"Finals 2014? Es ging um Rache!"

Ole Frerks
09. Oktober 201709:21
Marco Belinelli holte 2014 den Titel mit den Spurs gegen LeBron James und die Heatgetty
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Marco Belinelli wurde im Sommer von den Charlotte Hornets zu den Atlanta Hawks getradet und tritt damit nun bereits für sein achtes NBA-Team an. SPOX sprach mit dem Italiener über den ständigen Wechsel, seinen neuen Mitspieler Dennis Schröder und "Summertime" mit den San Antonio Spurs.

SPOX: Herr Belinelli, Sie wurden im Sommer von Charlotte zu den Hawks getradet. Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie davon erfahren haben?

Marco Belinelli: Für mich wird das nächste Jahr sehr wichtig, weil ich danach Free Agent werde. Deswegen war mir auch klar, dass ich diesen Wechsel als Chance begreifen kann, mein Potenzial noch einmal voll abzurufen. Deswegen habe ich schon vor der EM mit Krafttraining begonnen und gehe topfit in die Saison. Ich hoffe, dass ich in Atlanta eine gute Rolle spielen kann.

SPOX: Wissen Sie denn schon, wie Ihre Rolle dort aussehen wird?

Belinelli: Ich weiß nicht über meine Minuten oder so etwas Bescheid, aber ich habe mich im Sommer natürlich schon etwas mit Coach [Mike Budenholzer] ausgetauscht, telefonisch und dann auch während der EuroBasket, als er ja in Tel Aviv vorbeigeschaut hat. Grundsätzlich bin ich dort natürlich einer der Veteranen in einem jungen Team, deswegen soll ich ein bisschen meiner Erfahrung weitergeben. Natürlich soll ich aber auch selbst spielerisch etwas beitragen und dem Team dabei helfen, ein paar Spiele zu gewinnen.

Marco Belinelli holte 2014 den Titel mit den Spurs gegen LeBron James und die Heatgetty

SPOX: Wie gut kennen Sie Dennis Schröder schon, mit dem Sie wohl auch gemeinsam auf dem Court stehen werden? In Tel Aviv waren Sie ja im gleichen Teamhotel.

Belinelli: Das stimmt, aber da hatten wir nicht wirklich Zeit, weil beide Teams eben andere Schedules hatten. Wir haben uns natürlich Hallo gesagt, aber viel mehr noch nicht. In Atlanta haben wir noch jede Menge Zeit, um uns kennenzulernen. Aber ich weiß, was er draufhat. Er ist unheimlich schnell und ein guter Scorer. Ich hoffe, dass ich mit meinem Shooting ein bisschen Platz für seine Drives schaffen kann.

SPOX: Sie haben in zehn NBA-Jahren bereits für sieben verschiedene Teams gespielt, die Hawks sind nun das achte. Gewöhnt man sich da irgendwann dran, so oft das Team zu wechseln, oder ist das immer noch schwierig?

Belinelli: Mittlerweile nicht mehr, ich kenne es ja mittlerweile ganz gut. Man macht sich dann nicht mehr die Sorgen, die man früher vielleicht hatte, ob man sich zurechtfindet und so weiter. Es ergibt für mich auch keinen Sinn, mich über Trades oder so etwas aufzuregen; ich tue ja, was ich liebe. Ich spiele Basketball und verdiene gutes Geld damit. Deswegen habe ich gelernt, mit den Wechseln umzugehen und einfach das Beste daraus zu machen.

SPOX: Budenholzer ist eine Art Ziehsohn von Gregg Popovich, für den Sie ja ebenfalls gespielt haben. Ist das vielleicht ein Vorteil bei der Eingliederung?

Belinelli: Das wäre natürlich schön. Ich kenne Budenholzer selber ja noch nicht so lange, aber ich weiß, wie viel Zeit er mit Pop verbracht hat und wie eng sie miteinander sind. Auch ich betrachte Popovich als Freund, obwohl ich ja nur zwei Jahre die Gelegenheit hatte, für ihn zu spielen. Es wäre großartig, eine solche Beziehung auch zu Budenholzer aufzubauen.

SPOX: Können Sie ein wenig beschreiben, was Popovich so besonders macht?

Belinelli: Dass er das Spiel versteht wie kaum ein Zweiter, ist ja offensichtlich, ich glaube, das hat mittlerweile jeder mitbekommen. Aber es ist seine Art, die ihn abhebt. Er gibt dir das Gefühl, dass du ein Teil seiner Familie bist, nicht nur ein Spieler, dem er Anweisungen gibt. Das heißt nicht, dass er immer nur nette Sachen sagt, aber er findet immer den richtigen Ton und gibt dir nie das Gefühl, du wärst dumm oder nicht auf seiner Höhe. Natürlich hat er auch einen sehr speziellen Humor.

SPOX: Waren die zwei Jahre bei den Spurs ihre bisher schönsten als Profi?

