Besser als die Lakers, Mavs und Co.: Die Gründe für den überraschenden Grizzlies-Erfolg

Robert Arndt
20. Dezember 202110:00
Die Memphis Grizzlies müssen bereits seit Wochen auf Franchise-Star Ja Morant verzichten.getty
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Die Memphis Grizzlies sind im Westen das Team der Stunde, auch ohne den verletzten Superstar Ja Morant. Was sind die Gründe dafür und wie solide ist das Fundament für den Erfolg? Wir blicken auf die Säulen der Siegesserie.

Wir müssen uns noch ein wenig daran gewöhnen, aber der Westen ist in dieser Saison nicht das, was er über die vergangenen mindestens 20 Jahre war - nämlich ein absolutes Blutbad. Stattdessen gibt es drei Spitzenteams (Warriors, Suns, Jazz), viermal Keller (OKC, Pelicans, Rockets, Spurs) sowie jede Menge Mittelmaß - und die Memphis Grizzlies.

Das Team aus Tennessee hat sich die Schwächen, Probleme und Verletzungssorgen der höher eingeschätzten Lakers, Nuggets, Mavs, Blazers oder Clippers zunutze gemacht. Memphis ist inzwischen Vierter im Westen und hat sich bereits einen Vorsprung von drei Spielen auf die Verfolger herausgespielt (Bilanz: 19-11). Im Schatten der Warriors und Suns sind die Grizzlies sogar das heißeste Team der Liga und das obwohl Franchise-Star Ja Morant seit einem knappen Monat fehlt.

Zehn der zwölf Partien haben die Grizzlies jetzt ohne den Point Guard für sich entschieden, nur gegen die Dallas Mavericks und die Portland Trail Blazers musste man sich geschlagen geben. Wie kann das sein? Wir blicken auf vier Eckpfeiler des Erfolgs.

Memphis Grizzlies: Erst Letzter, nun beste Defense der NBA

Zu allererst muss hier die neu gefundene Defensiv-Stärke erwähnt werden. Seit dem Morant-Ausfall beträgt das Defensiv-Rating der Grizzlies gerade einmal 98,1, das ist der mit Abstand beste Wert in der NBA in diesem Zeitraum. Mit Morant stellte Memphis dagegen die schlechteste Defense, 116 zugelassene Zähler pro 100 Ballbesitze waren fast vier Punkte schlechter als der Vorletzte.

Nun wäre die einfache Schlussfolgerung, dass Morant das "Problem" war. Und in der Tat ist der Nr.2-Pick von 2019 einer der schwächeren Verteidiger auf seiner Position, auch wenn ihm der Einsatz nicht abzusprechen ist. Beim genaueren Blick auf die Zahlen ergibt sich jedoch ein etwas anderes Bild und verfestigt die gute, alte Floskel von der "Make-or-Miss-League".

Memphis Grizzlies: Vor und nach der Morant-Verletzung

/BilanzO-RatingD-Rating
Mit Morant9-10109,0 (11.)115,9 (30.)
Ohne Morant10-2114,6 (6.)98,1 (1.)

Das Wurfbild, welches die Grizzlies seit der Morant-Verletzung dem Gegner erlauben, hat sich nur wenig verändert. Das Team von Coach Taylor Jenkins erlaubt wenig Dreier aus der Ecke, ansonsten befinden sich die Grizzlies in so ziemlich allen Kategorien im Liga-Durchschnitt. Während des Laufs lassen die Grizzlies den einen oder anderen Wurf weniger am Korb zu, doch dies erklärt nicht, warum das Team erst auf Kings-Niveau des Vorjahres agierte und nun Gegner reihenweise unter 100 Punkten hält.

