NBA Draft - Zion Williamson soll die New Orleans Pelicans retten: Der Beginn einer neuen Ära

Philipp Jakob
28. November 201914:51
Zion Williamson wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im NBA Draft als Nr.1-Pick über die Ladentheke gehen.getty
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Mit dem ersten Pick im NBA Draft 2019 haben die New Orleans Pelicans ein neues Zeitalter im Big Easy eingeleitet. Von Zion Williamson wird nichts Geringeres als die Rettung einer gesamten Franchise erwartet.

"Herzlichen Glückwunsch an New Orleans für den Gewinn des ersten Picks in der NBA Draft Lottery 2019!"

Ein kräftiges, mit tiefer Stimme ausgerufenes "Fuck Yeah!" schallte durch den kleinen Raum eines Hotels in Chicago und unterbrach die Glückwünsche von Kiki VanDeWeghe, dem Executive Vice President of Basketball Operations der NBA. Die Freude von Alvin Gentry war offenkundig - und verständlich.

Trotz einer nur sechsprozentigen Chance auf den Nr.1-Pick hielten es die Basketball-Götter an jenem 14. Mai 2019 mit den New Orleans Pelicans: Der Hauptpreis der alljährlichen Talentziehung, das goldene Ticket ging ins basketballtechnisch zuletzt so gebeutelte Big Easy.

Ein paar Stunden später, als die frohe Kunde auch offiziell im Fernsehen bekanntgegeben wurde, explodierte einige hundert Kilometer weiter südlich ein Büro im Front Office der Pelicans. Die dort versammelten Angestellten konnten ihr Glück genauso wenig fassen wie ihr Head Coach zuvor. Denn: Ein Lotteriegewinn kann ein Leben verändern. Oder wie in diesem Fall die Zukunft einer Franchise.

Pelicans-Tickets gefragt wie nie

Bei den Pelicans dauerte es nicht lange, bis die ersten Auswirkungen dieses Glücks zu spüren waren. In den Stunden, nachdem die Franchise den ersten Pick zugesprochen bekam, glühten die Telefone im Ticket Office.

In kürzester Zeit hatten die Pels etwa 2000 Dauerkarten für die kommende Saison an den Mann gebracht, doppelt so viele wie noch in einem vergleichbaren Zeitraum im Jahr 2012, als NOLA das letzte Mal den ersten Pick bekam.

Damals schnappten sich die Pelicans einen gewissen Anthony Davis, der die Franchise auf Jahre hinaus prägte. Nun wird ein weiterer Big Man im Big Easy das Kommando übernehmen: Zion Williamson.

Ernüchternde Saison 2018/19 für die Pelicans

Im Vergleich zur Situation von vor sieben Jahren, als die Braue nach Louisiana kam, ist der Hype um Williamson nochmal bedeutend größer. Dabei galt AD damals als das beste Talent seit LeBron James, er wurde als künftiger Franchise-Star gehandelt, der neue Hoffnungsträger nach der Chris-Paul-Ära.

Auf Williamson kommt eine ganz ähnliche Bürde zu. Der erhoffte Erfolg mit Davis blieb bekanntermaßen aus, die Pelicans haben ein ernüchterndes Jahr hinter sich, das von der Trade-Forderung ihres eigenen Superstars Mitte der Saison torpediert wurde.

Es war allerdings nicht allein der fehlende sportliche Erfolg oder die Saga um AD, die die Franchise zu einem Scherbenhaufen hat werden lassen. Nach dem Tod von Tom Benson im März 2018 übernahm dessen Frau Gayle die Rolle der Teambesitzerin.

Es machte jedoch nie wirklich den Eindruck, als könne sich die Basketball-Franchise aus dem Schatten der großen New Orleans Saints aus der NFL befreien - weder in der Gunst der Besitzerin (die Saints gehören ebenfalls der Benson-Familie) noch in der Gunst der Stadt.

Zion Williamson: Der Retter der Pelicans?

Nachdem klar war, dass in Person von Davis einer der besten Spieler der Association das Team verlassen will, um woanders sein Glück zu suchen, wurde bereits über das Ende vom NBA-Basketball in New Orleans, einem der kleinsten Märkte des Landes, spekuliert. Davon ist seit dem 14. Mai 2019 nicht mehr viel zu hören.

Davis folgte auf den abwanderungswilligen CP3. Zion folgt nun auf den abwanderungswilligen Davis. Die Erwartungen sind ähnlich hoch wie damals im Fall der Braue: Es wird nichts Geringeres als die Rettung einer Franchise von ihm verlangt.

