Finally the "G" stands for "Gets"

Max Marbeiter
15. Dezember 201403:08
Jimmy Butler (l.) ist derzeit Topscorer der Chicago Bullsgetty
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Binnen eines Sommers ist aus Jimmy Butler, dem Defense-Spezialisten, Jimmy Butler, Topscorer der Chicago Bulls, geworden. Der Shooting Guard hat eine unglaubliche Entwicklung genommen, stellt seine Bulls damit allerdings vor ein Problem.

SPOX

"Nennt ihn Jimmy Jordan, denn heute Abend sieht er aus wie Michael Jordan!" Es ist das größtmögliche Kompliment. Im Basketball allgemein, im Besonderen jedoch in Chicago. Ein Vergleich mit His Airness, dem größten Bullen aller Zeiten, an dessen Statue ein jeder vorbeizieht, der gen United Center pilgert. Stacey King hatte es dennoch ausgesprochen. Klar, der Bulls-Analyst ist nicht unbedingt für Understatement oder Zurückhaltung bekannt - erst recht nicht in für Chicago magischen Momenten.

Und einen solchen hatte er soeben nun mal miterlebt. Zwar spielten sich die Szenen der Ekstase noch in der Preseason ab, was angesprochener Jordan-Imitation ein wenig ihrer Magie beraubte, beeindruckend war das Erlebte dennoch. Schließlich hatte Jimmy Butler den Bulls soeben per Buzzerbeater-Dreier den Sieg beschert. Ganz nach dem Vorbild seines indirekten Vorgängers.

Soweit, so gut. Doch noch mal: Während Jordan auch gern einmal Final-Spiele mit der Schlusssirene entschied, gelang Butler selbiges Kunststück lediglich während eines belanglosen Vorbereitungsspiels gegen die Atlanta Hawks. Die Art und Weise, die Selbstverständlichkeit, mit der Chicagos Shooting Guard seinen Wurf loswurde und schlussendlich auch traf, lies jedoch zumindest erahnen, dass sich über den Sommer einiges geändert haben könnte.

"Erwartungen weit übertroffen"

Eigentlich ist Jimmy Butler III. nämlich eher für seine Kunststücke am hinteren Ende des Feldes bekannt, für Last-Second Steals gegen LeBron James, für knallharte Defense. Eiskalte Offense zählte bislang dagegen nicht zum Repertoire des Swingman. Entsprechend verblüfft wirkte Tom Thibodeau kürzlich, nachdem er gebeten worden war, Butlers in dieser Saison bislang erbrachte Leistungen zu beschreiben.

"Er hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen", erklärte der Bulls-Coach, im Gegensatz zu King ein Künstler des Understatements. "Dabei hatte ich nach allem, was ich im Sommer gehört und gesehen hatte, schon mit einer herausragenden Saison gerechnet. Nach einigen Gesprächen mit ihm, war ich zwar optimistisch, dass er sich weiter verbessert hatte, aber ich hätte nie gedacht, dass es so gut werden würde."

Was Thibodeau meint: Binnen eines Sommers hat Jimmy Butler seinem Ruf als unermüdlicher Arbeiter alle Ehre gemacht und sein Spiel damit auf ein neues Level gehoben. In seiner Heimat Texas feilte er an seinem Spiel. Pausenlos. "Viele Würfe" habe er genommen, sagt Butler, "drei Mal am Tag" trainiert. "Ich war in Houston und dort ist es sehr langweilig. Wir hatten nicht mal Kabelfernsehen im Haus. Deshalb sind wir in die Halle gegangen und dann auch dort geblieben."

Player of the Month

Der Zweier hat also viel investiert. So viel, dass seine Offense ganz plötzlich ein ausgleichendes Gegengewicht zur ohnehin starken Defense bildet. So viel, dass Butler die Bulls gemeinsam mit Pau Gasol zu Saisonbeginn durch all jene Spiele trug, die Derrick Rose aufgrund diverser Blessuren verpasste. So viel, dass er im November zum Eastern-Conference Player of the Month gewählt wurde. So viel, dass Jimmy G. Buckets mittlerweile Chicagos bester Scorer ist.