Nur Denver spielte bisher weniger Partien mit Clutch-Momenten, deswegen benutzen wir für eine weitere Erklärung die Zahlen von Cleaning the Glass, welche Stats aus der Garbage Time herausfiltert. Hier zeichnet sich ein recht deutliches Bild. In den Partien mit Morant trafen Gegner der Grizzlies unheimliche 42 Prozent ihrer Triples (fast 50 Prozent aus der Ecke), ohne Morant sind es plötzlich nur noch 32,7 Prozent (bzw. 31,5 Prozent Eckendreier).

Auch die Qualität der zugelassenen Würfe ist beinahe unverändert, nur trafen Gegner mit Morant vier Prozentpunkte besser als erwartet, nun vier Prozentpunkte schlechter. So dürften sich die Grizzlies wieder da einpendeln, wo sie auch die vergangenen Jahre waren, im oberen Mittelfeld der NBA.

Memphis Grizzlies: Die Rückkehr von Dillon Brooks

Unabhängig von den Zahlen kann man den defensiven Aufschwung der Grizzlies aber an einer anderen Personalie festmachen. Dillon Brooks verpasste 13 der ersten 17 Saisonspiele und ist neben Morant der Leitwolf des Teams, nicht nur weil der bald 26-Jährige das letzte Überbleibsel der Conley-Gasol-Ära ist.

Brooks hat sich über die Jahre einen Namen als unangenehmer Gegenspieler gemacht, jedes Matchup nimmt er persönlich und reißt sein Team mit. Die Playoff-Serie gegen Utah war Brooks' Coming-Out-Party auf der großen Bühne, in Memphis wissen sie ohnehin seit Jahren, was sie am Shooting Guard haben.

Dillon Brooks ist der Leitwolf der Memphis Grizzlies.getty

"Er gibt den Ton an", weiß Coach Jenkins, doch Brooks, einst ein Zweitrundenpick, hat sich nun Jahr für Jahr gesteigert. "Dillon ist das perfekte Beispiel für einen Spieler, der weiß, wo er sich verbessern muss", lobte Jenkins nach dem Sieg in Sacramento am Freitag. "Er weiß, dass er sein Playmaking verbessern muss und er tut es. Scoring und Defense waren seine Hauptaufgaben, aber das Playmaking ist die Kirsche auf der Torte."

Scoring hieß bei Brooks auch oft ballern. Der Swingman kennt keine schlechten Würfe, seine Rolle in der Offense war oft ein wenig groß für die unterdurchschnittlichen Quoten. Das sind sie weiterhin und doch ist es bisher Brooks' effizienteste Spielzeit, auch weil er weniger aus der Mitteldistanz abdrückt und vermehrt den Abschluss am Ring sucht.

Gleiches trifft übrigens auch auf Flügel-Kollege Desmond Bane zu, welchen wir vor einigen Wochen bereits auf Herz und Nieren überprüft haben. Dieses Duo und ein Big Man, auf welchen wir gleich zu sprechen kommen, sind das Rückgrat der Morant-losen Grizzlies.

Memphis Grizzlies: Jaren Jackson Jr. taut auf

"Du bist der 100-Millionen-Dollar-Mann. Dich brauchen wir jeden Abend." Das war die Nachricht von Brooks an Jaren Jackson Jr., der im Sommer seinen Vertrag in Memphis vorzeitig um vier Jahre für insgesamt 104,7 Millionen Dollar verlängerte. Noch immer birgt dies ein gewisses Risiko, schließlich absolvierte JJJ in keiner seiner ersten drei Jahre mehr als 58 Saisonspiele.

Bisher blieb der Big Man von Verletzungen verschont, allerdings gab es in den ersten Wochen einiges an Kritik am 22-Jährigen aufgrund dessen schwachen Vorstellungen. Jackson machte zunächst nicht den nächsten Entwicklungsschritt, war nicht etwa die zweite Option eines aufstrebenden Teams, sondern eher einer von Vielen. Seit dem Morant-Ausfall hat aber auch er, wie von Brooks gefordert, mehr Verantwortung übernommen.

