NBA - Die Los Angeles Lakers nach der Verpflichtung von Carmelo Anthony: The Expendables

Ole Frerks
04. August 202110:49
Carmelo Anthony und LeBron James spielen beide seit 18 Jahren in der NBA - nun erstmals im gleichen Team.getty
Werbung

Die Los Angeles Lakers haben nach dem Trade für Russell Westbrook nicht viel Zeit verschwendet und ihren Kader größtenteils schon aufgefüllt. Mit Carmelo Anthony kam vor allem ein großer Name, die wichtigeren Personalien waren aber wohl andere. Wie steht der Meister von 2020 nun da?

Es wird nie langweilig mit den Lakers. In Los Angeles werden keine kleinen Brötchen gebacken. Das entspricht schlichtweg nicht dem Selbstverständnis.

Und das zeigt sich auch in der bisherigen Offseason. L.A. leitete diese mit dem Trade für Russell Westbrook ja ohnehin schon etwas früher ein, in den ersten beiden Tagen der Free Agency war dann ebenfalls kaum ein Team aktiver. Die Lakers haben es dabei nicht zuletzt mal wieder auf Namen und Erfahrung abgesehen.

Acht Neuzugänge haben die Lakers bereits "eingetütet", sechs davon haben schon mindestens neun NBA-Jahre auf dem Buckel. Nur vier Spieler aus dem Meisterteam von 2020 stehen aktuell noch im Kader, wobei Dwight Howard erst zurückgeholt wurde und Talen Horton-Tucker beim damaligen Playoff-Run noch kein fester Teil der Rotation war (insgesamt 17 Minuten Einsatzzeit). Es ist also fast alles anders.

Ist das Team, das im Vergleich zum Vorjahr in Howard, Carmelo Anthony und Westbrook drei künftige Hall-of-Famer hinzugewonnen hat, auch besser geworden? Oder ist es nur prominenter besetzt - und älter?

Lakers: Die Zugänge der Offseason

  • Russell Westbrook (Trade)
  • Kendrick Nunn (2 Jahre, 10 Mio. Dollar)
  • Malik Monk (Konditionen noch unbekannt)
  • Wayne Ellington (1 Jahr, Minimum)
  • Kent Bazemore (1 Jahr, Minimum)
  • Trevor Ariza (1 Jahr, Minimum)
  • Dwight Howard (1 Jahr, Minimum)
  • Vertragsverlängerung: Talen Horton-Tucker (3 Jahre, 32 Mio. Dollar)

Lakers: Die Abgänge der Offseason

  • Kyle Kuzma (Trade)
  • Montrezl Harrell (Trade)
  • Kentavious Caldwell-Pope (Trade)
  • Alex Caruso (Chicago)
  • Andre Drummond (Philadelphia)
  • Markieff Morris (Miami)
  • Ben McLemore (Portland)
  • Alfonzo McKinnie (entlassen)
  • Noch offen: Dennis Schröder, Wesley Matthews, Jared Dudley

Der dem Namen nach spannendste Free Agent dürfte Anthony sein. Nach mehreren Jahren der Gerüchte über eine "Kooperation" zwischen ihm und Kumpel LeBron ist es nun tatsächlich so weit, nachdem Anthony seinen ramponierten Ruf über die vergangenen beiden Saisons in Portland reparieren konnte.

Melo ist bei weitem nicht mehr der Superstar vergangener Tage, doch in Portland erfüllte er eine Rolle, zuletzt als Sixth Man. Anthony hat mit 37 Jahren noch immer einen exzellenten Wurf, vergangene Saison traf er knapp 40 Prozent seiner Catch-and-Shoot-Dreier. Damit erfüllt er einen Need bei einem zuletzt sehr schlechten Spacing-Team wie den Lakers.

Andere Facetten seines Spiels haben weit mehr gelitten - Anthony kam vergangene Saison kaum noch zum Ring, als Isolation-Scorer erzielte er zwar sehr gute 1,03 Punkte pro Play, allerdings bei limitiertem Volumen. Bei den Lakers dürfte er angesichts der Kollegen um ihn herum noch deutlich seltener isoliert werden, zumindest dann, wenn er mit LeBron und Anthony Davis gemeinsam auf dem Court steht.

Die Lakers können Carmelo Anthony beschützen

Gerade Davis dürfte für Melo wichtig werden - denn The Brow wäre die Art von Absicherung, die Anthony mittlerweile braucht. 20/21 stand er regelmäßig gemeinsam mit Portlands Backup-Center Enes Kanter gemeinsam auf dem Court und wurde in dieser Zeit bloßgestellt: In Melos Minuten sackte das ohnehin miese Defensiv-Rating der Blazers noch weiter herunter (115,8 gegnerische Punkte pro 100 Ballbesitze).

Anthony ist defensiv eher fußlahm und braucht (mindestens) einen guten Ringbeschützer hinter sich. Die Lakers können das bieten: Davis soll in dieser Spielzeit häufiger auf der Fünf spielen, dazu ist mit Howard der altbewährte Backup aus der Meistersaison zurück.

