Janine Berger wusste sofort, was ihr da gelungen war. Ein paar Tränen der Aufregung standen in den Augen, als sich die 16-Jährige nach zwei prächtigen Sprüngen Richtung Publikum verneigte.
GettyKeine Viertelstunde später aber flossen die Tränen aus Enttäuschung: Um 0,034 Punkte hatte die jüngste Teilnehmerin der deutschen Olympia-Mannschaft die Sensations-Medaille verpasst. Hinter Berger (15,016) reihte sich die 37 Jahre alte "Turn-Oma" Oksana Chusovitina (14,783) im ersten Gerätefinale der Turnerinnen am Sprung auf Rang fünf ein.
Berger verstand die Welt nicht mehr, als die 16.500 Zuschauer in der North Greenwich Arena Sandra Izbasa als Siegerin feierten und ihr nur "Blech" blieb. Es ging nicht um die Wertung für die rumänische Olympiasiegerin, sondern um die der ebenfalls 16 Jahre alten Maria Paseka (15,050 Punkte).
Die Russin hatte Berger Bronze weggeschnappt, weil ein seitlicher Ausfallschritt mit Verlassen der Matte nicht wie üblich mit einem halben Punkt Abzug bestraft worden war. "Wir verstehen die Wertung nicht", sagte Bundestrainerin Ulla Koch, Berger war vollkommen aufgelöst und fühlte sich "mies behandelt".
Auch die Note für die hohe Favoritin McKayla Maroney (USA) sorgte für Diskussionen. Die Weltmeisterin fiel beim zweiten Sprung nach der Landung auf den Hosenboden, gewann aber dennoch mit 15,083 Punkten die Silbermedaille.
Berger kann in Chusovitinas Fußstapfen treten
Im Vordergrund bleibt trotz der verpassten, leise erhoffte deutschen Medaille aber dennoch die gelungene Übergabe des Staffelstabs am besten Einzelgerät der deutschen Turnerinnen: "Es war ein tolles Ergebnis", sagte Koch, "aber eben mit einem Wermutstropfen.
Denn Berger hätte für ihre Unbekümmertheit und den Mut, mit dem zweitschwierigsten Programm aller Konkurrentinnen des Achter-Finals an den Start gegangen zu sein, durchaus Bronze verdient gehabt. Von Vorbild Chusovitina gab es tröstende Worte: "Sie muss einfach weiter kämpfen und beweisen, dass sie die Bessere ist."
Während Berger ihre Enttäuschung nur schwer stillen konnte, bedankte sich die über 20 Jahre ältere Kölnerin Chusovitina nach ihrem letzten Wettkampf für die allseitige Unterstützung und sagte: "Warum sollte ich traurig sein? Ich habe im Turnen alles erlebt, was man nur haben kann." Zwar hatte sie ihre 18. internationale Medaille deutlich verpasst, es blieben aber die Erinnerung an sechs Olympische Spiele und mehr als 20 Jahre in der Weltspitze.
Nguyen: "Habe es überlebt"
Beinahe also hätte es weitere unverhoffte Medaille für den Deutschen Turner-Bund nach dem Mehrkampf-Silber für Marcel Nguyen (München) gegeben. Der hatte sich auch unter die besten acht Boden-Turner gemischt, absolvierte aber eine wenig präzise Übung - Platz acht. "Ich habe es überlebt", sagte Nguyen verschmitzt.
Der Sieg ging am Boden gelang Titelverteidiger Zou Kai aus China, der nach Gold mit der Mannschaft bereits zum zweiten Mal in London ganz oben stand. Der Vize-Weltmeister erhielt für seine fehlerlose Kür 15,933 Punkte und verwies Mehrkampf-Olympiasieger Kohei Uchimura aus Japan (15,8 Punkte) und den Russen Denis Albjasin (15,8) auf den zweiten sowie dritten Rang.
Im abschließenden Pauschenpferd-Finale holte der zweimalige Weltmeister Krisztian Berki (16,066) aus Ungarn Gold. Der 27-Jährige setzte sich gegen die beiden Briten Louis Smith und Max Whitlock durch.