"Er ist ein ganz und gar einzigartiges Talent und wir haben das Gefühl, dass wir ein einzigartiges Team aufbauen können", kündigte David Griffin, seit April der neue starke Mann im Front Office der Pels, nach der Draft Lottery selbstbewusst an. "Das ist ein unglaublicher Segen für unsere Organisation."

Zion Williamson: Die dunkende Highlight-Maschine

Dieser Segen kommt in Person eines 2,08 Meter großen und 129 Kilogramm schweren Hünen nach New Orleans, im Gepäck die Auszeichnung als Naismith College Player of the Year (zu dem er einstimmig votiert wurde) und ein wahrlich unfassbares Talentpaket.

Zion ist 18 Jahre jung und ein Athletik-Freak, wie er im Buche steht. Er ist ein Instagram-Star mit etwa 3,3 Millionen Followern und eine lebende Highlight-Maschine. Schon zu High-School-Zeiten in Spartanburg, South Carolina, etablierte sich Williamson als ein verlässlicher Zulieferer für die Clips von House of Highlights oder anderen Social-Media-Kanälen, die sich auf spektakuläre Slams spezialisiert haben.

Zion Williamson ist mehr als nur ein Athletik-Freak

Es wäre allerdings ein Fehler, Williamson allein auf seine athletischen Fähigkeiten zu reduzieren, auch wenn diese ihm wohl in erster Linie den Hype beschert haben. "Die Highlight-Videos haben all die Berühmtheit und die Auszeichnungen gebracht", erkannte Zion selbst gegenüber USA Today im Sommer 2018. "Aber meine harte Arbeit hat zu all den Highlight-Videos geführt. Das ist der Teil, den viele Leute vergessen."

Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass es Zion am unbedingten Willen, an Kampfgeist und der Bereitschaft, sich in der Halle zu quälen, definitiv nicht mangelt. Nachdem er sich gegen North Carolina am Knie verletzt hatte, rieten einige Experten, er solle die Saison vorzeitig beenden und sich für die NBA schonen.

Doch der Big Man kehrte kurz vor der March Madness aufs Parkett zurück, um seinen Duke Blue Devils zum Titel zu verhelfen. Das misslang zwar, im Elite Eight war gegen Michigan State Schluss, doch Zion erarbeitete sich durch die Aktion eine Menge an Respekt in Basketball-Kreisen. Noch mehr Respekt, muss man sagen.

Denn mit seinen Auftritten am College hat er sich auch in rein sportlicher Hinsicht ein starkes Portfolio aufgebaut. In 33 Spielen (inklusive ACC-Turnier und March Madness) legte Williamson im Schnitt 22,6 Punkte, 8,9 Rebounds, 2,1 Assists, 2,1 Steals sowie 1,8 Blocks auf.

Seine Quote von Downtown (33,8 Prozent) war die beste unter allen Duke-Startern, innerhalb der Dreierlinie versenkte er 74,7 Prozent seiner 11 Versuche pro Partie - ein überragender Wert, zumal das Spacing der Blue Devils eigentlich katastrophal war!

Dabei ist Zion weit mehr als ein dunkender Athletik-Freak. Trotz der Power bewegt sich der Big Man für seine Körpermaße relativ grazil über das Parkett, er strahlt als Ballhandler beispielsweise im Pick'n'Roll Gefahr aus, ist ein hervorragender Passer und besitzt einen hohen Basketball-IQ.

Schon vor seiner ersten Saison am College nannte Duke-Coach Mike Krzyzewski seinen neuesten Schützling einen "einzigartigen Basketball-Spieler und den besten Athleten, den ich bei Duke coachen durfte".

Gut vier Monate und einige spektakuläre Auftritte des Top-Rekruten später musste Coach K im Januar 2019 zugeben, dass Zion noch besser ist, als er selbst erwartet hatte: "Waren Sie schon mal in Las Vegas und haben eine Show vom Cirque du Soleil gesehen? Er sollte da mit dabei sein."

Die Statistiken von Zion Williamson für Duke

SpieleMinutenPunkteReboundsAssistsBlocksFG%3FG%
3330,022,68,92,11,868,033,8

Pelicans gewinnen das Rennen um Zion

Natürlich muss man auch bei Zion erst einmal abwarten, wie er sich bei den Profis schlägt. Ob er an seinen (wenigen) Schwächen wie dem Wurf arbeitet. Ob er die immensen Erwartungen an seine Person auch nur in Ansätzen erfüllen kann. Gleichzeitig waren sich die Experten und Insider in einem Prospect seit langem nicht mehr so sicher wie in Zion. Seit 2012 um genau zu sein, als Anthony Davis in die Liga kam. Davor war es wohl LeBron James 2003.