Mit dem ebenfalls langsamen Marc Gasol dürfte Melo nicht allzu oft gemeinsam auf dem Court stehen, aber wenn die Lakers ihn richtig einsetzen und seine Rolle sich im Wesentlichen auf die des Floor-Spacers beschränkt, kann er dem Team zumindest in der Regular Season durchaus weiterhelfen.

Die Lakers: Frischer Wind auf dem Flügel

Da die Lakers jedoch mit LeBron und Davis zwei Stars haben, die (viel) Zeit auf Melos mittlerweile einziger Position (Power Forward) verbringen dürften, ist seine Verpflichtung bei weitem nicht die wichtigste, auch wenn sie aufgrund der Banana-Boat-Verbindung sicherlich die größte Beachtung findet. Was auf dem Flügel passiert und passierte, dürfte für einen erneuten Titel-Run entscheidender werden.

Die Lakers haben hier insbesondere beim Abgang von Alex Caruso eine interessante Entscheidung getroffen, als dem defensivstarken Guard The Athletic zufolge gar kein Angebot unterbreitet wurde. Da Kentavious Caldwell-Pope bereits im Deal für Westbrook abgegeben wurde, sind die beiden wichtigsten "kleinen" Verteidiger der Vorsaison weg.

Die neuen Guards, die nun geholt wurden, sind fast allesamt eindeutig offensiv orientiert - Westbrook, Nunn, Ellington und Monk werten den Angriff der Lakers auf, wer von ihnen gegnerische Guards stoppen soll, ist aber unklar. Bazemore oder Ariza sind zumindest nominell Two-Way-Wings, gerade Ariza ist mittlerweile aber doch recht weit über seinen Zenit.

Lakers: Alter vs. Jugend

Immerhin wurde Youngster Horton-Tucker gehalten, der kommende Saison idealerweise eine deutlich größere Rolle einnehmen sollte. Seinen Wurf muss er zwar noch verbessern, aber es hat Gründe, dass die Lakers so große Stücke auf ihn halten. Er hat alle Anlagen, um defensiv ein sehr wichtiger Teil des Teams zu werden.

Er kann am ehesten die klaffende Lücke bei der Point-of-Attack-Defense füllen - wenn die Lakers nicht doch noch eine Einigung mit Dennis Schröder erzielen, und sei es nur für ein Jahr. Es spricht momentan allerdings nicht viel dafür, es ist generell sehr ruhig um den Braunschweiger geworden.

Generell sind die Lakers Stand jetzt ziemlich alt besetzt, was angesichts der Tatsache, dass sie fast nur mit Minimalverträgen ködern konnten, allerdings auch niemanden verwundern sollte. Und das Problem wurde am Dienstag teilweise angegangen, mit THT (20), Monk (23) und Nunn (26) gibt es nun zumindest etwas frisches Blut im Kader.

Monk und Nunn könnten sich als Glücksgriffe erweisen. Vor allem bei Nunn profitierten die Lakers von ihrem Standortvorteil: ESPN zufolge verzichtete der frühere Heat-Guard auf mehr Geld anderswo, um in L.A. einen Titel zu jagen. Dazu waren auch Otto Porter Jr. (Golden State) oder Patty Mills (Brooklyn) bereit, um nur zwei weitere Beispiele zu nennen.

Das aktuelle Depth Chart der Los Angeles Lakers

Point Guard (Alter)Shooting GuardSmall ForwardPower ForwardCenter
Russell Westbrook (32)Wayne Ellington (33)LeBron James (36)Anthony Davis (28)Marc Gasol (36)
Kendrick Nunn (26)Malik Monk (23)Kent Bazemore (32)Carmelo Anthony (37)Dwight Howard (35)
Talen Horton-Tucker (20) Trevor Ariza (36)

Los Angeles Lakers: Wie viel ist Balance wert?

Unterm Strich stehen die Lakers nun mit einem Kader da, dem in mehrerer Hinsicht die Balance fehlt: Das Spacing-Problem wurde angegangen, aber viele der besten Schützen sind defensiv angreifbar. Defensiv sind die Lakers in einer Disziplin (Rim-Protection) das beste Team von allen und in der anderen (Point of Attack) suspekt. Ein Großteil der besten Spieler befindet sich auf der falschen Seite der 30.

Und dennoch: Gemäß der Einschränkungen, die man sich mit dem Westbrook-Trade selbst auferlegt hat, haben die Lakers bisher eine vernünftige Free Agency hingelegt. Der Caruso-Abgang ist bitter und schwer verständlich, auch wenn die Lakers laut ESPN schon jetzt Luxussteuern in Höhe von 42 Mio. Dollar blechen müssen.

Die restlichen Transaktionen hatten jedoch Hand und Fuß. Fast alle Neuzugänge haben nun Einjahresverträge, das war 2020 jedoch ähnlich. Es werden nicht alle zwölf Spieler, die aktuell unter Vertrag sind, in den Playoffs eine Rolle spielen können, aber auch das liegt in der Natur der Sache.

Es sind selten Teams mit vielen jungen Spielern, die Titel holen, und nur darum geht es bei den Lakers. Frank Vogel hat auch in den vergangenen beiden Jahren gezeigt, was er aus nicht idealem Personal defensiv schnitzen kann. Und wer seinen Teil nicht abliefert, wird eben aussortiert - das würde trotz aller Freundschaft wohl auch für Melo gelten.