In wenigen Jahren stieg Ex-Nationalspieler Ademola Okulaja zu einem der wichtigsten Basketball-Agenten Deutschlands auf. Neben Dennis Schröder vertritt er unter anderem die beiden Bamberger Nationalspieler Daniel Theis sowie Elias Harris und Frankfurts 17-jähriges Toptalent Niklas Kiel. Vor dem Auftakt der Conference Finals zwischen den Atlanta Hawks und Cleveland (Spiel 3 am Montag ab 2.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) spricht der frühere Weltklasse-Forward über Schröders Matchup gegen Kyrie Irving, die Tücken des NBA-Geschäfts und Svetislav Pesics Generalkritik.
SPOX: Herr Okulaja, Sie besuchten am Wochenende das Final Four der Euroleague in Madrid und das Top 4 der NBBL in Hagen, um Ihren Schützling Niklas Kiel zu beobachten, der im Finale der deutschen U-19-Meisterschaft mit Frankfurt gegen den FC Bayern unterlag. Parallel steht Dennis Schröder mit den Atlanta Hawks in den Conference Finals der NBA und Daniel Theis sowie Elias Harris im BBL-Halbfinale. Das sind nur vier Ihrer bekanntesten Klienten. Wie sieht Ihr Zeitmanagement aus?
Ademola Okulaja: Dank der Internet-Angebote schaue ich bis tief in die Nacht die NBA, dann schlafe ich kurz, nehme am Tag Termine wahr oder reise. Am Dienstag geht es direkt rüber in die Staaten, um den Auftakt der Hawks gegen Cavs zu sehen. Aber das alles ist kein Grund zur Klage, im Gegenteil. Im Büro zu sitzen und durch die Verträge zu gehen, gehört zum Geschäft. Das Beste am Job des Agenten ist es, vor Ort zu sein, hochklassigen Basketball zu sehen und dabei die Kontakte zu pflegen und den Markt zu sondieren. Von daher ist es die stressigste und zugleich schönste Zeit einer Saison.
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SPOX: Für Schröder geht es am Mittwoch gegen die Cavs weiter. Nach Brooklyns Deron Williams und Washingtons John Wall wartet mit Kyrie Irving, sollte er einsatzbereit sein, der nächste hochkarätige Gegenspieler. Wie sehen Sie das Duell?
Okulaja: Vor Spiel 1 ein Matchup detailliert vorauszusagen, ist immer schwierig. Andererseits hat sich Dennis schon einen Namen gemacht als verdammt guter Verteidiger. Dass er in Spiel 6 gegen Washington 3 Steals verbucht hat, bedeutet etwas. Ohne große Töne spucken zu wollen: Perspektivisch könnte es für Dennis interessant sein, mit einem Auge auf den "Defensive Player of the Year"-Award zu schielen. In der Regel werden nur Flügelspieler oder Big Men berücksichtigt, doch warum sollte nicht mal ein Point Guard paar Stimmen bekommen? Dennis ist wie eine Batterie, die nie leer wird. Ich bin gespannt, wie er sich gegen Kyrie schlägt.
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SPOX: Haben Sie Schröders Leistungssprung erwartet?
Okulaja: Seit ich ihn kenne, habe ich ihm gesagt: "Du gehörst nicht nach Deutschland, du gehörst nicht nach Europa, mit deiner Spielweise gehörst du in die NBA." Von daher ging ich davon aus, dass er in der NBA gut aufgehoben ist. Wobei man natürlich nicht wissen konnte, wie ideal Atlanta für seine Entwicklung ist. Mit Coach Mike Budenholzer versteht er sich fast blind und die Chemie innerhalb des Teams ist genial. Aber bei aller Harmonie: In der NBA schenkt dir keiner etwas. Dennis erarbeitet sich das Vertrauen und reißt sich täglich den Arsch auf. Es sieht kaum jemand, mit welcher hohen Intensität er immer noch trainiert und auch während der Saison Extraschichten einlegt.
SPOX: Haben Sie allerdings kurz geschluckt, als im umkämpften Spiel 5 der Conference Semifinals gegen Washington Schröder im letzten Angriff zum Korb zog, um den Gamewinner zu erzielen, und dabei von Wall geblockt wurde?
