Mit WrestleMania 28 erlebte Miami einen durchwachsenen Abend. The Rock und John Cena wussten zu überzeugen, doch das Ende wirkte unbefriedigend. Den Showstealer lieferten der Undertaker und Triple H in ihrem Hell-in-a-Cell-Match, die Demontage von Daniel Bryan war nicht minder brutal.
World-Heavyweight-Champion Daniel Bryan vs. Sheamus
18 Sekunden... in gerade mal 18 Sekunden hat Sheamus via Brogue Kick allen Ernstes Daniel Bryan entthront. Beendet man so einen dreieinhalb Monate dauernden, starken Titelrun, der gerade zuletzt immer mehr an Fahrt gewann? Natürlich nicht! Wieder mal wurde ein Heel-Champion abgesägt, um ein Babyface over zu bringen.
Glaubt man den Gerüchten, dann war der Plan der WWE-Writer, den Rekord von Kane gegen Chavo Guerrero (Acht Sekunden bei WrestleMania 24) zu knacken - und nicht mal das hat funktioniert! Stattdessen hat man auf einen Schlag die Stimmung in der Halle gekillt. Danke für gar nichts.
Dabei hätten die beiden Männer sich ein ansehnliches WRESTLING-Match liefern können. Es bleibt nun zu befürchten, dass Bryan nun den gleichen Weg gehen muss wie The Miz, Jack Swagger, Dolph Ziggler, Christian und wie sie nicht alle heißen - Niederlage im Re-Match und anschließend fällt er völlig grundlos erst mal raus aus dem Titelrennen.
Wieso auch immer. Offensichtlich werden sich nun die Probleme zwischen ihm und AJ, die Daniel mit ihrem Glücksküsschen quasi den Gürtel gekostet hat, noch intensivieren. Ob das einen der beiden auf lange Sicht weiter bringt? NO! NO! NO! NO! NO! Sieger und neuer World-Heavyweight-Champion: Sheamus.
Kane vs. Randy Orton
Bei diesem Match konnte man - anders als beim Opener - erwarten, dass es kurz gehalten würde. Ein wenig Hin und Her, ein paar starke Moves für Randy, damit er gut aussieht. Dazu ein angedeuteter Punt Kick, den Kane per Chokeslam konterte, damit Orton anschließend aus dem Cover kam.
Stark war das Finish, bei dem Kane einen Superplex-Ansatz mit einem Chokeslam from Hell vom zweiten Ringseil konterte und so tatsächlich den Sieg einfuhr. Gibt es mehr dazu zu sagen? Nicht wirklich, außer dass man sich fragen muss, wieso das anschließende Comedy-Segment mit Santino Marella, Mick Foley, einem Typen namens Captain Kirk (nein, nicht William Shatner) und einem Tisch voller Krustentiere scheinbar länger dauerte als die ersten beiden Matches zusammen. Sieger: Kane.
Intercontinental-Champion Cody Rhodes vs. The Big Show
Das Highlight des Matches vorweg: Cody verpasst Big Show das Beautiful Disaster, woraufhin der benommen in der Mitte des Rings steht und vor sich hin sabbert. Beim Versuch, ihn mit einem weiteren Springboard Kick an den Kopf auf die Matte zu schicken, wird Rhodes vom World's Largest Athlete per Spear in der Luft abgefangen.
Die anschließende WMD knipste dem Champ die Lichter aus, Big Show holte sich den Titel. Wieso man Rhodes' siebenmonatigen Titelrun opfert, um einem Veteran, der noch vor dreieinhalb Monaten kurzzeitig World-Champion war, den "kleinen" Titel zu geben, bleibt genauso unverständlich wie, was dieser Titel Big nun eigentlich bringen soll. Sei es drum, das Match war der zu erwartende bedeutungslose Filler, weiter im Programm. Sieger und neuer Intercontinental-Champion: The Big Show.
Beth Phoenix & Eve vs. Kelly Kelly & Maria Menounos
Einmal mehr hat die WWE bewiesen, dass man zumindest als Diva nicht unbedingt wrestlen können muss, um einen WrestleMania-Sieg einzufahren. Ein Fakt, der traurigerweise nicht nur auf TV-Persönlichkeit Maria Menounos, sondern auch auf ihre Partnerin zutrifft.
