Olympia, Team USA: Drei Gründe für die Auftaktniederlage gegen Frankreich

Philipp Schmidt
26. Juli 202115:26
Kevin Durant verlor mit Team USA gegen Frankreich.getty
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Mit der ersten Niederlage seit 17 Jahren bei einem olympischen Turnier ist Team USA gegen Frankreich in die Sommerspiele gestartet. Während die Beteiligten im Anschluss keinen Anlass für Dramatik sahen, gibt es dennoch Probleme, die sich nicht so einfach aus der Welt schaffen lassen. Drei Gründe für die Auftaktpleite von Durant, Tatum und Co.

1. Kurzfristige Anreise, Ausfälle, nicht eingespielt

Die Voraussetzungen für den Olympia-Start hätten aus Sicht der US-Amerikaner nicht komplizierter sein können. Mit Devin Booker, Khris Middleton und Jrue Holiday trafen die drei Finals-Teilnehmer mit einem Privatjet erst am Samstag 23 Uhr Ortszeit in Japan ein - keine 24 Stunden vor dem Tip-off gegen Frankreich.

Dementsprechend legten die Teamkollegen den Fokus weniger auf die sportliche Leistung des Trios (Holiday war zudem Topscorer) als vielmehr auf die Tatsache, dass sie die Strapazen nach einer prall gefüllten NBA-Season überhaupt auf sich genommen haben. "Ich habe großen Respekt davor, dass sie sich nicht nur zur Aufgabe bekannt, sondern auch tatsächlich ihr Wort gehalten haben. Sie sind wahrhaftige Profis, sie hätten es nicht gemacht, wenn es ihnen nichts bedeuten würde", sagte Draymond Green.

Booker hätte nach Ansicht von Green durchaus sagen können "Mann, wir haben verloren, ich bin angepisst, ich bin raus", bei den Bucks-Champions hätte die Devise lauten können "Wir sind gerade Meister geworden. Ich will feiern und bei meiner Familie sein", doch alle sind gekommen. "Sie sind müde, sie haben eine Achterbahnfahrt der Gefühle hinter sich", ergänzte Zach LaVine.

Durant erwischte gegen Frankreich einen gebrauchten Tag.getty

Team USA patzte bereits in den Testspielen zweimal

Während die genannten Spieler verspätet anreisten (dies galt auch für LaVine), standen Bradley Beal (Corona) und Kevin Love (Wadenzerrung) gar nicht erst zur Verfügung. Stattdessen rückten Keldon Johnson und JaVale McGee nach. Da sich außerdem Jerami Grant noch in Quarantäne befand, musste ein geplantes Testspiel gegen Australien sogar abgesagt werden. Nur sechs aktive Spieler standen Head Coach Gregg Popovich zur Verfügung.

Entsprechend hielten sich die gemeinsamen Trainingseinheiten im Vorbereitungscamp in Las Vegas arg in Grenzen, die Testspielniederlagen gegen Underdog Nigeria und Australien offenbarten, dass noch reichlich Sand im Getriebe ist. Coach Pop sah einen Warnschuss zur rechten Zeit, stellte aber auch klar. "Dinge lassen sich nicht erzwingen." Stattdessen sei organisches Wachstum notwendig. Das Finals-Trio bestritt vor dem Turnierauftakt keine einzige Trainingseinheit mit der Mannschaft.

Team USA besitzt auch in der aktuellen Besetzung mehr Talent als jedes andere Team bei Olympia - zweifellos. Doch die Begleitumstände gehen auch an einem Star-Ensemble und einem der besten Coaches aller Zeiten nicht spurlos vorbei, zumal der Sieg gegen die Franzosen trotz allem absolut realistisch war und es nicht gegen irgendein Team ging ...

2. Frankreich ist nicht irgendwer: "Ich verstehe das Wort 'überrascht' nicht"

"Ich verstehe das Wort 'überrascht' nicht." Popovich war nach der 76:83-Niederlage überhaupt nicht gut aufgelegt, als er danach gefragt wurde, wie sensationell der Sieg der Franzosen denn gewesen sei. "Wenn du ein Spiel verlierst, bist du nicht überrascht. Das beleidigt die Franzosen, als ob wir sie mit 30 Punkten schlagen müssten. Das ist eine überragende Mannschaft. Das ist ein bisschen Hybris, wenn man denkt, die Amerikaner müssen nur den Ball nehmen und gewinnen."

In der Tat gibt es in erster Linie zwei Faktoren (neben den angesprochenen Rahmenbedingungen), welche die Niederlage der US-Boys nach 25 Siegen bei Olympia zumindest etwas relativieren. Der Spielverlauf sprach lange für den Favoriten, der zur Pause mit 8 Punkten führte und sich auch von einem 11:25-Viertel danach erholte. Erneut wuchs die Führung auf 8 Zähler an, ehe Frankreich eindrucksvoll zurückschlug.

Einen ganz wichtigen Dreier traf der überragende Evan Fournier (28 Punkte) eine Minute vor der finalen Sirene zum 76:74, in der Folge hatten die USA gleich fünf Chancen, die Partie auszugleichen oder gar die Führung zu übernehmen. Frankreich brachte das Spiel im Anschluss an der Linie nach Hause.

Kevin Durant (10, 4/12 FG), Damian Lillard (11, 3/10 FG) oder Booker (4, 1/6 FG) blieben völlig blass, als Team landeten nur 31,3 Prozent der Dreier und ganz schwache 36,2 Prozent aus dem Feld im Korb, dennoch bestand gegen eines der besten Teams der Welt bis zum Schluss eine Siegchance. Eine Niederlage, die man sich sicherlich gerne erspart hätte, die in der ersten Partie der Spiele aber auch keinen Beinbruch darstellt - sollten gegen den Iran (Mittwoch, 6.40 Uhr) und Tschechien die erwarteten Siege folgen.

