Niklas Kiel ist eines der größten deutschen Basketball-Talente. Zuletzt glänzte der 17-Jährige bei einem Nachwuchscamp am Rande des NBA-All-Star-Games in New York und wurde sogar ins All-World-Team gewählt. Im SPOX-Interview spricht der Power Forward der FRAPORT Skyliners über seinen möglichen Weg in die NBA, seinen Handshake mit Shaquille O'Neal und Michael-Jordan-Storys. Außerdem erklärt er, woran Dennis Schröder schuld ist.
SPOX: Niklas, im Februar hattest Du die Ehre, beim Basketball Without Borders (BWB) Global Camp eingeladen gewesen zu sein, das erstmals im Rahmen des NBA All-Star Weekends in New York durchgeführt wurde. Insgesamt 39 Nachwuchstalente aus aller Welt waren dabei. Wie hast Du die Tage in New York erlebt?
Niklas Kiel: Ich habe in den drei Camp-Tagen so viel erlebt, dass ich gar nicht alles aufsaugen konnte. Ich hatte mir vorgenommen, alles ganz bewusst zu erleben und mitzunehmen, aber es war so viel. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll zu erzählen. Ich habe zum Beispiel Legenden getroffen wie Ron Harper, der über seine Zeit mit Michael Jordan erzählt hat.
SPOX: Da muss ich natürlich sofort einhaken: Welche MJ-Storys hatte Harper so auf Lager?
Kiel: Es war echt interessant. Er erzählte, wie er damals dachte, dass er schon extrem hart arbeiten würde. Bis er Jordan traf. Er hatte noch nie so einen Typen gesehen. Jordan war wirklich jeden Tag morgens der Erste in der Halle und der Letzte, der gegangen ist. Wenn man mal selbst versucht, das nachzumachen, merkt man erst, wie krass das ist. Das war schon irre zu hören. Und er hat Witze gemacht über seine fünf Championship-Ringe, wie er sie jeden Tag wechselt. (lacht) Es war ein besonderes Gefühl, wenn so eine Persönlichkeit plötzlich vor dir steht.
SPOX: Harper war aber nicht der Einzige, den Du getroffen hast...
Kiel: Am coolsten war Shaq. Ich durfte Shaq die Hand geben. Oder besser gesagt: Meine Hand ist in seiner Hand versunken. Ich habe jetzt mit keinem wirklich gesprochen, aber alleine in die Nähe von Steph Curry und Co. zu kommen, war schon klasse.
SPOX: Es waren auch aktive NBA-Profis beim Camp vor Ort, unter anderem Danilo Gallinari. Wie war Gallo so drauf?
Niklas KielKiel: Gallinari zu treffen, war für mich auch speziell, weil er ein Art Vorbild für mich ist und ich mich so ein bisschen als ähnlichen Spielertyp sehe. Gallo war extrem cool drauf. Vom Auftreten her ist er ein total lockerer und netter Typ. Dazu hatte er auch sehr viel Interessantes zu berichten, auch weil sein Weg ähnlich war wie der Weg, den ich gerne gehen will. Er hat mit 17 seinen ersten Profivertrag unterschrieben, er ist auch in Europa geblieben statt aufs College zu gehen - und er hat trotzdem den Sprung in die NBA geschafft. Seine Message war: Du musst dich hocharbeiten, es ist kein leichter Weg, aber es ist auf jeden Fall möglich. Das war cool für mich zu hören als Europäer.
SPOX: Ihr wurdet beim Camp von NBA-Coaches trainiert, so waren Kaleb Canales aus dem Staff von Rick Carlisle bei den Dallas Mavericks oder David Vanterpool da. Letzterer ist Assistant bei den Portland Trail Blazers und hat selbst früher in Europa gespielt und trainiert. Wie sah das Training aus?
