BVB - Ex-Dortmunder Wladimir But: Genie im falschen Genre

Oliver Maywurm
22. Februar 202311:18
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Wladimir But war ein Genie am Ball, das am 28. Mai 1997, also vor rund 26 Jahren, mit Borussia Dortmund im Finale gegen Juventus Turin (3:1) die Champions League gewann. Allerdings nahm es der heute 45-Jährige mit der Disziplin nicht immer so genau. Das Fußball-Business bestrafte ihn dafür, später vertrieb er Bücher.

Dieser Artikel wurde im Mai 2020 veröffentlicht.

Wenn man Wladimir But heute fragen würde, ob er die ganz große Bühne des Fußballs gesehen hat, könnte er ruhigen Gewissens mit Ja antworten. Als Teenager war er - wenngleich kaum eingesetzt - Teil der Mannschaft des BVB, die 1997 die Champions League gewann.

Knapp ein Jahr später, mit 20, stand er in beiden Halbfinalspielen gegen Real Madrid die vollen 90 Minuten auf dem Platz, insgesamt absolvierte der begnadete Linksfuß weit über 100 Bundesligaspiele. Und dennoch: Heute kennen seinen Namen nur noch wenige. BVB-Fans vielleicht. Oder Fußball-Nostalgiker. Das war es dann aber wohl auch schon.

"Natürlich habe ich manchmal geschlampert", meinte But einst vielsagend. Er hatte riesiges Potenzial, konnte mit seinem linken Fuß Dinge anstellen, Pässe spielen, Freistöße schießen, wie es die meisten nicht einmal im Traum von sich erwarten wollten. Gemessen daran erreichte der Russe auf dem grünen Rasen viel zu wenig.

1977 kam But in Noworossijsk in der damaligen UdSSR zur Welt, heute liegt die 240.000-Einwohnerstadt tief im Südwesten Russlands, direkt am Schwarzen Meer. Buts fußballerische Begabung fiel früh auf, er kam zu Chernomorets Noworossijsk, dem größten Klub der Stadt, wo auch sein älterer Bruder Vitali spielte.

Schon mit 16 debütierte er für die Profis des russischen Zweitligisten, ein halbes Jahr später ging er zum BVB.

Weit entfernt von der Heimat, vom vertrauten Umfeld, von den geliebten Eltern. Wahrscheinlich nicht das Beste für einen ohnehin komplizierten Charakter wie But. "Es ist nie gut für die persönliche Entwicklung, in so jungen Jahren aus dem gewohnten Umfeld herausgerissen zu werden", sagte Volker Finke mal, der But später beim SC Freiburg trainieren sollte. "Und die vielen Schulterklopfer, die dir die ganze Zeit sagen, wie toll du bist, tun ihr Übriges."

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BVB: But im Windschatten von Ricken und Tanko

Im Dortmunder Nachwuchs schlug sich But trotz der riesigen Entfernung nach Hause allerdings gut, wurde etwa Anfang 1996 beim traditionell hochkarätig besetzten Mercedes-Benz-Junior-Cup, einem Hallenturnier in Sindelfingen, zum besten Spieler gekürt. Später wurde unter anderem Simon Rolfes, Joshua Kimmich oder zuletzt Herthas Arne Maier diese Ehre zuteil.

But, den mit 17 unter anderem der AC Florenz und Ajax Amsterdam holen wollten, wurde behutsam an die erste Mannschaft, die 1995 und 1996 den Meistertitel holte, herangeführt. Im Windschatten der damaligen Mega-Talente Lars Ricken und Ibrahim Tanko genoss er zunächst nicht die ganz große Aufmerksamkeit.

Zu Beginn der Saison 1996/97, kurz vor seinem 19. Geburtstag, feierte er sein Bundesliga-Debüt. Ottmar Hitzfeld, seinerzeit Erfolgscoach der Schwarz-Gelben, wusste um die technisch herausragenden Qualitäten Buts, nannte ihn einen "Rohdiamanten", legte aber auch sehr viel Wert auf Disziplin.

Daher hatte es der junge But unter Hitzfeld erstmal schwer, kam in der erfolgreichen Champions-League-Saison etwa nur auf zwei Einsatzminuten in der Gruppenphase. Stammspieler wurde er dann unter Nevio Scala in der Spielzeit 1997/98. Der Italiener hielt enorm viel von But, förderte ihn. "Du bist das größte Talent, mit dem ich jemals gearbeitet habe", soll Scala, der in Parma zuvor immerhin Spieler wie Fabio Cannavaro oder Hristo Stoichkov trainiert hatte, ihm gesagt haben.

