NBA: 5 Fragen nach dem Aus der Rockets: Reload für den nächsten Anlauf - mit LeBron?

Thorben Rybarczik
30. Mai 201810:11
Den Houston Rockets sind haarscharf an den Finals vorbeigeschrammt. getty
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Die Houston Rockets sind hauchdünn daran gescheitert, die Golden State Warriors vom West-Thron zu stoßen. Woran sind sie gescheitert? War ihre Saison trotzdem ein Erfolg? Wie geht es nun weiter mit Chris Paul oder Clint Capela in der Offseason - und können sich die Texaner LeBron James leisten? SPOX beleuchtet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

In nicht immer hochklassigen, dafür aber intensiven und spannenden Conference Finals sind die Houston Rockets im siebten Spiel am Titelverteidiger gescheitert, an den Golden State Warriors.

Besonders bitter aus Sicht der Rockets war dabei die Tatsache, dass sie dieses Spiel in eigener Halle bestreiten durften, worauf sie in der langen Regular Season hingearbeitet hatten. Mit 65 Siegen (Franchise-Rekord!) und 17 Niederlagen hatten sie dort alles dominiert, auch der Tiebreaker gegen die Dubs gehörte ihnen. Das hat nun nichts genützt, obwohl die Chancen zweifelsohne groß waren.

Rockets vs. Warriors: Alle Spiele der Serie

DatumSpielHeimAuswärtsErgebnis
15. Mai1HoustonGolden State106:119
17. Mai2HoustonGolden State127:105
21. Mai3Golden StateHouston126:85
23. Mai4Golden StateHouston92:95
25. Mai5HoustonGolden State98:94
27. Mai6Golden StateHouston115:86
29. Mai7HoustonGolden State92:101


Schon in Spiel 6 bei Golden State hatten die Texaner alles in der eigenen Hand, nachdem sie in der Serie mit 3:2 in Führung gegangen waren. Ohne den verletzten Chris Paul, der auch noch das nächste Spiel verpassen sollte, führten sie nach dem ersten Viertel mit 39:22, verloren nach einer verheerenden zweiten Halbzeit aber dennoch und mussten eben in dieses siebte Spiel.

Und auch in diesem spielten sie phasenweise besser als der amtierende Champion, führten zur Halbzeit mit 11 Zählern und verteidigten stark - nur um dann wieder einzubrechen. Vor allem von der Dreierlinie ging nach dem Seitenwechsel nichts mehr und die zuvor euphorisierten Rockets-Fans im Toyota Center mussten mit ansehen, wie ihren Farben das Spiel entglitt.

Und so endete die spektakuläre Rockets-Saison am Montagabend Ortszeit, während die Warriors zum vierten Mal in Folge in die Finals einziehen. Fest steht nun, dass auf Houston - gezwungenermaßen - im Sommer eine Menge Arbeit zukommt.

Woran hat es gegen die Warriors gelegen?

Die Rockets sind bekanntermaßen ein Team, das von Dreiern, Korblegern und Freiwürfen lebt. Der wichtigste Abschluss davon - der Longball - ließ das Team in den entscheidenden Phasen der Serie komplett im Stich.

Bezeichnend dafür war Spiel 7 mit einer schlimmen Quote von 15,9 Prozent (7/44), wobei sie 27 Dreier in Folge an den Ring setzten. Das ist wenig überraschend ein Playoff-Minus-Rekord. 11 ihrer Würfe von Downtown waren im Übrigen "uncontested", es hat also nicht nur an der durchaus starken Defense des Gegners gelegen.

James Harden war an diesem Abend keine Ausnahme. Klar, am Ende hatte er wieder 32 Punkte auf dem Konto, aber eben auch 2/13 Dreier in teilweise wichtigen Sequenzen. Überhaupt war es nicht die beste Serie des Bartes, der in durchschnittlich 38,2 Minuten 41 Prozent aus dem Feld und 24,4 Prozent von der Dreierlinie produzierte.

