Die Cleveland Cavaliers haben auch Spiel 2 der Finals verloren - unter anderem, weil LeBron James an seine Grenzen stieß. Auch er braucht endlich Unterstützung der Spieler, die nicht Kevin Love heißen.
Einer gegen alle, LeBron gegen den Rest der Welt, Ein-Mann-Armee gegen Super-Kollektiv - so in etwa lautete der Tenor der Vorberichterstattung zu den Finals 2018. Die meisten Experten waren sich einig: Ohne eine Super-Dominanz von LeBron James werden die Cavaliers gegen die Warriors keine Chancen haben - weil der Supporting Cast des Kings vermutlich der schwächste ist, den er jemals bis in die Endspiele getragen hat.
Ein Zwischenfazit nach zwei Spielen muss nun lauten: Diese Aussage hat sich als richtig herausgestellt. Mehr noch: Die Cavs liegen trotz zweier überragender Spiele von James mit 0:2 hinten. 40 Punkte, 10,5 Assists und 8,5 Rebounds legt die Nummer 23 im Schnitt auf - ohne Ertrag.
Das Problem: LeBron kann sich nicht mehr steigern (ja, auch er kann irgendwann so etwas wie Müdigkeit empfinden). Das verdeutlichen zwei Sequenzen aus Spiel 2 in der Oracle Arena.
Cleveland Cavaliers: LeBron James' Mitspieler patzen
Nummer 1: James wird bei einem Pick-and-Roll an der Birne gedoppelt. Er schafft es, das Double-Team zu splitten und in die Zone zu kommen, wo sich insgesamt drei Verteidiger auf ihn stürzen. Ein Abschluss ist selbst für ihn so nicht möglich. Natürlich findet er den zwangsweise freien Mitspieler: Kevin Love in der Ecke. Der Ball fliegt perfekt zu ihm, der Dreier fliegt - auf den Ring. Direkt im Gegenzug trifft Stephen Curry einen seiner neun Triples - statt 39:44 aus Cavs-Sicht steht es 36:47. Obwohl LeBron einen perfekten Angriff initiiert hat.
Nummer 2: Kurz vor Ende des dritten Viertels zieht LeBron zum Korb. Er springt ab, doch die Helpside ist da. Aus einem scheinbar unmöglichen Winkel heraus spielt James einen tollen Pass auf den Flügel zu Jeff Green, der wiederum einen Extra-Pass auf den in der Ecke postierten Smith auspackt - Airball. Das Drama geht weiter: Larry Nance holt den Offensiv-Rebound, wird gefoult und vergibt beide Freebies. Die Cavs schaffen es nicht, auf 5 Punkte zu verkürzen, auf der anderen Seite fällt prompt ein Dreier rein. Obwohl LeBron einen perfekten Angriff initiiert hat.
Die bittere und erwartbare Erkenntnis in solchen Fällen ist die, dass das individuelle Talent abseits von LeBron (und Kevin Love, er ist bis dato die zweite Konstante, auch wenn er nur 25 Prozent aus der Distanz trifft) nicht ausreicht.
Smith, Green, Korver - Cleveland mit Wurfproblemen
Smith steht in der Serie bei 5/19 aus dem Feld, sein unverzeihlicher Fehler aus Spiel 1 schwebt über allem. Dafür wurde er von Warriors-Fans nun mit MVP-Sprechchören "belohnt". "Schrecklich" sei die passende Beschreibung für das, was er bis jetzt geleistet hat - sagte er höchstpersönlich.
Bei Jordan Clarkson läuft es nicht besser. Er wirft viel und trifft wenig. 3/13 ist seine Ausbeute, den Ball passen entspricht offenbar nicht seinem Weltbild. Seit Game 4 gegen die Raptors hat er bis Game 2 der Finals keinen Assist gespielt (bei 52 Würfen!).
Auch Jeff Green - gegen die Boston Celtics als Love-Ersatz noch als Held gefeiert - hat Shooting-Probleme (5/16). In Spiel 1 war er immerhin noch ein guter Verteidiger gegen Kevin Durant, davon war in Spiel 2 aber nichts mehr zu sehen. "Er könnte etwas energischer sein, aggressiver", sparte Coach Tyronn Lue auf der Pressekonferenz nicht mit Kritik. Dies dürfte Green in seiner Karriere nicht zum ersten Mal gehört haben.