Okulaja: Zunächst einmal ist es eine Auszeichnung, dass ihm Jeff Teague als Anführer so viel Vertrauen gab, dass dieser selbst auf eine Einwechslung verzichtete, damit Dennis auf dem Court bleiben konnte. Und Dennis hat das Vertrauen zurückgezahlt und delivert. Sein Drive war die richtige Entscheidung und Wall hat in der Szene extrem gut geblockt. Jedoch zog Dennis mit dem Drive gleich drei Gegenspieler auf sich, weswegen Al Horford den Offensiv-Rebound bekommen und den Gamewinner treffen konnte.
SPOX: Wie sehen Sie Schröders Wandel von der Vorsaison zu diesem Jahr? Vor allem das Selbstvertrauen scheint deutlich gestiegen zu sein. Mit Wall und Paul Pierce gab es sogar Trash Talk.
Okulaja: Jeder macht Trash Talk, manche werden publik, manche nicht. Es ist eine gewisse Art von Spaß, eine gewisse Art von Challenge. Deswegen finde ich es gut. Bei Dennis hat es einfach klick gemacht: Das harte Training zahlt sich aus und das Selbstvertrauen ist gestiegen. Man muss sich nur überlegen: Er ist der erste deutsche Point Guard, der jemals rübergegangen ist. Wie viele haben es überhaupt in den letzten Jahren aus Europa geschafft? Tony Parker, Ricky Rubio, Jose Calderon, Goran Dragic, und dann wird's schon eng. Deswegen hat er das erste Jahr benötigt, um sich einzugewöhnen und jetzt ist er ein fester Teil der NBA. Dann gehört Trash Talk eben dazu.
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SPOX: Was auffällt: Schröder hat sich als Stratege gesteigert und löst etwa Pick'N'Roll- oder Pick'N'Pop-Situationen mit den Big Men, vor allem Al Horford, viel besser auf, so dass Atlanta häufig zu einfachen Würfen kommt.
Okulaja: Es sieht für den Außenstehenden sehr einfach aus, aber so ist es nicht. Solche Spielzüge klappen nur, weil Dennis unglaublich schnell ist und diese Geschwindigkeit nicht verloren hat, obwohl er seit dem Wechsel in die NBA körperlich deutlich robuster geworden ist. In der NBA gibt es viele schnelle Spieler - und Dennis lässt diese im direkten Duell nicht so schnell aussehen. Das ist der Schlüssel.
SPOX: Bei aller Harmonie in Atlanta: Schröder wird sich mittelfristig nicht mit einer Backup-Rolle zufriedengeben. Allerdings ist Teague bis 2017 vertraglich gebunden. Muss Teague getradet werden, damit Schröder zum Starter befördert wird?
Okulaja: Die Chemie in der gesamten Franchise ist so gut, dass ich mir gut vorstellen kann, dass es nicht heißt "Teague ODER Schröder", sondern "Teague UND Schröder". Je nach Form und Gegner beginnt der eine oder der andere, oder beide starten gemeinsam, weil sie neben Point-Guard-Skills auch Shooting-Guard-Skills besitzen.
SPOX: Eine Sorge für die deutsche Nationalmannschaft angesichts Schröders starken Leistungen und Atlantas möglichen Vordringens in die NBA-Finals: Könnten die Hawks nach diesem Saisonverlauf eher erpicht darauf sein, dass sich Schröder im Sommer schont statt an der EM teilzunehmen?
Okulaja: Ich weiß von Dennis, dass er an der EM teilnehmen möchte. Und von Atlanta gab es bis jetzt grünes Licht und alles lief entspannt. Es ist dennoch ganz klar: Die Hawks sind der Arbeitgeber und gerade denkt niemand in der Franchise an etwas anderes als an die Playoffs. Danach gibt es noch genug Zeit, um über die EM zu sprechen, sie beginnt ja erst Ende August.
SPOX: Bei der EM würde Schröder wieder mit seinem engen Freund Daniel Theis vereint sein, den Sie ebenfalls seit vielen Jahren betreuten. Wie sehen Sie Theis' NBA-Perspektiven?