JJJ geht wieder vermehrt dorthin, wo es weh tut, zuletzt machte er dies in seiner Rookie-Saison an der Seite von Marc Gasol. Zwar bleibt der Wurf eine Stärke, aber Jackson Jr. kann auch als Roll Man zum Korb ziehen, vor allem sein kleiner Hakenwurf mit der linken Hand ist eine Waffe, die er in den vergangenen Jahren zu selten zeigte.

Vier seiner fünf Spiele mit mindestens 25 Zählern kamen nach der Morant-Verletzung, die Grizzlies sind auf seine Produktion angewiesen und bisher nutzte der Big Man seine größer werdende Rolle. Dabei agiert Jackson Jr. wieder mehr als Power Forward, hier verbringt er zwei Drittel seiner Minuten, in den Jahren zuvor spielte JJJ mehr als Center.

Das ist mit Bigs wie Steven Adams oder Xavier Tillman auch dem Roster geschuldet, doch Jackson Jr. bleibt für die Fünf zu schwach im Kampf um den Rebound und foult weiter zu häufig. Aber: Im Zusammenspiel mit Brandon Clarke haben die Grizz ein Net-Rating von +16, das gilt es weiter zu beobachten.

Memphis Grizzlies: Eins der tiefsten Teams der NBA

Wirklich groß ist die Stichprobe allerdings noch nicht, was auch daran liegt, dass die Grizzlies weiter eins der tiefsten Teams der Liga stellen. Gleich zwölf Akteure sehen mindestens 15 Minuten pro Spiel, lediglich bei Nr.10-Pick Ziaire Williams darf man für den Moment an der NBA-Tauglichkeit zweifeln.

Auch das ist einer der Gründe, warum der Morant-Ausfall bisher so gut verkraftet wurde. Tyus Jones und De'Anthony Melton liefern 48 Minuten solides Point-Guard-Play, dazu gibt es mit Kyle Anderson oder Bane weitere Ballhandler, welche die Offense am Laufen halten.

Gerade in der Regular Season ist das ein Faustpfand und wird gerne unterschätzt. Es hilft, wenn eine Rotation ausschließlich aus Spielern besteht, die soliden Basketball spielen und dabei wenig Fehler machen. "Next man up" ist in Memphis keine Floskel, das stellte auch Lakers-Coach Frank Vogel nach der Niederlage seines Teams im Grindhouse fest.

"Coach Jenkins leistet hervorragende Arbeit und bringt seine Spieler dazu, auf dem höchsten Level zu performen", sagte Vogel. "Sie sind kein gewöhnliches NBA-Team. Sie sind so anders, weil man nie weiß, wie sie attackieren werden." Und genau das trifft den Nagel auf den Kopf, sechs Spieler erzielen im Schnitt mindestens 10 Zähler seit dem Morant-Ausfall.

In Zeiten von Corona und zahlreichen Ausfällen ist dies ein weiteres Plus für Memphis. Auf lange Sicht wird sich das ändern, die Grizzlies werden nicht alle ihre jungen Spieler bezahlen können, unter anderem war das auch ein Grund für den Trade von Grayson Allen nach Milwaukee. Doch die Grizzlies haben auch ohne den Shooter genug Alternativen, früher oder später könnte dies das Fundament für einen möglichen Star-Trade werden.

Womöglich geschieht dies nicht in dieser Saison, aber langfristig scheint ein 3-zu-1-Trade, um prominente Unterstützung für Morant und JJJ zu holen, Memphis' Weg zu einem Contender zu sein. Diese Spielzeit kommt dafür noch zu früh, doch wie schon in den vergangenen beiden Jahren übertreffen die Grizzlies die Erwartungen und stellen trotz verschiedener Verletzungen ein potenzielles Playoff-Team. Das ist nicht selbstverständlich und unterstreicht die gute Arbeit, die am Mississippi seit den Trades von Gasol und Conley geleistet wird.