Wenn Wladimir Putin und Joseph S. Blatter am Samstag mit großen Reden den Auftakt der WM 2018 einläuten, sitzt Joachim Löw höchstens vor dem Fernseher. Gegen wen Weltmeister Deutschland auf dem Weg nach Russland spielt, ist trotz der möglichen "Hammergruppe" erst einmal nur Nebensache - für den Gastgeber kommt die große Show im prunkvollen Konstantinpalast in St. Petersburg dennoch zum richtigen Zeitpunkt.
"Die WM ist noch weit weg", sagte Löw vor der Auslosung der Qualifikationsgruppen (17.00 Uhr im LIVE-TICKER), bei der nicht der Bundestrainer selbst sondern Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock auf Partien gegen die Ex-Weltmeister Italien oder Frankreich warten: "Das wären doch interessante Spiele. Wir sind immer gut damit gefahren, nicht zu lamentieren, letztlich werden sich immer die besten Teams durchsetzen."
Diskutiert werden derzeit aber vor allem andere Dinge. "Russlands Traum startet hier", heißt das Motto am Samstagabend. Die Ermittlungen im Weltverband FIFA, die Ukraine-Krise sowie die neusten Rassismus- und Homophobie-Vorfälle erinnerten zuletzt jedoch mehr an einen Albtraum.
Dazu kommt der mit Spannung erwartete erste Auslandsauftritt von FIFA-Präsident Blatter, der bei Russlands Machthaber Putin zu Gast bei Freunden ist. Beide halten die Eröffnungsansprachen.
Seit den Verhaftungen von hochrangigen FIFA-Funktionären am 27. Mai in Zürich hatte der 79-Jährige die Schweiz mit Verweis auf wichtigere Aufgaben im Zuge des Korruptionsskandals nicht mehr verlassen. Angeblich auch, um möglichen Strafverfolgern aus den USA aus dem Weg zu gehen.
Russland will Gastfreundschaft anbieten
Am vergangenen Montag wurde er vom britischen Komiker Simon Brodkin ausgerechnet im "Home of FIFA" mit Dollar-Blüten beworfen. Ähnliche Vorfälle werden die russischen Sicherheitskräfte am Samstag wohl zu verhindern wissen.
Aufräumen wollen die WM-Macher zudem mit vermeintlichen Vorurteilen. "Es erschließt sich mir nicht, warum die Krise in der Ukraine oder die in irgendeinem anderen Land, sich negativ auf die Austragung der Weltmeisterschaft auswirken könnte", sagte Alexej Sorokin, Chef des russischen WM-Organisationskomitees:
"Wir sehen im Grunde keinen Zusammenhang mit politischen Konflikten. Wir wissen, dass eine WM für wahre Fußballfans gemacht ist, für Menschen, die Fußball lieben. Alles was wir tun können, ist ihnen unsere Gastfreundschaft anzubieten."
Eine der "Losfeen" (zusammen mit Bierhoff) im Konstantinpalast ist der Brasilianer Hulk von Zenit St. Petersburg, der erst am Montag die Affenrufe im Moskauer WM-Stadion in Richtung des Ghanaers Emmanuel Frimpong deutlich verurteilt hatte.
"Es ist eine Schande. So etwas geschieht in der russischen Liga beinahe in jedem Spiel", sagte der Stürmerstar: "Wenn das in drei Jahren ebenfalls passiert, wäre es hässlich und widerlich."
Organisation läuft
Ebenso abstoßend waren die Anfeindungen gegen zwei junge Männer, die in einem von der BBC veröffentlichten Video Hand in Hand durch Moskau spaziert und dabei wüst beschimpft worden waren. Es mögen Einzelfälle sein - aber sie belasten die WM-Vorbereitung enorm.
"Wir können keine individuellen Aussetzer einzelner Personen in der russischen Premier Liga auf die WM transferieren", sagte Sorokin: "Bei einer WM sind Öffentlichkeit und Atmosphäre verschieden - man kann es nicht darauf reflektieren."
Rein organisatorisch läuft vieles rund. Die Arbeiten in den elf WM-Städten und zwölf Stadien gehen zumeist gut voran. Laut offiziellen Angaben trotz der Etat-Kürzungen um knapp 500 Millionen Euro liegen alle Austragungsorte mindestens im Zeitplan. Das werden wahrscheinlich auch Blatter und Putin sagen, wenn 100 Millionen Menschen in 170 Ländern bei der Auslosung mitfiebern.