21 Punkte im Schnitt sind ligaweit derzeit sogar gut für Rang zwölf. Ganz im Gegensatz zu den 13,1, Zählern, die Butler vergangene Saison noch aufgelegt hatte. Endlich, möchte man sagen, steht das "G" tatsächlich für "gets". Mit einem Mal haben die Bulls in Butler wieder einen Shooting Guard in ihren Reihen, der auf unterschiedliche Arten scoren kann, dessen Offensivspiel deutlich an Vielseitigkeit und Sicherheit gewonnen hat.

Der Swingman attackiert, spielt nun auch vorne deutlich aggressiver als noch vergangene Saison. Den Jumper aus der Mitteldistanz nimmt er ohne zu zögern, hat seine Quoten so deutlich gesteigert (54,5 Prozent gegenüber 45,2 Prozent). Zudem scheint das Ballhandling zusehends mit Butlers massig vorhandener Athletik mithalten zu können. Zog er vergangene Saison noch lediglich drei Mal pro Spiel Richtung Korb, sind es mittlerweile 5,4 Mal, was die Bulls im Schnitt mit 6,6 Punkten profitieren lässt.

Carlisle ist beeindruckt

All diese Dinge passen ins klassische Anforderungsprofil eines Shooting Guards. Die 29,6 Prozent von jenseits der Dreierlinie sind für einen Zweier allerdings ein wenig dürftig. Was Butler einigen seiner Kollegen auf der Zwei dagegen voraushat, ist seine Physis. Chicagos Nummer 21 ist unglaublich kräftig, nutzte dies in der Vergangenheit bereits, um auch größere Gegenspieler wie LeBron effektiv zu verteidigen. Nun schiebt Butler seinerseits den einen oder anderen Gegenspieler unbarmherzig in Richtung Zone.

"Er stellt ein großes Problem im Post dar. Er stellt ein großes Problem in Isolation dar", weiß deshalb auch Mavs-Coach Rick Carlisle. "Es ist mit das physischste Matchup, das du unter Shooting Guards in dieser Liga finden wirst. Es gibt viele großartige Spieler auf der Zwei, geht es um brachiale Kraft, gibt es jedoch keinen wie ihn."

Und um dieser Kraft irgendwie Herr zu werden, hilft häufig nur das Foul. 8,3 Mal pro Spiel tritt Butler deshalb zum Freiwurf an, sammelt so insgesamt 31,4 Prozent seiner Punkte - nur unwesentlich weniger als der ungekrönte König des Charity Stripe, James Harden (32,4).

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Wie sein texanisches Pendant versteht es auch Butler bestens, sich den freiesten aller Würfe zu erarbeiten. Eine Finte hier, ein wenig Theatralik dort, ein Pfiff - und schon marschiert Mr. Buckets an die Linie. "Das wichtigste bei ihm ist, ihn von der Freiwurflinie fernzuhalten", erklärt deshalb Warriors-Coach Steve Kerr.

Wie schwierig sich diese Aufgabe gestaltet, musste unter anderem jedoch Nummer-1-Pick Andrew Wiggins feststellen. 2,9 Sekunden vor dem Ende der Partie gegen Chicago führten seine Wolves mit einem, Butler erhielt den Ball - ein Fake, Wiggins stieg hoch. Foul! Butler traf beide Freiwürfe, die Bulls gewannen. Natürlich lassen sich derlei Episoden gut und gern unter Rookie-Mistake abhaken, allerdings demonstrieren sie eben auch, dass Butler mittlerweile ein sehr gutes Gespür dafür entwickelt hat, mit welchen Bewegungen er seine Gegenspieler zum Foul verleiten kann.

Dass die Freiwürfe dann auch noch mit 80 prozentiger Sicherheit ihr Ziel finden, tut sein übriges. Dass Butler zudem starke 48,7 Prozent seiner Würfe aus dem Feld trifft, macht ihn schlussendlich zu einer ernstzunehmenden Bedrohung für jede Defense. Eigentlich schwer zu glauben, bedenkt man, dass vergangene Saison nicht einmal 40 Prozent (39,7) von Butlers Würfen auch ihren Weg durch die Reuse fanden.