Zum Ende der Conference Finals wirkte er durchaus platt - womit wir bei einer weiteren Problematik wären. Ihm fehlte es an Unterstützung der Rollenspieler, die defensiv alle ihren Mann standen, offensiv jedoch zu oft Totalausfälle waren. Mal spielte P.J. Tucker gut, mal Trevor Ariza oder Gerald Green - die Spiele, in denen alle funktionierten, gab es allerdings zu selten.

Überhaupt schenkte Mike D'Antoni nur wenigen Spielern das Vertrauen. In den Duellen ohne Garbage Time griff er auf 7-Mann-Rotationen zurück - offenbar zurecht. Denn als er in Game 7 Leute wie Ryan Anderson aufs Feld schickte, wurden dessen Schwächen von den Dubs gnadenlos attackiert und ausgenutzt.

Ein weiteres Problem: Regelmäßig gingen sie im dritten Viertel komplett baden. Einerseits sind diese Spielabschnitte der Dubs legendär gut, andererseits taten die Rockets nicht viel, um die dominanten Runs zu verhindern. Zu oft kamen die Warriors in die Transition und zu freien Punkten (23:6 Fastbreak-Punkte in Spiel 7) und dadurch in Fahrt. Die Spielweise der Rockets mit den vielen Dreiern förderte in dieser Hinsicht Nachteile zutage - denn schon U12-Spieler wissen: Lange Würfe, lange Rebounds. Diese wiederum begünstigen das offensive Umschalten.

Zuletzt ist natürlich noch der Ausfall von Chris Paul zu erwähnen. Beim Sieg in Spiel 5 war er der entscheidende Mann, bevor er sich in den Schlusssekunden verletzte und anschließend nicht mehr in die Serie eingreifen konnte. Eric Gordon vertrat CP3 als zweiter Ballhandler mehr als ansprechend, defensiv war der Ausfall jedoch nicht zu kompensieren.

Die Topscorer der Rockets gegen Golden State

SpielerPunkteFG%3FG%
James Harden28,741,524,4
Chris Paul19,840,736,8
Eric Gordon1942,335
Clint Capela10,372,1-
Trevor Ariza8,933,320
P.J. Tucker8,747,648,1
Gerald Green6,338,542,9
Team98,44231,4

Und: In der zweiten Halbzeit und während dem "Streak" von 27 Downtown-Fahrkarten in Folge wäre ein Spieler wie Paul Gold wert gewesen. Er hätte es kaum zugelassen, dass sein Team so auseinanderbricht und andere, kreative Wege gefunden, um Punkte aufs Scoreboard zu bringen. Seine Leadership, auch wenn er von der Bank aus Präsenz zeigte, lässt sich ebenfalls als fehlender Faktor heranziehen.

"Wenn Chris gespielt hätte, dann hätten wir die Finals erreicht", war sich Eric Gordon nach Spiel 7 sicher. Möglich, dass er damit Recht hat - es gilt aber zu bedenken, dass mit Andre Iguodala auf der anderen Seite ebenfalls ein Spieler fehlte, dessen Impact grob unterschätzt wird.

Im Endeffekt war es also eine Kombination aus dem Fehlen Pauls und dem Mythos "if you live by the three, you die by the three", das sich zumindest in diesem Fall als wahr herausgestellt hat.

Wie ist die Saison der Rockets zu bewerten?

Die Rockets gaben mehrfach zu, "besessen" davon zu sein, die Warriors zu schlagen. Ihr kompletter Kader war darauf ausgelegt, vor allem defensiv trieben sie das System, mit fünf mobilen Verteidigern alles switchen zu können, auf die Spitze.

Und man muss sagen: Sie waren verdammt nah dran an ihrem Traum, den Champion zu stürzen - näher, als es viele für möglich gehalten hatten. "Wir werden es im nächsten Jahr wieder versuchen. Wir werden weiter an die Tür klopfen, bis sie sich öffnet", gab D'Antoni dann auch direkt die Marschrichtung vor und ergänzte: "Jetzt kommt ein Sommer mit viel Arbeit auf uns zu, um den letzten Schritt zu machen. Wir werden noch besser werden."

