Eine Woche voller Wahnsinn!

Florian Regelmann
17. Juni 201319:11
Eine US Open in Philly... das musste ja verrückt werden!getty
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Justin Rose gewinnt die US Open im Merion Golf Club, aber der große Star ist der Platz. Das Par-10 über die SMS eines Champions, den Vater des Jahres und Superstars im Wohnzimmer. Dazu: Die Hose des Grauens.

10. Geduld, Geduld, Sch... Geduld! Martin Kaymer und Marcel Siem landeten am Ende der US Open bei +19 auf dem geteilten 59. Rang und ließen damit Kevin Phelan, Matt Weibring und Mike Weaver direkt hinter sich! Na super...

Es war trotz des geschafften Cuts eine enttäuschende Woche für die beiden Deutschen, beide haben allem Anschein nach auch kein gesteigertes Interesse daran, dem Merion-Fanclub beizutreten. Loch-Nummer-5-in-Merion-Hasser Kaymer machte früh in der Woche klar, dass ihm der Platz eben nicht liege. Aber mal ganz ehrlich: Welcher Platz liegt ihm denn im Moment bitte?

Kaymer kommt weiterhin einfach nicht in die Gänge, auch die Zusammenarbeit mit Trainer-Guru Pete Cowen und die neu erlernte Chip-Technik tragen noch keine Früchte. Sein Spiel ist nicht katastrophal schlecht, aber es ist auch bei weitem nicht gut genug, als dass er derzeit irgendwas mit der Weltspitze zu tun haben könnte. Es bleibt zu hoffen, dass wir ihn bald wieder ganz oben auf Major-Leaderboards sehen. Seine Geduld wird im Moment auf jeden Fall extrem getestet.

Siem hielt sich lange deutlich besser. Dass nach vorne nichts ging, lag am nicht kooperierenden Putter (nur 5 Birdies in der gesamten Woche). Siem ist eigentlich gut in Form, aber sein Spiel wird nie so richtig für eine US Open geeignet sein. Ein defensiver Siem? Wenn er jede Woche so Plätze wie Merion spielen müsste, würde Marcel "Ich hasse es, wenn ich über Par liege" Siem definitiv einen Nerven-Zusammenbruch erleiden.

9. Tiger & Rory & Adam? +13. +14. +15. 57 Bogeys, 4 Doppel-Bogeys, zwei Achter - es sind die nackten Zahlen für das, was die Nummern 1, 2 und 3 der Welt bei der US Open so angestellt haben. Siebenundfünfzig Bogeys! Un-fass-bar! Was mit Tiger abgeht, ist kaum mehr zu begreifen. +13? So schlecht war Woods in seiner Major-Karriere noch nie. Dabei war sein langes Spiel absolut okay, früher hätte er damit Majors mit 8 Schlägen Vorsprung gewonnen. Früher hat er aber bei Majors auch Putts gelocht.

Das Wahnsinnige: Woods puttet die gesamte Saison schon herausragend gut, aber sobald ein Major ansteht, fällt nichts mehr. Sage und schreibe 127 Putts benötigte Tiger an den vier US-Open-Tagen. Man kann definitiv den Eindruck gewinnen, dass er es zu sehr will. Dass er diesen Jack-Nicklaus-Rekord zu sehr brechen will. Jetzt steht er seit fünf Jahren bei 14 Titeln, es fehlen immer noch 4 auf Nicklaus - und der Glaube, dass er es wirklich noch packt, schwindet mit jedem Major, bei dem er schon am Flughafen ankommt, wenn der letzte Flight gerade mal auf die Runde gegangen ist.

Bis im Juli die Open Championship in Muirfield (wo Tiger 2002 absoff und eine 81 spielte) ansteht, wird er wahrscheinlich die Turniersiege 5 (AT&T National) und 6 (Greenbrier Classic) im Jahr 2013 eingefahren haben. Aber es wird niemanden interessieren.