Kiel: Wir haben sehr viel Individualtraining gemacht. Es ist schon aufregend, wenn ein NBA-Coach mit dir ganz persönlich an deinem Spiel arbeitet, das war auf jeden Fall eine tolle Erfahrung. Ich habe einige gute Tipps bekommen, die mir sicher weiterhelfen werden. Das Individualtraining war für mich auch das Highlight der Tage in New York. Außerdem war es für mich wichtig, mich mit Spielern aus der ganzen Welt zu messen und zu sehen, wo ich stehe. Jetzt weiß ich, dass ich mich vor niemandem groß verstecken muss. Ich habe sehr viel dazugelernt und bin, was den Kopf und die Mentalität angeht, stärker nach Deutschland zurückgekommen. Ich sehe jetzt klarer, wie mein Weg nach Amerika aussehen könnte.
SPOX: Mit welcher Einstellung bist Du überhaupt ins Camp reingegangen?
Kiel: Am Anfang habe ich mir das erstmal vorsichtig angeschaut und beobachtet, wer da alles so herumläuft. Aber dann ging es relativ schnell, dass ich versucht habe, mein Ding durchzuziehen und zu zeigen, wer ich bin. Es ging jetzt nicht unbedingt darum, 10 Assists oder so aufzulegen, aber ich wollte mich natürlich zeigen. Das ist mir ganz gut gelungen, sonst wäre ich wohl nicht ins All World Team des Camps gewählt worden. (lacht) Ich bin ganz zufrieden, wie es gelaufen ist. Ich hätte selbst nicht erwartet, dass ich schon auf dem Level bin. Jetzt weiß ich, dass ich mehr als mithalten kann, das war sehr aufschlussreich für mich.
SPOX: Der NBA-Draft ist für dich zwar noch ein ganzes Stück weit entfernt, aber Du hast ihn im Blick, oder?
Kiel: Auf jeden Fall. 2016: Abitur. 2019: Draft. Das sind die beiden Daten, die ich im Hinterkopf habe. Es sind zwar noch ferne Daten, aber wenn ich dann in NY Dennis Schröder und den Greek Freak Giannis Antetokounmpo spielen sehe, dann hat es bei mir schon gekribbelt. Es ist ein langer Weg, das weiß ich, aber es ist möglich.
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SPOX: Wir waren vorhin bei Gallinari, jetzt hast Du den Greek Freak angesprochen, gehört er auch zu deinen Vorbildern?
Kiel: Ich habe nicht einen speziellen Spieler als Vorbild, ich picke mir von ein paar Jungs das Beste raus. Gallinari, der Greek Freak oder Kevin Durant sind alle große Spieler, die sich gut bewegen können und vielseitig sind, das gefällt mir. Ich sehe mich selbst als Typ Point Forward. Als großer Spieler, der aber vielseitig und flexibel ist. Ich will kein eindimensionaler Spieler sein, ich kann von allem ein bisschen was. Von draußen werfen, den Ball nach vorne bringen, passen, ich sehe mich als Allrounder. Ich bewundere als Deutscher aber natürlich auch Dirk Nowitzki und ich bewundere den Weg, den Dennis Schröder gegangen ist.
SPOX: Schröder ist eben nicht den Weg übers College gegangen, sondern kam direkt von der BBL in die NBA. Stand ein Wechsel ans College nie zur Debatte?
Kiel: Doch, klar. Ich habe viel übers College nachgedacht, aber mich dann dagegen entschieden. Ich schiebe das Dennis in die Schuhe. (lacht) Früher herrschte der Glauben vor, dass du nur übers College in die NBA kommst. Das hat sich geändert und Dennis hat gezeigt, wie es auch gehen kann. Ich möchte auch lieber den deutschen Weg gehen.
SPOX: Jetzt bist Du im vergangenen Jahr von Paderborn nach Frankfurt gewechselt und spielst aktuell für die FRAPORT Skyliners Juniors in der Pro B, durftest aber auch schon ein paar Minuten BBL-Luft schnuppern. Fühlst Du dich wohl in Frankfurt?