Dieser letzte Schritt war im diesen Jahr aufgrund der in Frage zwei thematisierten Faktoren noch nicht möglich. Die Tatsache, dass der 67-Jährige auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wieder herzlich lachen konnte, macht allerdings deutlich, dass es auch so kurz nach der dramatischen Niederlage andere Gefühle in Texas gibt als Enttäuschung.

Völlig zurecht, denn die Rockets haben sich wenig vorzuwerfen, wenn man davon absieht, dass sie ihre Dreier nicht getroffen haben. Im letzten Jahr hat es kein einziges Team im Westen geschafft, den Dubs auch nur ein Playoff-Spiel abzunehmen - jetzt hatten die Rockets den Champion am Rande einer Niederlage.

Ihr Konzept, James Harden einen weiteren balldominanten Guard an die Seite zu stellen, ist ebenfalls voll aufgegangen. Der Bart und CP3 harmonierten prächtig, ergänzten sich, übernahmen auf unterschiedliche Art und Weise Führungsrollen im Kader.

Auch haben sie bewiesen, dass Morey-Ball funktioniert, kein Team warf mehr Dreier, kein Team gewann mehr Spiele in der Regular Season. Wenn jetzt bloß die freien in Spiel 7 gefallen wären...

Die Zusammenarbeit mit Mike D'Antoni hat derweil auch im dritten Jahr gefruchtet, er harmoniert mit dem Team, seine Spielweise ist perfekt auf den Kader abgestimmt. Die Mär, dass er kein guter Playoff-Coach sei, hat er auch widerlegt - beispielsweise mit den Adjustments während der Serie gegen die Jazz oder eben mit dem Defensiv-Konzept gegen die Dubs.

Es steht somit außer Frage, dass die Rockets den eingeschlagenen Weg weitergehen werden und versuchen, weitere Rollenspieler, die perfekt ins Team-Konzept passen, an Bord zu holen und damit zu erreichen, in einem eventuellen Rematch gegen Golden State mehr als nur sieben Spieler pro Abend einsetzen zu können.

Paul, Capela und Co.: Was können die Rockets in der Offseason machen?

Daryl Morey, die Rockets und die Offseason - diese Kombination sorgt traditionell dafür, dass es heiß her geht in Texas. Passivität ist eine Eigenschaft, die sich der General Manager in den letzten Jahren nicht vorwerfen lassen muss. Und auch in diesem Sommer steht viel Arbeit an.

Eine Baustelle ist der auslaufende Vertrag von Chris Paul. Anstatt im letzten Jahr Free Agent zu werden und einen neuen, langfristigen Vertrag in Houston zu unterschreiben, entschied er sich bekanntlich dafür, seine Clippers-Spieleroption für 2017/18 zu ziehen und per Sign-and-Trade das Team zu wechseln. Das bedeutet: Der Point Guard ist nun Unrestricted Free Agent.

Wahrscheinlich wird er einen Maximal-Vertrag anstreben. Für fünf Jahre wären dies 204 Millionen Dollar. Einerseits ein gerechtfertigter Deal, wenn man auf die Leistungen Pauls in der Saison schaut. Andererseits ein Risiko für die Franchise, bedenkt man, dass er in seinem letzten Vertragsjahr 46,6 Millionen Dollar kassieren würde. Und zwar im Alter von 37 Jahren.

Wahrscheinlicher ist deshalb, dass er für vier Jahre unterschreibt und sich vielleicht sogar bereit erklärt, Klauseln zuzulassen wie zum Beispiel eine Mindestanzahl an absolvierten Spielen im letzten Vertragsjahr - und dass sein Gehalt dann, wenn er diese Anzahl nicht erreicht, nur zum Teil garantiert ist (Vorbild: Mike Conley in Memphis). Dass CP3 noch einmal woanders hin wechselt, erscheint wegen der erfolgreichen Saison und dem momentan kleinen Markt für Point Guards bei Contendern als nahezu ausgeschlossen.