"Muss für Energie sorgen"

"Deshalb mache ich mir keine Sorgen", hatte er allerdings bereits damals im Gespräch mit SPOX erklärt. "Irgendwann fällt der Wurf, man muss nur weitermachen und darf sich nicht frustrieren lassen. Im Grunde kann ich aber auch 0 von 30 werfen - so lange wir gewinnen, ist mir das nur Recht."

Noch glücklicher dürfte er allerdings sein, dass seine Bulls in dieser Saison häufig gerade dank seiner Auftritte ihre Spiele gewinnen. Immerhin hat Butler sein Player Efficiency Rating nicht nur deutlich gesteigert (von 13,57 auf 20,92), er ist somit auch der fünfteffektivste Shooting Guard der gesamten Liga. Butlers Offensive Rating, also jener Wert, der beschreibt, wie viele Punkte das Team eines Spielers in 100 Possessions macht, wenn selbiger auf dem Court steht, ist sogar leicht besser als jenes von Topscorer James Harden (106,4 gegenüber 105,3). SPOX

Die offensive Entwicklung ist beeindruckend. Eine Abkehr von Butlers Grundphilosophie bedeutet sie allerdings nicht. Primäraufgabe ist und bleibt die Defense. "Ich muss vorangehen. Mit einem Steal oder Block", sagte er nach Chicagos Sieg gegen Brooklyn, bei dem die Bulls-Defense - wenigstens zeitweise - wieder ähnlich gnadenlos daherkam wie in den vergangenen Jahren. "Speziell, wenn Noah ausfällt muss ich für die Energie sorgen."

Für Thibodeau unverzichtbar

Wie er das anstellt, bleibt manchmal jedoch schleierhaft. Schließlich darf sich Butler defensiv, trotz gestiegener Verantwortung in der Offense, weiterhin des besten Flügel-Scorers des Gegners annehmen. Gleichzeitig steht ligaweit niemand länger auf dem Feld als er (39,9 Minuten).

Es ist ganz einfach. Tom Thibodeau braucht Jimmy Butler. Der 25-Jährige passt mit seiner Einstellung, seinem Spiel, seinem Einsatz einfach perfekt ins System des Bulls-Coachs. Ohne herausragenden Wing-Defender, der das Ego zurückstellt, der Abend für Abend alles aus sich herausholt, sich aufopfert, ist Thibs' Philosophie nur schwerlich umzusetzen. Umgekehrt weiß Butler das Vertrauen und die Atmosphäre in Chicago zu schätzen.

Bulls vor Problemen?

Nur ist die Situation mittlerweile eben dann doch nicht mehr ganz so simpel. Denn nachdem er Ende Oktober ein Angebot der Bulls für einen Vierjahresvertrag über rund 40 Millionen Dollar ausschlug, wird Butler im Sommer Restricted Free Agent. Heißt: Sollte irgendein Team dem Swingman einen Maximalvertrag anbieten, müssten die Bulls mitgehen, um ihn zu halten.

Und derzeit deutet recht wenig darauf hin, dass sich Butler mit weniger als dem höchst möglichen Gehalt wird zufrieden geben müssen. Genügend Angebote für - mittlerweile - einen der besten Two-Way-Player der Liga, einen, der sowohl herausragend verteidigt als auch effektiv punktet, dürfte es mit Sicherheit geben.

Anders als in der Vergangenheit ist es aber mehr als unwahrscheinlich, dass die Bulls Butler einfach so ziehen lassen. Ein Abgang ihres Shooting Guards wäre schlicht nicht zu verschmerzen, geschweige denn zu kompensieren. Nur gut also, dass Butler bereits angedeutet hat, unbedingt in Chicago bleiben zu wollen.

"Das sind immer noch meine Jungs", erklärte er kurz nachdem die Deadline für eine vorzeitige Verlängerung seines Rookie-Vertrags verstrichen war. "Das ist das Team, bei dem ich spielen will. Das ist die Stadt, die ich repräsentieren will. Deshalb bin ich glücklich und werde es auch noch für lange Zeit sein."

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