Noch schlechter als Woods schlossen McIlroy und Scott ab. McIlroy posierte vor US-Open-Start noch als Rocky Balboa auf den Stufen des Philadelphia Museum of Art, aber das war ja dann auch schon deine beste Aktion der Woche, Rors... Er will einem weiter weismachen, dass nicht viel fehlt, bis es wieder läuft.

Das Problem: Es stimmt halt einfach nicht. Eigentlich fiel er nur durch seinen Meltdown in der Finalrunde auf, als er völlig frustriert sein Wedge verbog. Und Scott? War der dabei? Der Aussie kann seine Schrott-Woche aber locker verkraften. Rückflug ins Luxus-Domizil auf die Bahamas, sich sein Green Jacket anschauen, Strand - läuft.

8. US-Open-Wahnsinn: Was haben wir nicht alles gesehen? Robert Karlssons 86 war nicht ohne, Kyle Stanleys 85 (mit drei Birdies!) hatte auch was. Und Billy Horschels Octopus-Hose wird sich mit Sicherheit durchsetzen! Im Gegensatz zu den "Wicker Baskets", diese seltsamen geflochtenen Körbe, die als ganz besonderer Fahnenersatz von Merion dienen.

Setzte modisch Maßstäbe: Billy Horschelgetty

Der heimliche Held hieß Shawn Stefani. Spielt der Typ an Tag 3 eine 85, nur um an Tag 4 eine 69 zu spielen - mit einem Ass an der 17! Dem ersten Ass in der US-Open-Geschichte von Merion - und dann noch am Monster-Par-3.

Getoppt wurde aber alles von Sergio Garcia. Der Spanier hat die US Open nämlich eigentlich gewonnen. Einfache Rechnung: Garcia spielte an der 14 eine 6 und eine 7, an der 15 eine 8 und eine 10 (nach drei Abschlägen in Folge ins Aus), so verlor er 15 Schläge. Garcia beendete das Turnier bei +15. Wir ziehen die 15 Schläge ab, Even Par, reicht. Champion!

7. Alptraum für Stricker & Donald: Steve Stricker tauchte aus dem Halb-Ruhestand bei der US Open auf und hätte der älteste Champion der Geschichte werden können. Wenn er nicht am Finaltag an der 2 die beiden schlechtesten Schläge seines gesamten Lebens fabriziert hätte.

Abschlag rechts ins Aus - und dann noch ein vogelwilder Shank (sein 4. Schlag), wieder rechts ins Aus! Die Folge war eine hässliche 8 und das frühe Ende aller Hoffnungen. Die Open Championship wird Stricker übrigens verpassen, er hat den Anmeldeverschluss verschwitzt.

Noch schlimmer entwickelte sich der Tag für Donald. Da ist dieser verdammte erste Major-Sieg so nahe. Und was passiert? Du tötest mit deinem Abschlag an der 3 fast einen weiblichen Volunteer, das ist schon mal ungünstig fürs Nervenkostüm. Dann musst du an der 4 die Schuhe und Socken ausziehen, die Hose hochkrempeln, um ins Wasserhindernis vor dem Grün zu steigen - und spielst das nächste Bogey. Und danach folgen noch ein Bogey und ein Doppel-Bogey. Wie soll man das seelisch verkraften?

6. "LaRuuuuuuuueeeee!!!" Auch wenn er sein Niveau nicht durchhalten konnte und "nur" Platz 17 belegte: Michael Kim war eine der großen Storys von Merion. Der 19-jährige Amateur, ein Hemd, das geschätzte 50 Kilo wiegen dürfte, spielte unfassbares Golf. Der aktuell beste College-Golfer der USA lag sogar zwischenzeitlich ganz weit oben auf dem Leaderboard. Michael Kim: Den Namen wird man sich merken müssen.