Dass dieses "Match" allen Ernstes länger als das World-Heavyweight-Titelmatch und gefühlt auch länger als Orton/Kane sowie Rhodes/Big Show dauerte, spricht für sich. Die Crowd war zu diesem Zeitpunkt endgültig totenstill, man hätte eine Stecknadel fallen hören können - natürlich mit Ausnahme der Szene, in der Kelly gewohnt kreischend ihre Headscissor zeigte.
Sehenswert war ihr Konter gegen Phoenix' Glam-Slam-Ansatz, ansonsten war Langeweile angesagt. Am Ende sellte Menounos glaubwürdig ihre Rippenverletzung, nur um Beth einmal mehr per Roll-Up zu übertölpeln. Siegerinnen: Maria Menounos & Kelly Kelly.
The Undertaker vs. Triple H (Hell in a Cell-Match, Special Referee Shawn Michaels)
Hier schien ein Bruch durch die Veranstaltung zu gehen: Gerade mal eine Stunde war vergangen, als Good Old Jim Ross das Sun Life Stadium in Miami betrat und sich zu Michael Cole und Jerry Lawler ans Kommentatorenpult gesellte. Die Zelle wurde herunter gelassen und man hatte den Eindruck, die Veranstaltung fange jetzt erst richtig an.
Der Match-Beginn war gemächlich, Taker hämmerte außerhalb des Rings Hunter immer wieder gegen Käfigwand und Ringtreppe. Nach dem unerwartet dominanten Start für den Deadman wendete sich das Blatt, in der Folge war Triple H klar am Drücker und prügelte seinen Gegner zunächst mit einem Stuhl, anschließend mit dem Vorschlaghammer zu Brei. Dabei kam es immer wieder zur Interaktion mit Referee Shawn Michaels, der sichtlich hin und her gerissen war und erwog, das Match zu beenden, durch den Undertaker aber davon abgehalten wurde.
Anschließend nahm das Chaos merklich zu: Michaels wurde auch physisch involviert, der Undertaker knockte gleich zwei Schiris aus, beide Männer kamen wiederholt aus den Finishern des jeweils anderen heraus und am Ende fertigte der Taker dann Triple H per Tombstone zum 20-0 ab. Dazu passend kochte die Halle stimmungstechnisch fast über.
Die Geste, die zum Finish führte, wirkte etwas langatmig und theatralisch, anschließend gab es versöhnliche Gesten zwischen allen drei Männern, die gemeinsam die Halle verließen. Keine Frage, diese Szene dürfte nach der intensiven, langen Fehde nicht jedem zugesagt haben; doch letztlich war sie ein würdiger Abschluss und schlicht und einfach ein Zeichen von Respekt, das sich die Beteiligten nach dem klar besten Match des Abends redlich verdient hatten. Sieger: The Undertaker.
Seite 2: Team Johnny, Punk und Rocky
Team Johnny vs. Team Teddy
Die tolle Stimmung aus dem Undertaker/Triple H-Match übertrug sich leider nicht auf den Rest der Show. Gehörigen Anteil daran hatte das Zwölf-Mann-Match um den GM-Posten, das wenig zu unterhalten wusste. Kaum gutes Wrestling, häufige Wechsel und natürlich der obligatorische "Jetzt darf jeder mal in den Ring und sein Signature-Move auspacken"-Spot.
Ansprechend wurde es dann immerhin noch, als Kofi Kingston, R-Truth und Zack Ryder synchron nebeneinander per Summersault aus dem Ring auf ihre Gegner hechteten. Im Ring brachte derweil Santino Marella die Cobra gegen The Miz durch und man dachte kurzzeitig, Team Teddy könnte tatsächlich den Sieg einfahren.
Doch dann kam, was kommen musste: Ryder wurde eingewechselt, zeigte einen German Suplex gegen Dolph Ziggler, den dieser sensationell sellte, sowie einen Ruff Ryder gegen Dolph, nachdem The Miz ihn über sich gehievt hatte. Zack war am Drücker, seine Begleitung Eve kam in den Ring - und lenkte ihn ab.
