Die meisten Klubs setzen im defensiven Mittelfeld auf zwei Sechser. Wie sind die Rollen innerhalb der Doppelsechs verteilt, worauf müssen die beiden Sechser bei eigenem und gegnerischem Ballbesitz achten? Und wo liegen die Unterschiede zu einem und drei Sechsern? Eine Analyse.
Ob in einem 4-4-2-System, im 4-2-3-1 oder im 4-3-3 - der Großteil der Profi-Mannschaften setzt mittlerweile auf die sogenannte Doppelsechs, sprich zwei defensive Mittelfeldspieler.
Einer der beiden Akteure ist halblinks postiert, der andere halbrechts. In der Grundanordnung stehen die beiden Sechser nur wenige Meter nebeneinander und in etwa gleichem Abstand zentral vor der eigenen Innenverteidigung. (siehe Bild 1)
Die Rollenverteilung
Eine Doppelsechs, in der die Aufgaben gleich aufgeteilt werden, gibt es kaum mehr. Stattdessen übernimmt einer von beiden Sechsern den offensiveren Part, der andere sichert in der Defensive ab. (siehe Bild 2)
Darauf, dass die beiden Akteure während einer Partie ständig tauschen - mal ist der eine offensiver, mal der andere - wird aus Gründen der defensiven Organisation verzichtet, um sich nicht unnötig hohem Risiko auszusetzen, das durch das dauernde Übergeben der Aufgaben entstehen würde.
Die Rollenaufteilung wird erst dann aufgebrochen, wenn aufgrund eines Spielverlaufs eine neue Ausrichtung erforderlich ist.
Heißt zum Beispiel in der Praxis: Liegt eine Mannschaft in der zweiten Halbzeit in Führung und will diesen Vorsprung in erster Linie verteidigen, schraubt der offensivere Part der Doppelsechs seinen Vorwärtsdrang erheblich zurück. Nur in diesem Fall agieren beide Sechser offensiv wie defensiv gleichberechtigt.
Unterschiede - ein Sechser, drei Sechser
Ballbesitz des Gegners
Bei gegnerischem Ballbesitz ist die Doppelsechs die Kommandozentrale der Defensive. Hier wird die Raumaufteilung der ganzen Mannschaft gesteuert und entschieden, wie im Spiel gegen den Ball agiert wird. Ganz wichtig für die beiden Sechser: Die Abstände zueinander müssen immer in etwa gleich gehalten werden und so ausgerichtet sein, dass, falls ein Sechser überspielt wird, in Ballnähe immer unmittelbare Hilfe durch einen Mitspieler erfolgen kann.
Neben der Ausrichtung am Nebenmann ist die Orientierung am Ball von zentraler Bedeutung für die Defensivarbeit der Doppelsechs. Einen konkreten Gegenspieler hingegen gibt es nicht mehr für die Sechs - die Folge der Weiterentwicklung von Mann- auf Raumdeckung.
Befindet sich die gegnerische Mannschaft im Spielaufbau, ist viel Laufarbeit für die defensiven Mittelfeldspieler angesagt. In der Regel sind beide dauernd in Bewegung und verschieben horizontal, solange der Gegner ohne Druck nach vorne spielt. (siehe Bild 1 bis 4)
Die/der zentrale(n) Mittelfeldspieler des Gegners wird dabei zwischen den beiden Sechsern ständig übergeben. Heißt: Sobald er sich beim seitlichen, ballseitigen Verschieben der Doppelsechs im Rücken des ballnahen Sechsers befindet, übernimmt ihn der zweite.
Hat der Gegner die eigene Offensivabteilung (Stürmer, zentraler Mittelfeldspieler) überspielt, ändert sich für die Doppelsechs die Aufgabenstellung. Es wird nicht mehr auf einer Linie horizontal verschoben, sondern auf den ballführenden Spieler Druck ausgeübt.
