NBA - 5 Fragen zum Trade von Russell Westbrook und John Wall zwischen den Rockets und Wizards: Zwei Problemfälle, keine Lösung

Philipp Jakob
03. Dezember 202013:01
Russell Westbrook (l.) und James Harden spielten letztlich nur eine Saison gemeinsam bei den Houston Rockets.getty
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Die Houston Rockets und Washington Wizards haben einen Blockbuster-Trade eingefädelt, der Russell Westbrook nach Washington und John Wall nach Texas verfrachtet. Einen klaren Gewinner gibt es bei dem Deal allerdings nicht, stattdessen bleibt eine Menge Ungewissheit. SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

In den vergangenen Wochen ist es etwas still geworden um Russell Westbrook. Nach dem Rockets-Beben Mitte November, als erst Berichte über den Trade-Wunsch des 32-Jährigen und kurz darauf auch über die Unzufriedenheit von James Harden die Runde machten, wurden die entsprechenden Gerüchte vom Draft und der Free Agency in den Hintergrund gedrängt.

Schon damals kursierten Spekulationen über Trade-Diskussionen zwischen den Rockets und den Washington Wizards, die sich um einen Tausch der beiden Point Guards Westbrook und John Wall drehten. Nach Informationen von ESPN kamen diese Gespräche aber zum Erliegen - bis Dienstagnachmittag.

Wie Adrian Wojnarowski berichtet, ging es auf einmal ganz schnell. In einem Telefonat zwischen Tommy Sheppard, dem General Manager der Washington Wizards, und Rockets-GM Rafael Stone soll innerhalb von wenigen Stunden der finale Deal ausgearbeitet worden sein: Houston tradet Westbrook zu den Wizards, dafür geht Wall gemeinsam mit einem geschützten Erstrundenpick nach Texas.

So kam letztlich der offensichtlichste Deal zustande. Sowohl Westbrook als auch Wall stehen noch drei Jahre unter Vertrag, der Ex-Thunder- und Rockets-Star verdient in diesem Zeitraum 132,7 Mio., Wall 133 Mio. Dollar. Beide besitzen eine Spieleroption für das jeweils letzte Vertragsjahr (2022/23) in Höhe von etwa 47 Mio. Dollar.

Russell Westbrook (r.) wird künftig im Wizards-Dress auflaufen - John Wall wechselt dafür zu den Rockets.getty

NBA: Rockets erhalten John Wall und Erstrundenpick

Aufgrund des üppigen Vertrags und der Verletzungshistorie beider Spieler war der Trade-Markt sowohl für Westbrook als auch für Wall, der angeblich zuletzt ebenfalls seinen Unmut bei den Wizards zum Ausdruck gebracht haben soll, offenbar überschaubar.

Wall ist zwar etwas jünger, hat dafür aber seit knappen zwei Jahren kein NBA-Spiel mehr absolviert. Deshalb bekam Houston noch einen zukünftigen Erstrundenpick obendrauf, der 2023 Lottery-geschützt und in den Folgejahren Top12-, Top10- und Top8-geschützt ist. Sollte der Erstrundenpick bis 2026 noch nicht an die Rockets gewandert sein, so wandelt er sich in zwei Zweitrundenpicks (2026 und 2027) um.

NBA: Der Westbrook-Wall-Trade in der Übersicht

Wizards erhaltenRockets erhalten
Russell WestbrookJohn Wall
Erstrundenpick 2023 (Lottery-Protected)

Was bedeutet der Deal für die Zukunft von James Harden?

Kurz nachdem Woj seine Bombe bei Twitter in der Nacht auf Donnerstag deutscher Zeit platzen ließ, lieferte Tim MacMahon (ebenfalls ESPN) weitere Infos aus dem Umfeld der Rockets hinterher: Ihr Standpunkt bezüglich James Harden habe sich nicht geändert.

Soll heißen: Houston sehe "kein Szenario, in dem Harden vor der Saisoneröffnung getradet wird", schrieb MacMahon. Stattdessen wolle die Franchise weiterhin wettbewerbsfähig bleiben, mit Harden und nun auch mit Wall. Deshalb kam ein Westbrook-Trade für mehrere Spieler eines niedrigeren Levels sowie viele Draft-Picks für die Rockets nicht in Frage (was der Markt wohl eh nicht hergegeben hätte). Dies hätte für Harden einen Neuaufbau signalisiert und dessen Wechselwunsch wohl nur noch bestärkt.

Kurz nach der internen Trade-Forderung von Westbrook hatte auch "The Beard" den Rockets laut ESPN zu verstehen gegeben, dass er seine Zukunft woanders sehe. Offenbar befanden (oder befinden?) sich die Brooklyn Nets ganz oben auf der Liste der potenziellen Trade-Destinationen. Wie Shams Charania (The Athletic) zuletzt berichtete, sollen wohl auch die Golden State Warriors wegen Harden angeklopft haben.