Belinelli: Ich verbinde definitiv großartige Erinnerungen mit dieser Zeit. Aber nicht nur mit dieser. Ich weiß noch, wie wir 2013 mit Chicago Spiel 7 der Playoff-Serie bei den Nets gewonnen haben, um Ihnen ein Beispiel zu geben. Aber natürlich war die Championship 2014 etwas ganz Besonderes. Das vergisst man nie wieder. Wenn ich mich jetzt auf eine Erinnerung festlegen müsste, wäre es daher diese.

SPOX: An die 2014er Finals erinnern sich wohl die meisten noch sehr gut. In den letzten Partien spielten die Spurs den vielleicht besten Basketball, den ich je gesehen habe.

Belinelli (nickt): Das ging mir auch so.

SPOX: Wann wussten Sie, dass Sie Teil von etwas Besonderem waren?

Belinelli: Das fing schon ganz früh an, eigentlich von Anfang an. Das war ein unglaubliches Team, eine tolle Organisation. Dort wird alles dafür getan, dass du dich auf Basketball konzentrieren und Spaß dabei haben kannst. Der Fokus von Pop liegt darauf, dass man auf und auch neben dem Court zu einem besseren Menschen wirst. Dadurch herrscht dort eine ganz besondere Atmosphäre.

SPOX: Der Großteil des Teams hatte außerdem ja die bittere Niederlage 2013 in den Knochen. Spielte das auch eine Rolle?

Belinelli: Auf jeden Fall. Es ging um Rache. (lacht) Diese Niederlage in Spiel 6 gegen Miami mit dem Dreier von Ray Allen hatte niemand vergessen. Die ganze Saison war deswegen darauf ausgerichtet, das zu korrigieren und Revanche zu nehmen. Wir haben von dem ersten Tag an darauf hingearbeitet, wieder in die Finals zu kommen und dort gegen Miami zu gewinnen. Wir wollten kein anderes Team dort sehen.

SPOX: Popovich nannte die letzten vier Spiele der Finals, als Sie quasi wie im Rausch perfekten Basketball spielten, später "Summertime". Glauben Sie, dass dies einmalig war, oder kann man einen solchen Lauf irgendwie reproduzieren?

Belinelli: Das war einmalig. Ich zumindest habe es noch nie gesehen, dass der Ball so bewegt wurde und dass jeder wirklich passen wollte. Alle haben sich in der Defense jederzeit geholfen, alle waren auf einer Linie. Wir haben das Ideal von Team-Basketball erreicht. Ich glaube, dass das aber auch die Situation bedingt war und deswegen nicht einfach zu wiederholen ist.

SPOX: Kawhi Leonard wurde damals Finals-MVP, trotzdem hätte niemand erwartet, dass er so eine Entwicklung hinlegen würde. Oder konnten Sie sein Potenzial damals schon sehen?

Belinelli: Nicht in der Offense. Defensiv war er damals ja schon unglaublich gut, aber er ist heute einer der komplettesten Offensiv-Spieler - das habe ich so auch nicht kommen sehen. Mich freut das total für ihn. Er hat sich das alles erarbeitet und verdient. Und er ist wirklich ein guter Typ, wenn man ihn ein bisschen kennt.

SPOX: Redet er dann etwa auch?

Belinelli: Nicht viel, aber es reicht schon. (lacht) Ich glaube, mittlerweile ist er etwas aufgetaut. Aber das ist einfach seine Art, so still zu sein. Kawhi interessiert sich für harte Arbeit und Basketball, mit viel mehr beschäftigt er sich nicht. Aber er ist dadurch auch nicht schwierig im Umgang oder so, im Gegenteil.

SPOX: Er folgt da ja gewissermaßen dem Vorbild von Tim Duncan. Was verbinden Sie mit dem Big Fundamental?

Belinelli: Vieles - Timmy ist ein Hall-of-Famer, ein Champion, ein Superstar, einer der besten, die je gespielt haben. Aber wenn ich ehrlich bin: Es gibt Momente, wenn ich auswärts unterwegs bin und alleine im Hotelzimmer sitze, da mache ich Youtube auf und gucke mir seine Verabschiedung bei den Spurs an. Das war unglaublich. Wie Timmy, Pop, Manu [Ginobili] und Tony [Parker] miteinander umgehen und diesen Support in San Antonio haben, ist etwas ganz Spezielles. Ich denke dann, was für ein Glück ich hatte, dass ich zumindest kurz ein Teil dieser Organisation war.

SPOX: Ginobili hat als 40-Jähriger im Sommer noch einmal für zwei Jahre verlängert. Hat Sie das überrascht?

Belinelli: Ein bisschen schon, vor allem die Laufzeit. Aber hey: Ich freue mich für ihn. Er hat so viel erreicht. Und es ist ja nicht so, dass er nichts mehr draufhätte - im Gegenteil. In den Playoffs haben wir ja alle gesehen, dass er immer noch ein echter Baller ist. Also darf er ruhig noch lange weiterspielen. Er ist ein Vorbild für alle internationalen Guards, die nach ihm kamen.