Umso besser wurde die Geschichte durch Kims Caddie. LaRue Temple arbeitet bereits seit 16 Jahren im Merion Golf Club. Ein typischer Tag geht so: Ab 7 Uhr Caddie machen, nachmittags nach Philly reinfahren, um bis 2 Uhr nachts Barkeeper zu machen. Und am Wochenende ist er ab und zu DJ. In der US-Open-Woche wollte Temple jetzt eigentlich mal frei machen und Golf schauen. Bis er auf dem Parkplatz einen gewissen Michael Kim traf, der noch einen Caddie suchte... Schwupps war das Traum-Duo gefunden. Es folgte eine Traum-Woche, in der zwischenzeitlich der Caddie zum Star und von den Fans abgefeiert wurde. "LaRuuuuuuuuuuuuueeeee!!!

Seite 2: Superstars im Wohnzimmer, der Vater des Jahres und Super-Rosey

5. Superstars im Wohnzimmer! Wenn Thomas Gravina in der letzten Woche zur Haustür reinkam, war die Chance groß, dass Tiger Woods, Phil Mickelson oder andere Superstars bei ihm herumlungerten. Warum? Weil Gravinas Wohnzimmer, Esszimmer und Küche in dieser Woche zum US Open Player Hospitality Center umfunktioniert wurden. "Hey Tiger, nimm mal die Füße vom Tisch!"

Und damit noch nicht genug: Im Garten hinter seinem Haus stand ein Zelt, das als Umkleide für die Spieler diente. Was soll man auch machen, wenn in die eigentliche Kabine nur drei Leute reinpassen?!

In der Einfahrt vom Nachbarn wurden Interviews geführt, Fans wurden aus 30 Kilometer Entfernung mit Bussen hergefahren, weil es so wenige Parkplätze gab. Und der große Interview-Raum im Pressezentrum war immer leer, weil man ohne GoogleMaps nicht hinfindet. Zuschauer am 16. Grün gab es auch keine - kein Platz, alles zu eng. Es war das Problem, aber auch das Sensationelle am Merion Golf Club. Er ist so groß wie eine Schuhschachtel.

4. Der Gewinner heißt Merion! Was wurde vor der US Open nicht alles so prognostiziert? Kurzer Platz, softe Bedingungen - die Spieler werden den Kurs zerlegen und am Ende gewinnt 15 unter Par. Von wegen!

Interessant: Dass wir das alles erleben durften, ist im Grunde den Frauen zu verdanken. Ein Blick in die Geschichte des Klubs verrät, dass er überhaupt erst entstanden ist, weil ein Mitglied die Sehnsucht nach einem Platz hatte, wo seine Tochter Elsie das Spiel erlernen konnte. Das war im Jahr 1884.

Merion entwickelte sich über die Jahre zu einem der berühmtesten Plätze des Landes, unter anderem war der Club 1950 Gastgeber für die US Open, die Ben Hogan auf heroische Weise gewann, nachdem er fast bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. 1971 besiegte Lee Trevino im Stechen Jack Nicklaus. Merion war Legende. Dennoch verschwand der Club im Lauf der Zeit komplett von der Bildfläche.

Es fanden keine USGA-Championships mehr in Merion statt, schon gar keine US Open. Mitte der 90er wendete sich eine Gruppe von Mitgliedern an die USGA und wollte wissen, was man denn tun müsse, um wieder Championships zu bekommen. Die USGA gab Merion noch mal eine Chance, 1998 durfte man die US Girls' Junior Championship ausrichten.

Hätte Merion diese Chance nicht genutzt und sich als großartiger Gastgeber für die Mädchen präsentiert, es hätte 2005 keine US Amateur Championship in Merion gegeben. Und 2013 keine US Open. Es wäre ein Jammer gewesen. Merion war in dieser Woche der größte Sieger, jeder Pro hat seine eigene Horrorgeschichte zu erzählen. Die Pros werden aufatmen, wenn sie in Eichenried ankommen und wieder 20 unter Par schießen können.