Die Verantwortlichen in Houston gaben offenbar irgendwann die Hoffnung auf, die Beziehung mit Harden noch kitten zu können. Allerdings war in den Medien immer wieder zu vernehmen, dass die Rockets sich nicht unter Druck setzen lassen und kein aus ihrer Sicht schlechtes Angebot annehmen werden. Houston fordere einen Franchise-Eckpfeiler und ein Paket mit zukünftigen Draft-Picks als Gegenwert, das können die Nets wohl eher nicht bieten, Spencer Dinwiddie und Caris LeVert in Ehren.

Der Trade für Wall und MacMahons Bericht bestätigen nun den Eindruck, den die Rockets in den vergangenen Wochen hinterlassen haben: Houston will auf jeden Fall mit Harden in die neue Saison starten. Anschließend wird man immer noch abwägen können, ob eine gemeinsame Zukunft noch zu retten ist oder doch noch ein überzeugendes Harden-Angebot reinkommt. Womöglich schafft es ein fitter Wall sogar, Harden zum Bleiben zu bewegen. Womit wir direkt zur nächsten Frage kommen.

Sind die Houston Rockets mit John Wall besser geworden?

Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu beantworten, zu viele Fragezeichen stehen hinter der Fitness von Wall. Sein letztes Spiel in der Association absolvierte der 30-Jährige am 26. Dezember 2018. Anschließend musste er mit einer Fersenverletzung pausieren, später stürzte er in seiner Wohnung und riss sich die Achillessehne im linken Fuß. Zum Start der neuen Saison wird Wall ziemlich genau zwei Jahre lang ohne eine einzige NBA-Minute sein.

Den Sommer über war immer wieder zu hören, welch guten Eindruck Wall in Workouts hinterlassen habe. Solche Aussagen sind aber immer mit Vorsicht zu genießen. Man hört sie bei jedem verletzten Star kurz vor dessen Comeback, meistens kommen sie aus dem direkten Umfeld des Spielers. Wenn die Wizards vollstes Vertrauen in Walls Gesundheit gehabt hätten, hätten sie ihn wohl nicht abgegeben - trotz der angeblichen Unzufriedenheit des ehemaligen Franchise-Stars.

Das große Problem: Ähnlich wie Westbrook basiert(e) auch das Spiel von Wall immer auf seiner Athletik, um zum Korb zu ziehen und so für sich oder die Teamkollegen zu kreieren. Diese Athletik dürfte mit mittlerweile 30 Jahren und der langen Verletzungshistorie schwinden. Und damit noch mehr Fragezeichen zu Walls Fit in Houston aufploppen.

Ähnlich wie Westbrook war auch Wall Zeit seiner NBA-Karriere ein balldominanter Spieler. Bis zu seiner Verletzung im Dezember 2018 hatte er den Ball unter allen Spielern der Liga am zweitlängsten in der Hand. Platz eins in dieser Kategorie war Harden. In den 32 Spielen dieser Spielzeit legte Wall immerhin 20,7 Punkte und 8,7 Assists bei 44,4 Prozent aus dem Feld auf.

John Wall eine schwächere Version von Russell Westbrook?

Ähnlich wie Westbrook strahlt jedoch auch Wall kaum Gefahr aus, wenn er nicht den Ball in der Hand hat. Über seine Karriere kommt der Point Guard auf eine Dreierquote von 32,4 Prozent (bei 2,9 Versuchen), in seiner bisher letzten Saison waren es nur 30,2 Prozent bei einer gesteigerten Rate von 5,3 Versuchen pro Partie. Die Rockets werden hoffen, dass er in seinen Workouts im Sommer daran gefeilt hat.

Letztendlich ist davon auszugehen, dass Wall nach der langen Verletzungspause eher als schwächere Version von Westbrook zurückkommen wird. Die Rockets sind durch den Trade also nicht besser geworden, haben in der Free Agency in Christian Wood aber immerhin einen interessanten Big Man geholt, gleichzeitig auch Robert Covington verloren. Der wichtigste Teilaspekt des Trades könnte aus Rockets-Sicht langfristig tatsächlich der Draft-Pick sein. In dem Westbrook-Trade mit den Thunder 2019 hat Houston schließlich einige eigene Picks abgegeben.

Was bedeutet der Deal für die Washington Wizards?

Zuletzt beteuerten sowohl Wall als auch Bradley Beal als auch GM Sheppard öffentlich, dass das Star-Duo sich auf eine gemeinsame Saison in der US-amerikanischen Hauptstadt freue und bereit sei, um die Playoffs zu kämpfen. Einen Trade schloss Sheppard immer wieder aus.

Dennoch hielten sich beständig anderslautende Gerüchte. Nach den ersten Spekulationen um einen Westbrook-Wall-Tausch soll Letzterer wohl selbst einen Trade gefordert haben, nachdem er seinen Namen in den Medien gehört hatte. Zudem soll Wall angeblich nicht besonders glücklich damit gewesen sein, dass Sheppard Beal und nicht ihn als Franchise-Star ausgerufen hat.