Okulaja: Das Interesse aus der NBA ist weiterhin vorhanden und er wird wie von vielen Euroleague-Teams genau beobachtet. Von seiner Athletik und Spielweise passt er in die NBA, jetzt hat er seinen Dreier verbessert. Und in der Summer League 2014 bei den Washington Wizards bewies er, dass er mithalten kann. Ich bin regelmäßig in Kontakt mit Wizards-Center Marcin Gortat, der immer wieder sagt, dass er Daniel sofort in seinem Team haben will. Aber die NBA ist kompliziert und es hängt extrem viel davon ab, welcher Trainer welches System spielen lässt. Beim Euroleague-Final-Four hat man wieder gesehen, was Fenerbahces Jan Vesely drauf hat. Bei ihm schreit alles nach NBA, seine Athletik, sein Talent, seine Moves, alles. Allerdings war er damals in Washington beim falschen Team. Vieles hängt vom richtigen Timing ab.
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SPOX: Es fällt schwer, Theis' Saison in Bamberg angesichts einiger Ausschläge nach oben und unten richtig einzuschätzen. Geht es Ihnen ähnlich?
Okulaja: Bevor er sich für Bamberg entschieden hat, führten wir lange Gespräche. Wir sind Ulm unglaublich dankbar und Daniel wäre ohne Coach Thorsten Leibenath nicht da, wo er jetzt ist. Im vergangenen Sommer wollte Daniel aufbauend darauf den nächsten Schritt gehen - im Wissen dessen, dass er sich dafür einem neuen Umfeld mit noch mehr Druck stellen muss. Deswegen ist Bambergs Trainer Andrea Trinchieri der Richtige. Mit seiner unglaublichen Intensität gibt er den nötigen neuen Impuls und darauf musste sich Daniel erst einmal einstellen. Das gelang ihm im Saisonverlauf immer besser. Das erkennt man am Spielverständnis und am effizienteren Rebounding und Blocking. Und man darf nie vergessen: Er legt einen Schnitt von über 10 Punkten und über 5 Rebounds auf. Also mehr als noch in Ulm, obwohl er jetzt bei einem Meisterschafts-Kandidaten spielt.
SPOX: Neben Theis hat Ihr zweiter Klient in Bamberg, Elias Harris, vorzeitig bis 2017 verlängert. Trotz der üblichen NBA-Ausstiegsklausel eine in der von Kurzfristigkeit geprägten BBL ungewöhnliche Entscheidung. Warum der Schritt?
Okulaja: Es geht um Sicherheit und vor allem um eine gewisse Gelassenheit. Aus meiner Sicht war Elias wegen der ungeklärten Zukunft und den vielen Fragezeichen seit dem Ende der College-Zeit etwas blockiert. Seit Gewissheit besteht und er weiß, dass Bamberg auf ihn setzt, ist er viel stabiler und er kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.
SPOX: Nicht nur Theis und Harris denken an die NBA, auch Niklas Kiel. Im SPOX-Interview verriet er seinen Plan, 2019 am Draft teilzunehmen. Wie ist es um Ihren vielleicht talentiertesten Spieler bestellt?
Okulaja: 2019 liegt noch so weit vor uns, darüber möchte ich nur ungern sprechen. Was jedem bewusst ist: Niklas bringt alles mit. Nicht nur das Talent und die Größe, sondern den Kopf und die Persönlichkeit. Er ist sehr klar in seinen Vorstellungen, das zeigt sich alleine darin, dass er exakt weiß, dass für ihn das College nach dem Abitur nicht in Frage kommt und er lieber in Frankfurt Profi-Erfahrungen sammelt. Er wird bei den Skyliners ideal gefördert, lernt extrem viel von Danilo Barthel und Johannes Voigtmann und kann sich parallel auf das Abitur vorbereiten. Wenn das geschafft ist, kann es ab 2016 richtig losgehen.
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SPOX: Spätestens nach Kiels Teilnahme am Basketball without Borders Camp in New York mit den 40 besten Nachwuchsspielern der Welt, das im Zuge des NBA-All-Star-Games stattfand: Wie viele NBA-Scouts rufen wegen ihm an?