Doch der Erfolg beim zuvor so verwöhnten BVB blieb aus, Scala war im Sommer 1998 nach Platz zehn schon wieder Geschichte. Unter Michael Skibbe verlor But seinen Stammplatz wieder, verkam immer mehr zum Quertreiber. Statt mit genialen Aktionen auf dem Platz machte der zweifache russische A-Nationalspieler als Lebemann in den Boulevard-Gazzetten auf sich aufmerksam.

Als zur Saison 2000/2001 dann der Disziplin-Fanatiker Matthias Sammer als Cheftrainer des BVB installiert wurde, war das für But der Anfang vom Ende. Nach wenigen Monaten wurde er suspendiert. "Wir planen nicht mehr mit ihm und haben einen sauberen Schlussstrich gezogen, da ihm die Identifikation mit dem Verein fehlt", sagte Sammer seinerzeit.

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Wladimir But: Ein gutes Jahr bei Freiburg

Langfristig gesehen war das vermutlich der entscheidende Knick in Buts Karriere, der mit 23 ja immer noch ein junger Spieler war. Der SC Freiburg schlug zu, holte But im Herbst 2000 in den Breisgau. Volker Finke sollte das stagnierende Juwel wieder auf Vordermann bringen - und zunächst gelang das auch ganz gut.

In seinem vierten Einsatz für Freiburg streichelte But gegen Bayern und Torwart-Titan Oliver Kahn einen Freistoß zum 1:1-Endstand in den Winkel, sein erstes Jahr beim SC verlief prächtig. Doch auch im beschaulichen Freiburg währte das Glück nicht lange.

Nach einer ordentlichen zweiten Saison sanken Buts Leistungen in den Keller, in der Spielzeit 2003/04 war er komplett außen vor. Sein Vertrag wurde nicht verlängert, But brach vorzeitig alle Zelte ab, schlug Angebote von Zweitligisten aus, weil sie ihm nicht gut genug waren.

Stattdessen probierte er, sich bei einem unterklassigen Klub fitzuhalten, kam dann bei Hannover 96 unter. Doch für die Niedersachsen machte But, der sich schon damals, mit Mitte 20, in der Heimat Noworossijsk ein Hotel aufgebaut hatte, in eineinhalb Jahren ganze vier Spiele. 2005 war das Kapitel Bundesliga für But endgültig beendet.

Die deutsche Beletage, die zu erobern er elf Jahre zuvor ausgezogen war, bekam nur in ganz kurzen Sequenzen mal das zu sehen, was But ihr hätte geben können. Bei seinem Freistoßtor gegen Kahn etwa. Oder bei seinem Doppelpack bei Freiburgs 5:2-Sieg gegen Kaiserslautern im April 2001. "Wenn man Fußball spielen kann, meint man, man muss nicht so viel machen", versuchte er einmal, seine lasche Einstellung zu erklären.

Wladimir But im Steckbrief

geboren07. September 1977 in Noworossijsk
Größe1,84 m
Positionoffensives Mittelfeld
starker Fußlinks
StationenChernomorets, Borussia Dortmund, SC Freiburg, Hannover 96, Shinnik Yaroslavl, Chernomorets, APO Levadiakos, OFI Kreta
Bundesligaspiele/-tore132/15
Länderspiele/-tore2/0

Wladimir But: Bücher statt Fußball

Vielleicht war der Hochleistungssport für den Feingeist But einfach nicht das richtige Genre. Nach seinem Abgang aus Hannover kehrte er nach Russland zurück, hatte 2008 noch einmal ein ordentliches Jahr bei seinem Heimatklub Noworossijsk in der zweiten Liga. Nach Blitz-Intermezzi bei zwei griechischen Vereinen war Anfang 2010 dann endgültig Schluss mit Fußball. Mit 32 hatte But genug.

Schon als seine Fußballer-Laufbahn in der Sackgasse war, hatte er begonnen, sich mit Literatur zu beschäftigen. Besonders mit Büchern des Schriftstellers Juri Polyakow, dessen Romane unter anderem Gesellschaft und Machtverhältnisse in Russland thematisieren.

Als er 2005 in die Heimat zurückkehrte, hatte sich Russland im Vergleich zu dem Land, das er 1994 verlassen hatte, "komplett verändert", sagte But mal. Dieses veränderte Bild wollte er international transportieren, gründete 2008 in Hannover seinen eigenen Buchverlag und vertrieb unter anderem Polyakows Werke.

Später, nach dem endgültigen Ende seiner aktiven Karriere, zog But mit seiner Familie in die Schweiz. Er hat die große Fußballwelt gesehen, sie aber nie wirklich verinnerlicht. Was ihm bleiben sind Erinnerungen - die im Bewusstsein des geneigten Fußball-Fans aber längst verblasst sind.