3. Vater des Jahres: Phil Mickelson! Die Story war zu schön, um wahr zu sein. Daddy Mickelson fliegt kurz vor der US Open nach Hause nach Kalifornien, um bei der Abschlussfeier seiner Tochter Amanda dabei zu sein. Er reist in der Nacht auf Donnerstag zurück nach Philadelphia, schläft so gut wie nicht, ist gerade rechtzeitig zu seiner Tee-Time am Morgen da und geht mit einer 67 sofort in Führung.

Die Leute lieben Phil ohnehin wie keinen Zweiten, jetzt hat er auch noch die Auszeichnung als Vater des Jahres in der Tasche. Spätestens, als ihm in seiner Runde dann auch noch ein Murmeltier, bestimmt ein Verwandter von Punxsutawney Phil aus "Und täglich grüßt das Murmeltier", über den Weg läuft, scheint die Sache klar. Phil läuft in Philly Phil über den Weg, es muss Phils Woche werden.

Und täglich grüßt das Murmeltier bei der US Open...getty

Unfassbare fünfmal war Mickelson bei der US Open schon Zweiter, diesmal muss es doch an seinem 43. Geburtstag klappen. Oder eben auch nicht... Was macht Phil? Er sorgt mit unglaublichen Schlägen (Eagle an der 10) für magische Phil-Momente, puttet sich dann aber um Kopf und Kragen, hat keinen Driver in der Tasche, obwohl er ihn gebraucht hätte (an der 3), schlägt in der Finalrunde als Meister der Wedges zwei grauenvolle Wedges zur Unzeit und wird wieder Zweiter. Zum sechsten Mal. Es ist zum verrückt werden. Er könnte der einzige Spieler im Feld sein, er würde die US Open trotzdem nicht gewinnen.

2. Der nächste Major-Sieger? Es ist unmöglich vorauszusagen, wer im Juli die Open Champioship gewinnen wird. Klar ist höchstens, wer sie nicht gewinnen wird: Nämlich die Herren Woods, McIlroy, Westwood, Donald und Garcia...

Aber zu einer Prognose lässt sich das Par-10 dann doch hinreißen. Jason Day wird in den nächsten beiden Jahren ein Major gewinnen. Der Australier fuhr bei der US Open sein viertes Top-3-Finish bei einem Major ein. Er klopft im Gegensatz zu anderen ständig an die Tür, Days Tag wird kommen. Garantiert.

1. Rosey - ein großartiger Champion: Als Justin Rose nach seinem Par an der 18 in den Himmel blickte und sein kurzes ganz persönliches Vatertagsgespräch mit seinem verstorbenen Dad Ken führte, war es ein herzzerreißender Moment. Vor elf Jahren war Ken an Leukämie viel zu früh verstorben, jetzt hatte sein Sohn den größten Moment seines Lebens.

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Am Samstagabend hatte Rose seiner Mutter Annie eine SMS geschrieben: "Let's do it for Dad tomorrow." Gesagt, getan. Wie Rose die letzten brutalen Löcher spielte und seinen Sieg perfekt machte, war ganz großes Kino. Auch wenn jeder Mickelson den Sieg gegönnt hätte, mit Rose hat der Richtige gewonnen. Rose war in den letzten beiden Jahren wahrscheinlich der beste Spieler auf der Welt. Der Sieg war mehr als verdient und nur eine logische Folge. Nebenbei ist Rosey einer der nettesten Typen, die man auf der Tour treffen wird.

England hat dank ihm endlich seinen ersten Major-Sieger seit Nick Faldo 1996. 1998 war es, als Rose mit 17 bei der Open in Royal Birkdale Vierter wurde und die Golf-Welt elektrisierte. Aber als er dann seine Pro-Karriere startete, folgten erst mal 21 verpasste Cuts in Folge. 21! Jetzt ist Rose US-Open-Champion...

Der Stand in der Weltrangliste