Szenario eins: Der Ball wandert auf die Außenbahn. Folglich rückt der ballnahe Sechser zur Verstärkung des eigenen Flügelspielers nach außen und erzeugt dadurch bestenfalls Überzahl. Der zweite Sechser schiebt einige Meter hinterher, hält dabei aber das Zentrum. Denn grundsätzlich gilt: Der Raum zentral vor dem eigenen Tor darf bei gegnerischem Ballbesitz nie unbesetzt sein, weil von dort immer Gefahr drohen kann. (siehe Bild 5 bis 7)
Szenario zwei: Der Ball wird von einem Abwehrspieler Richtung Zentrum gepasst. Die Folge: Der ballnahe Sechser gibt seinen Platz im Zentrum auf, geht mit Tempo auf den angespielten Gegenspieler, stellt ihn im Idealfall noch bevor er sich zum Tor drehen kann und damit das Spielfeld vor sich hätte. So bleibt häufig nur der Rückpass oder eine riskante Aktion, die für den Sechser die Chance auf schnellen Ballgewinn weit weg vom eigenen Tor erhöht. (siehe Bild 8 bis 11)
Szenario drei: Ein gegnerischer Spieler hat den Ball im Mittelfeld mit Blick zum Tor. Die Doppelsechs steht in diesem Fall etwas enger. Der zum ballführenden Spieler nähere Sechser übt Druck aus, allerdings mit weitaus weniger Tempo, um nicht durch eine geschickte Bewegung überspielt zu werden und den Kontakt zu seinem Nebenmann nicht zu verlieren. In erster Linie geht es darum, den Gegenspieler zu stellen, ihn also mit dem Ball am Fuß nicht weiter in die eigene Hälfte vordringen zu lassen, die Passwege in die Tiefe zuzustellen und ihn im Idealfall zum Quer- oder Rückpass zu zwingen. (siehe Bild 12 und 13)
Szenario vier: Der Gegner ist mit dem Ball 20 bis 30 Meter zentral vor dem Tor. Nirgends ist gegnerischer Ballbesitz für das eigene Gehäuse gefährlicher als in diesem Bereich, weil dem Gegner mit einem Pass auf die Außen, in die Tiefe oder dem direkten Torabschluss viele Möglichkeiten geboten werden.
Um das zu verhindern, verringern die beiden Sechser die Abstände zueinander und gehen auf Jagd nach dem Ball. Sprich: aggressives Pressing mit schnellen, kurzen Bewegungen, möglichst, ohne ein Foulspiel zu begehen. Wichtig ist in diesem Bereich, dass vorwärts verteidigt wird. Bedeutet: Löst sich ein zentraler Mittelfeldspieler des Gegners nach Ballbesitz und geht in die Spitze, übergibt der Sechser ihn an die eigene Viererkette, um sich nicht noch weiter in die Tiefe drücken zu lassen und eine entscheidende Lücke zentral vor dem Tor zu vermeiden. (siehe Bild 14 bis 19)
Unterschiede - ein Sechser, drei Sechser
Eigener Ballbesitz
Der Sechser ist mittlerweile für das Defensiv- wie für das Offensivverhalten seiner Mannschaft maßgeblich. Während es im Spiel ohne Ball vor allem darum geht, die Raumaufteilung zu organisieren, den Gegner nicht zu tief in die eigene Hälfte kommen zu lassen und den Ball schnellstmöglich zu erobern, ist der Sechser bei eigenem Ballbesitz für Spielaufbau, Rhythmus und Ballkontrolle verantwortlich. Bei einer Doppelsechs sind die Aufgaben hierfür klar verteilt.
Szenario eins: Wird der Ball im Mittelfeld erobert oder ein gegnerischer Angriff abgefangen, bietet sich der defensivere Part der Doppelsechs meist für den kurzen, einfachen Ball in den Fuß an, während der offensivere Sechser schon weiter nach vorne rückt und dadurch Bewegung ins Spiel bringt.
Je nach Spielertyp, Zahl der Zentrumsstürmer (einer im 4-3-3 und 4-2-3-1, zwei im 4-4-2) und Interpretation der Aufgabe, rückt der offensive Part in den Angriff mit auf. Ein Extrembeispiel hierfür ist Sami Khedira, der beim VfB Stuttgart wie auch in der Nationalmannschaft häufig an der Seite der/des Zentrumsstürmer(s) im Strafraum auftaucht. (siehe Bild 1 bis 7)
Der zweite Sechser hält zwar in der Regel das Zentrum, schiebt bei konstantem Druck und der Aussicht auf einen Torabschluss allerdings auch tiefer in die gegnerische Hälfte und lässt den Raum zwischen defensivem Mittelfeld und Innenverteidigung bisweilen so groß werden wie in keiner anderen Spielsituation.