De Colo zeigte gegen die USA eine überragende Leistung.getty

Adebayo: "Können uns nicht auf Talent verlassen"

"Die Lücke in Sachen Talent schrumpft jedes Jahr, da es immer mehr großartige Spieler auf der ganzen Welt gibt", sagte Popovich über die internationale Konkurrenz, die es laut Big Man Bam Adebayo "satt" habe, "dass die USA gewinnen. Und wir können uns nicht immer auf Talent verlassen."

Gleiches gilt auch für weitere Medaillenkandidaten: Ob Australien mit Joe Ingles, Patty Mills, Matthew Dellawedova, Dante Exum oder Aron Baynes oder die Spanier mit den Gasol-Brüdern, Sergio Rodriguez, Sergio Llull und Co. - auf seine solche Konstanz im Kader kann Team USA nicht verweisen.

Das "höllisch gute Team" Frankreich habe laut Pop "NBA-Spieler und andere talentierte Spieler, sie sind schon lange zusammen." Diese Eingespieltheit sei ein großer Vorteil. Im Vergleich zum französischen Sieg im WM-Viertelfinale 2019 - die USA beendeten das Turnier auf einem blamablen siebten Platz - sind bei der französischen Auswahl noch sieben Spieler dabei, beim Starensemble nur zwei (Jayson Tatum und Middleton).

"Sie sind individuell besser, aber als Team kann man sie schlagen", sagte Fournier nach dem Sieg. Doch auch die Qualität ist beim "Dream Team light" endlos - zumindest auf bestimmten Positionen ...

3. Keine Antwort auf Gobert - wo ist der Floor General?

14 Punkte und 9 Rebounds klingen nicht nach Werten eines Matchwinners, aber neben De Colo war Rudy Gobert der Sieggarant für Les Bleus, für den die USA keine Antwort hatten. "Rudy Gobert ist ein All-Star, Evan Fournier ein richtig guter NBA-Spieler. Das sind alles Jungs, die in der NBA in den Rotationen sind", musste Lillard neidlos anerkennen.

Insbesondere Durant machte unliebsame Bekanntschaft mit dem dreifachen Defensive Player of the Year, der KD nach Switches mehrere Fouls anhängte. Nach gutem Start fand er so nie seinen Rhythmus, nach nicht einmal 21 Minuten foulte er aus. Bereits in den vergangenen Jahren deutete es sich an, doch dieses Mal stellt sich die Frage umso mehr: Wer soll dominante gegnerische Center stoppen?

Zwar haben nur äußerst wenige Teams einen Big Man wie Gobert im Aufgebot, der auf internationalem Parkett ohne die defensive Drei-Sekunden-Regel weniger angreifbar ist, aber die Probleme von 2019 sind die gleichen geblieben. Durant und Adebayo fehlt es an Länge oder Masse, McGee an Qualität. Alle Hoffnungen auf Green zu setzen, scheint sehr optimistisch. Als Frankreich-Coach Vincent Collet in der zweiten Hälfte auf ein ultra-großes Lineup aus Gobert und Vincent Poirier setzte, fehlte es den USA an Antworten.

USA: Wer folgt auf Paul, Williams, Kidd und Co.?

Popovich verteidigte seine Aufstellung und erklärte, mit Green und Adebayo Vorteile in puncto Geschwindigkeit und Bewegung zu haben, "das funktioniert am besten für die Kombination an Spielern, die wir haben". Doch eine weitere Position sorgt zumindest für Fragezeichen, die des Point Guards.

Abgesehen von Holiday, der ausgelaugt zum Team stieß und zudem mit der Aufgabe betraut ist, den besten Guard des Gegners zu stoppen (was gegen Frankreich nicht gelang), fehlt ein solcher Spielertyp komplett: Einer, der nicht vornehmlich seinen eigenen Wurf sucht. Einer, der das Tempo des Spiels kontrolliert, für Ordnung sucht und seine Teamkameraden in Szene setzt.

Man denke in der Vergangenheit an Deron Williams, Jason Kidd, Chris Paul und Kyle Lowry oder auch größere Lösungen mit LeBron James oder Andre Iguodala, die dies vorzüglich verstanden. Während Lowry die Einladung zum Training Camp ablehnte, wäre mit Trae Young ein Spieler verfügbar gewesen, auf den diese Stellenbeschreibung zutrifft. Auch eine Lösung mit dem designierten Top-Pick Cade Cunningham wäre charmant gewesen, man denke an 2012, als ein gerade gedrafteter Anthony Davis im Kader stand. Einen Jerami Grant hätte es stattdessen im Aufgebot nicht gebraucht.

Andererseits sind die Alternativen abgesehen von Young rar gesät. Im vorläufigen Kader standen natürlich Hochkaräter wie Stephen Curry, James Harden, Kyrie Irving und Co., doch es war davon auszugehen, dass diese nicht spielen werden. Danach wird es dünner, die anderen Optionen hießen Malcolm Brogdon, Mike Conley, Donovan Mitchell oder Derrick White - alles keine Premium-Lösungen wie noch in der Vergangenheit.

Wie dem auch sei: In den weiteren Gruppenspielen wird sich Team USA mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Patzer erlauben, erst in der K.o.-Runde werden wir erfahren, ob es nach 2019 die nächste Enttäuschung für den haushohen Favoriten gibt.