Ein weiteres Beispiel ist Kyle Korver. In den bisherigen Serien war er ein (offensiver) X-Faktor Clevelands, bis jetzt geht bei ihm gar nichts. In insgesamt 33 Minuten steht er bei 4 Punkten und 1/4 von Downtown - allerdings auch, weil die Warriors ihm seine Stärken wegnehmen und lieber auf eine Helpside verzichten, als ihn frei stehen zu lassen.
"Jedes Play, das wir für ihn laufen, switchen sie", erkannte auch Lue. "Deshalb bekommt er seine Würfe nicht. Das ist hart, denn er wird nicht viele Leute aus dem Dribbling heraus schlagen."
Cavaliers vermasseln Start in die Partie
Korver ist nicht das einzige Opfer der Warriors-Strategie abseits des Balles. Zwar erhöhten sie den Druck auf LeBron, doch Double-Teams und aggressive Hedges im Pick-and-Roll blieben die Ausnahme, frei nach dem Motto: Lasst ihn ruhig machen und limitiert den Rest.
Sicherlich gibt es trotzdem hin und wieder offene Dreier (siehe oben) - Fakt ist aber auch, dass 22 von 27 Cavs-Dreiern in Spiel 2 'contested', also eng verteidigt waren. So erklärt sich dann auch die schwache Quote von 33 Prozent.
Somit bleibt die nicht allzu überraschende, zweite Erkenntnis, dass die Cavaliers den Warriors mit anderen Tugenden beikommen müssen: harte Defense, Physis, Rebounding. Das klappte zum Start der Partie allerdings überhaupt nicht. Die Dubs begannen mit 7 erfolgreichen Würfen in Folge, 6 davon waren unbedrängte Layups oder Dunks in der Zone.
"Wir haben das Spiel nicht so angefangen, wie wir es hätten tun müssen", moserte deshalb Lue. "Wir waren nicht physisch genug, weshalb sie direkt davonziehen konnten."
Was für die Cavs spricht: Sie bewiesen Moral, verkürzten den Rückstand immer wieder, gaben sich bis zur Garbage Time nicht auf. Besonders überraschend war das im dritten Viertel, das traditionell die Warriors nutzen, um davonziehen. Diesmal ging es mit 34:31 an die Cavs: "Da war ich sehr stolz auf die Jungs, auf die Art und Weise, wie sie dagegengehalten haben. Darauf können wir aufbauen."
Cavaliers bauen gegen die Warriors auf die Heimstärke
Worauf das Team auch bauen kann, ist die eigene Heimstärke. Seit der Niederlage zum Playoff-Auftakt gegen die Pacers haben die Cavs in der Quicken Loans Arena kein Spiel mehr verloren, besonders ihre Dreierquote ist vor eigenem Publikum eine ganz andere Hausnummer (37,7 Prozent gegenüber 27,8).
Allerdings war auch kein Ost-Gegner nicht einmal annähernd so stark wie die Dubs, weshalb es eine Mammut-Aufgabe sein wird, die Serie daheim auszugleichen. Den Glauben daran verliert der Vize-Champion sicherlich nicht, was wiederum viel mit LeBron James zu tun hat.
Angesprochen auf die Frage, ob er es müde sei, ständig als Underdog und gegen die Wahrscheinlichkeit zu spielen, erwiderte er: "Das ist doch schon so, seit ich fünf oder sechs Jahre alt bin." Und bis jetzt sei es ja trotzdem ganz gut gelaufen.
Deshalb gilt: "Ich werde so lange fokussiert sein, so lange mein Bestes geben und so lange meinen Mitspielern vertrauen, bis der letzte Buzzer der Saison erklingt. Das ist mein Job, das ist meine Verantwortung und Pflicht - und der werde ich nachkommen."
Es sieht allerdings so aus, als würde dies im Jahre 2018 nicht reichen - denn auch seine Dominanz kann in einem Spiel, das Fünf-gegen-Fünf ausgetragen wird, alleine nicht reichen.