Kiel: Am Anfang war es ehrlich gesagt nicht ganz leicht für mich, vor allem in der Schule hatte ich zu kämpfen. Ich war von den Lerninhalten nicht auf dem gleichen Level und musste einiges aufholen. Was Basketball angeht, musste ich mich auch erstmal in der Pro B zurechtfinden und lernen, im BBL-Training dagegenzuhalten. Inzwischen klappt es aber immer besser. Es läuft gut, ich fühle mich richtig angekommen in Frankfurt. Die Voraussetzungen sind auch super für mich. Dadurch, dass ich noch keine eigene Wohnung habe, muss ich mich noch nicht um kochen, waschen, putzen kümmern, ich kann mich voll auf Basketball und die Schule konzentrieren. (lacht)
SPOX: Du hast gesagt, Abitur 2016 ist das nächste Ziel. Wie sehr hat dich das Karriereende von Jakob Merz beeinflusst?
Kiel: Es sagt sich ja leicht, dass die Schule wichtig ist und man einen Plan B haben muss. Aber ich bin ganz ehrlich: Ich habe das nicht so richtig wahrgenommen. Aber als ich jetzt hautnah miterlebt habe, wie Jakob mit 17 wegen eines Knorpelschadens seine Karriere beenden musste und wie schnell alles vorbei sein kann, hat es klick gemacht. Ich will die Schule unbedingt so gut es geht zu Ende machen und das Abi in der Tasche haben, danach kann ich dann so richtig durchstarten.
SPOX: Du legst in der Pro B inzwischen ziemlich konstanz gute Zahlen auf, in den letzten sechs Spielen sind es im Schnitt 15,6 Punkte und 6,7 Rebounds. Was sind die nächsten Ziele?
Kiel: Man kann es sich so vorstellen: Hier ist das Büro von Head Coach Gordon Herbert und Co-Trainer Klaus Perwas. Ich trainiere jeden Tag vor ihnen und mein Ziel ist es, so schnell es geht in die BBL zu kommen. Darauf arbeite ich jeden Tag hin. Ich versuche, jeden Tag besser zu werden, mich in der Pro B durchzusetzen, dort zum Führungsspieler zu werden und mich von Spiel zu Spiel zu steigern.
SPOX: Du machst einen sehr reifen und klaren Eindruck für einen 17-Jährigen. Woher kommt das?
Kiel: Das ist eine gute Frage. Es ist schwer zu sagen, aber mir war auf jeden Fall relativ früh klar, dass ich Profi werden möchte. Ich bin durch meine Mutter erst zum Schwimmen gekommen, aber als mich mein Dad dann zum Basketball brachte, war mir schnell klar, dass ich keine Kacheln mehr zählen möchte. Dieses Ziel mit dem Namen Basketball-Profi verliere ich nicht aus den Augen und lasse mich da auch nicht ablenken. Ich weiß, wo ich mal hin will. Es ist jetzt nicht so, dass ich morgens nach dem Aufwachen sofort nur Basketball im Kopf habe, das wäre ein bisschen einseitig. Aber als ich einen Tag vor dem Abflug nach New York aufgewacht bin, war ich extrem aufgeregt und habe mich schon gefragt, was ich hier eigentlich mache. Aber dann denke ich an 2019 und weiß sofort, wofür ich das alles investiere, nämlich für meinen Weg. Da brauche ich dann nicht mehr viel drüber nachzudenken.
SPOX: Letzte Frage: Bist Du durch den Umzug nach Frankfurt jetzt eigentlich Eintracht-Fan geworden?
Kiel: (lacht) Ich will jetzt nichts Falsches sagen. Mein Herz schlägt eigentlich schon immer für den HSV. Da läuft es bekanntermaßen momentan nicht so prickelnd, aber ich bin ja kein Erfolgsfan. Ich verfolge vor allem, was beim HSV los ist.
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Niklas Kiel im Steckbrief