Nicht umsonst schmissen mit den Knicks, Suns, Cavaliers und Bulls mindestens vier Teams mutwillig die Saison 2018/19 weg, um sich die besten Chancen auf Zion Williamson zu "erarbeiten". Die Tanking-Götter spielten nicht mit, die Pels bekamen bekanntermaßen den ersten Pick in der Draft Lottery und die Fans der Knickerbockers brachen in Trauer aus.

Nun wird Zion seine ersten NBA-Schritte also in Louisiana tätigen, bei einer Franchise, deren Umbruch er um ein Vielfaches beschleunigen wird. Hilfreich in dieser Hinsicht war sicherlich auch der Blockbuster-Deal um Davis kurz nach dem Ende der Finals. Die Braue wanderte nach L.A., im Gegenzug bekam New Orleans Lonzo Ball, Brandon Ingram, Josh Hart sowie drei zukünftige Erstrundenpicks.

Zion und Lonzo: Lob City 2.0 in New Orleans?

Es war ein beeindruckendes Paket, das Griffin für den auslaufenden Vertrag von Davis bekam, darunter befand sich auch der vierte Pick der Lakers im kommenden Draft. Die Pelicans haben nun einige Optionen, das Team weiter zu verstärken, sei es mit einem weiteren jungen Talent zusätzlich zu Williamson oder mit einem weiteren Trade. Die Gerüchteküche brodelte in den Tagen vor dem Draft aufs Heftigste.

Doch egal, was mit dem vierten Pick auch passiert, das Team verspricht bereits in der aktuellen Konstruktion eine spaßige Saison. Das System von Coach Gentry sollte Zion liegen. In den vier Jahren, in denen der ehemalige Assistent der Warriors und der Seven-Seconds-or-Less-Suns bei den Pels die Zügel bisher in den Händen hielt, landete NOLA jeweils in der Top 10 in Sachen Pace. In den vergangenen beiden Saisons sogar auf den Plätzen eins und zwei.

Hohes Tempo mit Lonzo Ball und Zion Williamson als ständige Lob-Präsenz? Das klingt vielversprechend. Dazu könnte der ehemalige Lakers-Guard gemeinsam mit Jrue Holiday einen der besten Defensiv-Backcourts der Liga bilden.

Ingram zeigte in der Vergangenheit zudem immer wieder Ansätze eines künftigen Stars. Hinter seiner Konstanz und seit Ende der vergangenen Saison nach seiner Venenthrombose im rechten Arm auch hinter seiner Gesundheit stehen allerdings Fragezeichen. Dennoch könnte in New Orleans schon bald eine schlagkräftige Truppe auf dem Parkett stehen - mit Zion als neuem Star und Gesicht der Franchise.

New Orleans Pelicans: Mit Zion in ein neues Zeitalter

Der ehemalige General Manager Dell Demps traf beim teils überhasteten Versuch, einen Titelanwärter um Davis aufzubauen, zahlreiche fragwürdige Entscheidungen (Stichwort Omer Asik, Solomon Hill). Griffin genießt einen deutlich besseren Ruf als Entscheidungsträger, dem nun etliche Optionen offenstehen.

Die Pelicans gehen mit Cap Space von circa 33 Mio. Dollar in die Offseason. Auf dem Free Agent Markt sollte vor allem nach mehr Shooting Ausschau gehalten werden. Das vermisste Zion bereits in Durham und auch im Big Easy sieht es nach aktuellem Stand nicht gerade rosig aus. Gerade am Draft-Abend kann aber natürlich noch viel passieren.

Der wichtigste Move der Pelicans im Rahmen des NBA Drafts steht jedoch bereits fest: Am späten Donnerstagabend Ortszeit wird Commissioner Adam Silver auf die Bühne im Barclays Center treten und ein neues Basketball-Zeitalter in New Orleans ankündigen.

Nach dem Davis-Debakel liegen alle Hoffnungen der Franchise auf Zions kräftigen Schultern. Er soll die Franchise retten, er soll die Spekulationen um einen möglichen Umzug der Pels ein für alle Mal beenden. Die Begeisterung in der Football-Stadt New Orleans für das Basketball-Team der Pelicans hielt sich bisher immer in Grenzen. Zion soll auch das ändern. Er könnte dazu tatsächlich in der Lage sein.