Clint Capelas Lage ist ebenfalls vertrackt. Er befindet sich in seinem vorletzten Jahr seines Rookie-Vertrags. Heißt: Bis zum 30. Juni werden ihm die Rockets das Qualifying Offer vorlegen (und er wird es sicherlich ablehnen), was ihn zum Restricted Free Agent macht. Dann dürften andere Teams hellhörig werden, schließlich ist Capela ein junger Center mit modernen Anlagen, der insbesondere defensiv alles mitbringt. In der zweiten Runde ließ er unter anderem Rudy Gobert alt aussehen und wer weiß - komplett die Hoffnung aufgeben, dass er sich noch einen passablen Halbdistanz- und Freiwurf zulegt, sollte man noch nicht.

Das Ziel der Rockets wird es also sein, Paul und Capela langfristig zu binden und sich dann den anderen werdenden Free Agents zu widmen. Das sind in erster Linie Trevor Ariza, Gerald Green und Luc Mbah a Moute, während Joe Johnson oder Tarik Black keine Priorität haben.

Von ihnen hat nur Ariza Bird-Rechte in seinem Vertrag, für ihn dürfen die Rockets also über den Cap - während die anderen beiden 2018/19 nur Verträge um die zwei Millionen Dollar für die kommende Saison erhalten dürften.

Die Tatsache, dass es bei den eigenen Baustellen finanziell schon eng wird, zeigt, dass nicht besonders viel Spielraum für "Fremdmaterial" da ist - außer, Morey wird mal wieder kreativ, was uns zur nächsten Frage bringt...

Können sich die Rockets LeBron James leisten?

Die Frage, was LeBron James in der kommenden Free Agency macht, wird den Sommer so lange prägen, bis er sich entschieden hat. Und wahrscheinlich wird genauso lange spekuliert, ob nicht die Rockets ein mögliches Ziel für den King sein könnten.

Doch ist das finanziell für die Texaner überhaupt möglich, wenn man davon ausgeht, dass James einen Maximal-Vertrag anstrebt oder zumindest einen, der sich in der Nähe der entsprechenden Summe bewegt? Schwierig.

Denn: Unter anderem wegen des wahnsinnigen Vertrags von Ryan Anderson (20 und 21 Millionen Dollar in den nächsten beiden Saisons) und der Cap Holds der Free Agents bewegen sich die Rockets für kommende Saison schon über dem Cap, obwohl sie nach jetzigem Stand nur 77 Millionen Dollar an garantierten Gehältern für die nächste Spielzeit in den Büchern haben.

Wenn James als Free Agent unterzeichnet, kann er dies also nur tun, wenn vorher alle Free Agents der Rockets woanders hin gewechselt sind - und das kann ja nicht Sinn und Zweck der Verpflichtung sein.

Alternativ könnte ein Sign-and-Trade mit den Cavaliers abgewogen werden ähnlich dem Modell, mit dem die Clippers und Rockets im Vorjahr bezüglich CP3 übereingekommen sind. Nur: In diesem Sign-and-Trade müsste für die Rockets im besten Fall Ryan Andersons Vertrag vorkommen und Eric Gordon müsste wohl auch gehen - dann wiederum haben die Cavs zu viel Gehalt aufgenommen und man bräuchte ein drittes Team, das die beiden gebrauchen kann und andererseits den Cavs interessante Dinge bietet. Das ist alles doch sehr wild.

Bleibt die Option des massiven Gehaltsverzichts von LeBron und Chris Paul (Anderson müsste trotzdem weg). Dann wäre es irgendwie möglich, wenn der Kern um Paul, Capela, Harden und auch Tucker komplett mit Minimalverträgen und ähnlichem ergänzt wird. Oder aber, die Rockets und James sorgen für eine kreative Überraschung und kommen mit einer ganz anderen Lösung um die Ecke, die man noch nicht ahnt. Es wäre bei beiden Parteien nicht das erste Mal.