchgehalten und den VfB zum Klassenerhalt geschossen. Die nötige Operation hat er verweigert, sich erst in der Sommerpause dem Eingriff unterzogen. Nach einem sehr guten Start in die Saison begannen aber die Probleme. Cacaus Leistungen hielten mit seinen Ansprüchen nicht immer stand, die Mannschaft durchschritt ein Tal, er verlor seinen Stammplatz im 4-2-3-1, wurde unzufriedener und auf dem Feld verkrampft. Die Folge: Cacau, der an sich alles andere als egoistisch oder selbstverliebt ist, versuchte die Spiele alleine zu gewinnen und verrannte sich dabei in sinnlosen Einzelaktionen. Die wiederum riefen sofort die Kritiker auf den Plan, innerbetriebliche Störungen mit einigen Kollegen formten schnell das Bild vom Ego-Cacau. Durch den Zukauf von Vedad Ibisevic hat sich seine Lage kaum verbessert, auch im Hinblick auf die EM. Nächstes Jahr wird er 32 sein, sein Vertrag auslaufen. Wie es dann weitergeht, ist momentan ziemlich ungewiss.
Julian Schieber (23, wieder im Verein seit 2011, Vertrag bis 2013): Im letzten Spiel für seinen alten Arbeitgeber im Mai kam das Unheil: Schieber verletzte sich schwer, ein Muskelbündelriss. 15 Assists hatten sich in seinem Lehrjahr beim Club angesammelt, eine enorme Quote. Aber auch Ansporn für seine Rückkehr zu seinem Heimatklub. Schieber wollte aber zu schnell zu viel, trainierte früher als erlaubt und erlitt den erneuten Rückschlag. Danach gesellte sich eine Schambeinentzündung dazu. In der Hinrunde war er deshalb überhaupt kein Faktor. Trotzdem offerierte ihm der VfB in der Winterpause ein neues Vertragsangebot. "Mehr Vertrauen kann man nicht bekommen", sagte Trainer Labbadia damals. In der Rückrunde ist Schieber jetzt wieder mehr im Geschehen, wenngleich auch noch nicht voll dabei. Die Fitness ist wieder zurück, er will spielen - kommt aber an Ibisevic und Okazaki kaum vorbei, wenn beide fit sind. Seine Lage weckt Begehrlichkeiten anderer Vereine, Köln soll ihn schon als Podolski-Nachfolger im Blick haben. Interessiert sei er daran nicht. Nach der Saison werde er sich mit dem VfB zusammensetzen. Schieber will in Stuttgart bleiben. Er braucht dafür aber eine vernünftige Perspektive.
Mittelfeld: Von Bah bis Traore
Stuttgarts kompletter Kader im Überblick