Okulaja: Das gehört dazu. In New York hat er gezeigt, wie komplett er ist: Scoring, Rebounding, Dribbling, Passing, Defense, Alley-oops. Andererseits ist es gerade sekundär, wie viele Scouts ihn mögen oder nicht. Es geht nicht nur darum, die Jungs global zu positionieren. Wir möchten, dass sie für sich selbst den internationalen Quervergleich ziehen können. Im NBBL-Halbfinale 24 Punkte und 22 Rebounds aufzulegen, ist das eine. Aber zu sehen, dass es auf der Welt Gleichaltrige oder Jüngere gibt, die mindestens das Gleiche beherrschen, bringt einem den letzten Kick Extramotivation, um es nach ganz oben zu schaffen.
SPOX: Etwas weiter ist bereits Bayerns Paul Zipser, der sich sogar auf die Early Draft Liste setzen ließ. Wie ist Ihre Meinung zum 21-Jährigen?
Okulaja: Er scharrt mit den Hufen, und das völlig berechtigt. Ich habe während des Euroleague-Final-Fours in Madrid mit Maccabi Tel Avivs Sportdirektor zusammengesessen und über ihn gesprochen, wie er in der vergangenen Euroleague-Saison gegen sie in 7 Minuten 7 Punkte erzielt hat. Direkt danach die 14 Punkte in 25 Minuten in Krasnodar. Seitdem kam nichts mehr und die Frage, die wir uns stellen: Warum? Ich persönlich glaube, dass Paul auch dieses Jahr solche Auftritte hätte haben können. Er ist definitiv eines der Toptalente in Europa.
SPOX: Dennoch erstaunte die Draft-Anmeldung angesichts der geringen Spielzeit bei den Bayern.
Okulaja: Ich wäre es vielleicht etwas anders herangegangen. Paul ist ein super Spieler, der jedoch über eine längere Zeit gesund bleiben und bekannter sein muss, um als Draft-Pick in Frage zu kommen. Zwei Highlights in der Euroleague vom Jahr davor reichen nicht, dafür gibt es weltweit einfach zu viele heiße Talente, die mehr im Fokus der Scouts stehen.
SPOX: Bayerns Coach Svetislav Pesic kritisierte zuletzt die Arbeitseinstellung der deutschen Spieler und bezeichnete sie als "bequem". Wie sehen Sie das?
Okulaja: Man kann es nicht verallgemeinern, das sieht man an Dennis. Wobei ich über die Jahre gelernt habe, dass immer ein Funken Wahrheit dabei ist, wenn sich der Alte meldet. Mal weniger, mal mehr. Sveti ist schon so lange dabei und er sieht nicht nur Fehlentwicklungen, er spürt sie. Von daher: Ja, ich unterschreibe, was er sagt. Darum müssen wir alle, die im deutschen Basketball tätig sind, alles daran setzen, die Jungs zu pushen und sie hungrig zu halten. Wenn jemand zu einem großen Klub wechselt, reicht es nicht aus, das Emblem auf der Brust zu tragen.
SPOX: Bei den Bayern wird es wohl einen mittelgroßen Umbruch geben, unter anderem stehen mit Robin Benzing und Lucca Staiger zwei deutsche Nationalspieler zur Disposition. Wenn die beiden bei Ihnen anrufen würden, was würden Sie raten?
Okulaja: Ich weiß nicht, ob sie mich anrufen würden, daher stellt sich die Frage eigentlich nicht. Generell wird es schwer, man muss sich den Bayern-Kader nur anschauen: Die Bayern haben Paul Zipser, dazu besitzt nach Anton Gavel auch Nihad Djedovic einen deutschen Pass. Daher sind drei wichtige Positionen für Deutsche bereits vergeben. Zumal Robin und Lucca keine Talente mehr sind, sondern verglichen mit der neuen Generation in einem fortgeschrittenen Alter. Aber wenn man einmal für die Bayern gespielt hat, findet man immer einen neuen Klub und bekommt einen guten Job.
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