Das nutzte The Miz zum Skull Crashing Finale und somit auch zum Sieg für Team Johnny. Anschließend verpasste Eve ihrem Pseudo-Ex-Lover noch einen saftigen Tritt in die Kronjuwelen. Ganz ehrlich: das mit Abstand Beste an diesem Match war die Diva, die einmal mehr unter Beweis stellte, dass sie ein verdammt guter Heel ist. Sieger: Team Johnny.
WWE-Champion CM Punk vs. Chris Jericho
Neu-Super-GM John Laurinaitis legte anschließend backstage erst mal fest, dass sein alter Kumpel CM Punk den Titel auch via Disqualifikation verlieren kann. Leider. Denn zu Beginn des Matches wurde nicht gewrestlet, wie man es von zwei Könnern wie Punk und Jericho erwarten sollte. Stattdessen versuchte Chris, den WWE-Champ mit Beleidigungen gegen dessen Familie dazu zu bewegen, ihn unfair zu attackieren und somit disqualifiziert zu werden.
Damit die Zuschauer die Stipulation auch ja nicht vergaßen, erinnerte Lawler noch gefühlte 67 Mal daran. Das Match wurde im weiteren Verlauf merklich besser, die Stimmung in der Halle hingegen überraschenderweise kaum. Ein echtes Highlight war ein Suplex durch Y2J vom Apron aus dem Ring nach draußen, bei dem CM heftig auf der Matte landete. Y2J nahm Punk wiederholt in die Walls of Jericho, brachte den Codebreaker sowie den Lionsault durch, konnte den Sieg aber dennoch nicht einfahren.
Am Ende nahm das Match noch mal deutlich an Fahrt auf, bis Punk den auf dem Turnbuckle thronenden Jericho per Kick in die Nieren stoppte. Seinen anschließenden GTS-Versuch konterte Y2J mit den Walls, nur um per Roll-Up erneut ausgekontert zu werden. Schließlich setzte CM den Anaconda Vice an, doch Jericho befreite sich mit Kniestößen, nur um gleich wieder in dem Submission Hold zu landen. Das war's, er musste abklopfen. Sieger und weiterhin WWE-Champion: CM Punk.
John Cena vs. The Rock
Endlich war es soweit, der bis in die Unendlichkeit gehypte Main Event stand an. Die Enttäuschung vorweg: das Publikum saß auch hier größtenteils auf den Händen. Erschreckenderweise dauerte es bis tief in die zweite Hälfte des Matches, bevor mal ein ernsthafter "Rocky"-Chant losbrach.
Bis dahin gab es nur den üblichen "Let's go Cena" - "Cena sucks"-Schlagabtausch - und das in einem Match gegen den vielleicht populärsten Wrestler aller Zeiten. Auch hier war der Beginn wieder etwas schleppend, wohl auch, damit The Rock nach seiner langen Pause erst mal in Ruhe warm laufen konnte. Das tat er dann auch und das Match wurde ungemein spannend. Erneut wurden Finisher verteilt und Pins kurz vor dem Three-Count aufgebrochen. The Rock brachte seinen Rock Bottom und den People's Elbow durch, doch Cena wollte einfach nicht klein beigeben.
Schließlich kam der WWE-eigene Superman zurück und nahm Rocky wiederholt in den STF. Der verkaufte den Submission Hold beim zweiten Mal stark, es wirkte tatsächlich so, als würde er langsam das Bewusstsein verlieren. The Rock unterliegt nach dreimaligem Armheben durch K.O.? Denkste! In letzter Sekunde kam der Great One noch mal zurück. Spätestens jetzt war die Spannung sensationell.
Noch einmal gewann Cena die Oberhand und wollte seinem Gegner nach all den Verhöhnungen und all dem Spott der letzten Monate etwas davon heim zahlen, indem er ihm den People's Elbow verpasst. Geste kopiert, Elbow Pad geworfen, in die Seile gegangen - doch plötzlich stand der Hollywood-Star wieder auf den Beinen, verpasste John erneut den Rock Bottom: One, Two, THREE!!! Das war's. WrestleMania 28 endete mit einem feiernden Rock und John Cena, der völlig fertig auf der Rampe hockte. Sieger: The Rock.