Szenario zwei: Der Spielaufbau aus der eigenen Hälfte. Wird der Ball von der eigenen Abwehr ins Spiel gebracht, vergrößern die Sechser den Abstand zwischen sich, bieten sich im Mittelfeld für den Ball in den Fuß an und sind damit in der Regel die erste Anspielstation. Bisweilen lässt sich auch einer der beiden Sechser zurückfallen und holt den Ball bei einem der Abwehrspieler ab, um den Spielaufbau so früh wie möglich zu übernehmen.
Betreibt der Gegner aggressives Pressing, agieren beide Sechser in der Regel als Wandspieler. Heißt: Mit einem kurzen Antritt gehen die Sechser dem eigenen Abwehrspieler entgegen und lassen den Ball mit nur einem Kontakt wieder prallen.
Der Gegner wird dadurch beschäftigt, in Bewegung gehalten und hat so vor allem Probleme, seinen Raum zwischen Abwehr und Mittelfeld zu schließen. In diese Lücke stößt dann häufig der offensive Sechser, der nun Tempo gehen und dadurch von der gegnerischen Abwehr nur schwer aufgenommen werden kann. (siehe Bild 8 bis 15)
Unterschiede - ein Sechser, drei Sechser
Ein Sechser - Unterschiede zur Doppelsechs
Der alleinige defensive Mittelfeldspieler steht in der Regel näher an der Abwehr. Der Grund: Da kein zweiter Sechser als Hilfe zur Verfügung steht, gerade der Bereich zentral vor dem eigenen Tor aber kontrolliert werden muss, wird der Raum zwischen Sechser und Innenverteidigung möglichst klein gehalten. (siehe Bild 1 und 2)
Zudem hält der Einzel-Sechser - weil alleine - fast immer das Zentrum. Seitlich verschoben wird in der Regel meist nur um wenige Meter, da durch die Halbfeldspieler zusätzliche Unterstützung für die Außenbahnen vorhanden ist.
Folglich übt der Sechser im Spielaufbau des Gegners auch nur selten direkten Druck auf den ballführenden Spieler aus, sondern überlässt diese den Akteuren auf den Halbpositionen, die er absichert und bei Aussicht auf Ballgewinn unterstützt.
Bei eigenem Ballbesitz ist der Einzel-Sechser weitaus weniger aktiv als die beiden Akteure im System mit zwei Sechsern. Auf offensive Vorstöße verzichtet er in der Regel, im Spielaufbau wird er zwar gelegentlich als Anspielstation genutzt, viel häufiger allerdings übersprungen. Meist treiben die Abwehrspieler den Ball selbst ins Mittelfeld oder suchen den Pass auf einen offensiven Mittelfeldspieler.
Drei Sechser - die Unterschiede
Bei drei Sechsern denken drei Mittelfeldspieler eher defensiv. Die Abstände innerhalb dieser Dreierkette sind noch geringer als bei der Doppelsechs, durchs Zentrum zum Erfolg zu kommen wird für den Gegner so noch schwieriger.
Selbst die Außenbahn kann durch drei Sechser gut kontrolliert werden, weil - wenn nötig - zwei Akteure nach außen rücken und der dritte das Zentrum hält. (siehe Bild 3 bis 7)
Im Vergleich zur Doppelsechs ist diese Variante mehr auf Risikovermeidung und Sicherung der eigenen Abwehr ausgelegt, im Spiel nach vorne allerdings auf mehr Freiheiten für die eigene Offensivabteilung, weil durch die drei Sechser bei Ballverlust auf alle Räume im Mittelfeld schneller zugegriffen werden kann.
In der Regel rückt bei eigenem Ballbesitz keiner der drei Sechser auf die Flügel, wodurch die Tür für nachrückende und deshalb möglichst offensivstarke Außenverteidiger offen gelassen oder Platz für Eins-gegen-eins-Situationen für die eigenen Flügelspieler geschaffen wird.
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