Nun ist unbestritten, dass Beal die Nummer eins ist. Ähnlich zur Situation in Houston geht es auch für GM Sheppard darum, den Star des Teams glücklich zu halten und so das Risiko zu minimieren, dass der 27-Jährige weg will. Dafür wird Washington aber auch um die Playoffs kämpfen müssen. Nach den vielen offenen Fragezeichen bei Wall scheinen die Wizards mit Westbrook eine etwas sicherere Wette einzugehen.

Der MVP von 2017 schaffte es vergangene Saison ins All-NBA Third Team, seine schwachen Auftritte in der Bubble sollten nicht überbewertet werden, schließlich hatte Westbrook eine COVID-Infektion und eine Oberschenkelblessur hinter sich. Zuvor agierte er in den finalen Wochen vor der Corona-bedingten Saisonunterbrechung auf dem vielleicht besten Niveau seiner Karriere und legte in einer Phase über 20 Spiele, als die Rockets ohne klassischen Center spielten, 32,3 Punkte bei 53,5 Prozent aus dem Feld auf.

Westbrook bei den Wizards: Passt er in den Zeitplan?

An der Seite von Beal ist Westbrook sicherlich kein perfekter Fit, da er wie bereits angesprochen ein ähnliches Paket und damit ähnliche Probleme wie Wall mitbringt. Zwar hat er nicht die gleiche Verletzungshistorie, aber Westbrook ist dafür älter (32), war in der Vergangenheit ebenfalls öfters angeschlagen und ist ebenfalls von seiner Athletik abhängig. Der Guard wird wohl nicht so gut altern wie beispielsweise Chris Paul.

Mit Beal abseits des Balles und dazu Davis Bertans wird Westbrook immerhin viel Shooting um sich herum haben, was ihm, wie in Houston gesehen, nur helfen wird. Allerdings werden die Wizards hauptsächlich den Ball in Beals Händen sehen wollen. Wie Head Coach Scott Brooks, der bereits in OKC mit Westbrook arbeitete, dies managt, wird interessant zu beobachten sein. Vor allem, nachdem von Shams zu hören war, dass sich Russ nach dem Rockets-Kapitel wieder eine ähnlich dominante Rolle in einem Team wie zu Thunder-Tagen wünsche.

Fraglich ist zudem, wie Westbrook in die Timeline eines ansonsten sehr jungen Wizards-Teams passt. Für die Entwicklung der Talente wie Rui Hachimura, Deni Avdija oder die beiden Deutschen Moritz Wagner und Isaac Bonga wird Washington Geduld benötigen. Kurzfristig sind die Chancen auf die Playoffs im Osten definitiv gegeben, vor allem dank der Einführung des Play-In-Turniers, doch am Ost-Thron werden sie auch mit Westbrook nicht rütteln. Reicht das wirklich, um Beal glücklich zu machen?

Was bedeutet der Deal für den Rest der Liga?

Einen klaren Gewinner des Trades gibt es auf beiden Seiten wohl eher nicht, zu viel Ungewissheit umgeben sowohl Westbrook in Washington als auch Wall in Houston. Wie passt der Fit? Auf welchem Level präsentieren sich die beiden? Wie entwickelt sich das Umfeld mit der Harden- und Beal-Situation?

Ganz ähnlich wie bei Harden werden wohl auch die Beal-Interessenten erst einmal in die Röhre schauen. Und gleichzeitig die jeweilige Situation ganz genau beobachten, um bereit zu sein, sollte einer der beiden Stars seinen Wechselwunsch bekräftigen beziehungsweise äußern.

Sportlich gesehen werden die Atlanta Hawks, die durch ihre Moves in der Offseason zum Favoriten auf den letzten Playoff-Platz im Osten geworden sind, wohl aufhorchen. Auf dem Papier sind die Wizards gefährlicher geworden, beim Play-In-Turnier sollten sie auf jeden Fall dabei sein. Ob es für mehr reicht, darf aber angezweifelt werden.

Auch die Rockets haben ihre Playoff-Chancen im hart umkämpften Westen nicht verbessert. Auch wenn im Falle von Wall wohl noch Geduld mit der Beurteilung vonnöten ist, schlicht und einfach, weil ihn seit fast zwei Jahren niemand hat spielen sehen. Statt des schlechten Vertrags von Westbrook hat Houston nun den schlechten Vertrag von Wall an der Backe.

Beide Seiten bleiben so auch nach dem Trade mit einigen Fragezeichen zurück. Zwei kleine Gewinner gibt es dann aber doch noch: John Wall und DeMarcus Cousins. Nach neun Jahren sind die ehemaligen Kentucky-Buddies endlich in der NBA vereint, nachdem der ebenfalls lange verletzte Center in der Free Agency eine Chance bei den Rockets bekam. Er ist mit dem Trade definitiv glücklich.