Fazit
Es ist doch immer das Gleiche mit der hohen Erwartungshaltung - sie wird nur selten erfüllt. Das trifft gerade in letzter Zeit leider auch bei WWE-Pay-per-Views häufig zu. War WrestleMania 28 kompletter Mist? Sicher nicht. Hatte es wrestlerisch ansprechende Action zu bieten? Durchaus.
Doch der Mix aus unfassbar starker Card, schlechtem Booking und einer teilweise toten Crowd nahm dem Event den Wind aus den Segeln. Undertaker gegen Triple H war großes Kino mit einer konsequent durchgezogenen, wenn auch teilweise etwas wirren Match-Story. Nur leider war man zu diesem Zeitpunkt von dem unverschämten Opener sowie dem an Zumutung grenzenden Diven-Match schon relativ bedient.
Um einen Moment zu kopieren, der seinerzeit schon extrem demütigend für den Verlierer wirkte, zerstörte man Daniel Bryans Momentum auf einen Schlag. Entsprechend fühlte sich ein großer Teil des Publikums, der den American Dragon während seines Einzugs noch lautstark gefeiert hatte, prompt vor den Kopf gestoßen und chantete seinen Namen auch während der folgenden Matches, statt diesen Beachtung zu schenken.
Die hohen Erwartungen waren auch das Problem bei Punk vs. Jericho. Dabei handelte es sich sicher nicht um ein schwaches Match, gerade die zweite Hälfte war stark. Nur war dieses Aufeinandertreffen seit langem sehnsüchtig erwartet worden und beide Männer können im Ring definitiv noch mehr, als sie hier gezeigt haben. Rock vs. Cena schließlich litt eigentlich "nur" unter der Location.
Ein offenes Stadion macht zwar optisch einiges her, allerdings kommt die Atmosphäre - die definitiv auch hier hätte deutlich besser sein können/müssen - weniger gut rüber als in einer geschlossenen Halle. Wieso Leute mehrere hundert Dollar ausgeben, um dann auf ihren Händen zu sitzen, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Wobei, in diesem Fall vielleicht nur bedingt!
Denn aus irgendeinem Grund, den nur die WWE-Writer nachvollziehen können, mussten sie unbedingt noch eine ungemein peinliche Tanzeinlage des Funkasaurus Brodus Clay sowie zwei grausame musikalische Auftritte vor den Main Event quetschen. Weder P-Diddys (heißt der noch so?) Rumgegröle, noch die Rock-Disse sowie das Abfeiern von John Cena durch einen Eminem für ganz Arme oder die schäbige Playback-Performance von Flo Rida und Sia hatten hier irgendetwas verloren und wurden mit deutlich hörbaren Buhrufen quittiert. Wenn WrestleMania schon einen Hauch von Super-Bowl-Flair erschaffen will, sollten sie sich dabei auch etwas mehr Mühe geben.
Abschließend muss ich auch noch einen persönlichen Fehler eingestehen, der mit einer Spoiler-Warnung versehen ist: Jeder WWE-Fan, selbst der übelste Smart Mark, hat wohl diesen einen Wrestler, bei dem er wieder zum Mark zurückmutiert und sich freut wie ein kleines Kind, wenn er ihn auftreten oder gewinnen sieht.
Bei mir ist dies seit 2002 Brock Lesnar, und so habe ich nach den Internetberichten über seine Wiederverpflichtung vier Stunden lang darauf gewartet, dass mein Liebling zurückkehrt, am besten nach dem Main Event noch Cena und The Rock per F-5 abfertigt und so für mich die Show rettet.
Pustekuchen, kein Re-Debüt, ebenso wenig wie von Lord Tensai, der angeblich backstage rumlungern sollte. Stattdessen einfach nur ein feiernder Rocky am Ende, der die symbolische Fackel eben nicht an Cena weitergereicht hatte, und das Gefühl, es hätte einem mehr geboten werden sollen. Vielleicht ja 2013...