Die Memphis Grizzlies haben eine für ihre Verhältnisse turbulente Offseason hinter sich. Unruhen um Zach Randolph und Coach David Joerger, dazu die Verpflichtung von Vince Carter. Kann der 37-Jährige der statischen Offense nun neues Leben einhauchen? Und: Ist das Team reif für einen Championship-Run?
Ausgerechnet der "Oklahoman", die Hauszeitung der Thunder, adelte am Ende die Grizzlies. Nachdem Memphis erneut einen Sieg aus der Chesapeake Arena entführt hatte, titelte die Zeitung großspurig "Mr. Unreliable" - und bezog sich damit auf Kevin Durant.
Keine Frage, der amtierende MVP hatte auch in den ersten fünf Partien der Serie ordentlich gescort (28,0 Punkte), allerdings ließ seine Wurfquote zu Wünschen übrig.
Nur 39,5 Prozent aller Versuche landeten am Ende im Netz, Tony Allen und Co. machten gegen Durant einen starken Job. Die gefürchtete Grit-and-Grind-Defense hatte wieder zugeschlagen.
Doch dann passierte genau das, wovor Coach David Joerger vor der Erstrunden-Serie gewarnt hatte. Die Thunder spielten sich in den verbleibenden beiden Partien in einen Rausch, Kevin Durant agierte wieder wie von einem anderen Stern - unzuverlässig war dabei nur eines: die Offense der Grizzlies.
Keine Kreativität
Besonders die Suspendierung von Zach Randolph für Spiel sieben nach einem Schubser gegen Steven Adams zeigte deutlich, dass abgesehen von Marc Gasol, Randolph und mit Abstrichen Mike Conley kein Spieler zuverlässig scoren kann. Am Ende scheiterte Memphis vor allem an sich selbst, in der zweiten Hälfte von Spiel sieben punktete kein Grizzly zweistellig.
Daher war die Marschroute für die Offseason klar: Feuerkraft am gegnerischen Korb musste dringend verpflichtet werden, insbesondere auf Small Forward, wo Mike Miller und Tayshaun Prince nur 10,3 Punkte im Schnitt erzielten - zusammen wohlgemerkt!
Das Loch auf der Drei
Seit dem Trade von Rudy Gay fehlt in Tennessee ein verlässlicher Scorer auf der Drei, der von Downtown ordentlich einnetzt und auch ab und zu zum Korb ziehen kann. Die Hoffnung ruhen jetzt auf Vince Carter, der für drei Jahre und zwölf Millionen Dollar in Memphis unterschreibt - viel Geld für einen 37-Jährigen.
Air Canada soll die Offense von Joergers Team nicht komplett umkrempeln, sondern ihr neues Leben einhauchen. Auch in seinem hohen Alter kann Carter immer noch gefährlich zum Korb ziehen und gehört ligaweit zu den besseren Spielern im Pick-and-Roll. "Unser Plan ist es, ihm den Ball zu geben, damit er für sich und andere Würfe kreieren kann", erklärt Joerger.
Viel wichtiger für die Grizzlies: In den vergangenen beiden Spielzeiten kratzte der ehemalige Slam-Dunk-Champ jeweils an der 40-Prozent-Marke bei der Dreierquote. Sicherlich nicht überragend, in Memphis nimmt man solche Werte aber mit Kusshand.
Denn trotz Scharfschützen wie Mike Miller, der die Franchise nach einem Jahr in Richtung Cleveland verließ, gehörte man mit 35,3 Prozent getroffener Dreier nur zum unteren Mittelfeld der NBA. Noch verheerender wirkt dieser Wert wenn man bedenkt, dass die Grizzlies die wenigsten Versuche von Downtown pro Spiel treffen (4,9)!
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Dreierschützen dringend gesucht!
Dabei ist das Spiel der Grizzlies wie gemacht für sichere Dreierschützen. Sowohl Gasol als auch Randolph ziehen im Post fast immer einen zweiten Verteidiger auf sich, zwangsläufig ergeben sich so offene Würfe für sichere Schützen wie Carter. "Ich kann diesem Team helfen. Mit meinem Spielstil bringe ich etwas in die Mannschaft, dass sie in den vergangenen Jahren nicht hatten", weiß auch der 37-Jährige.
Neben Carter kommt mit Rookie Jordan Adams ein weiterer Spieler ins Team, der weiß, wo der Korb hängt. Adams besitzt zwar keine außerordentliche Athletik, gehört aber trotzdem zu den effizientesten Scorern der diesjährigen Draft Class. Der 20-Jährige verfügt über ein erstaunliches Arsenal an Moves direkt am Korb, trifft aber auch seinen Wurf recht sicher. 14,8 Punkte, 3,4 Rebounds und 2,2 Steals in der Summer League unterstreichen sein Potential.
Der letzte Neuzugang kommt ebenfalls über den Draft nach Memphis. Jarnell Stokes soll den Frontcourt aufpolstern. Der 20-Jährige ist mit 2,03 Metern etwas zu klein für die Vier, macht dies aber mit viel Einsatz und einem guten Riecher für Rebounds wieder wett. Mit 12,2 Punkten und 9,4 Rebounds im Schnitt kratzte er in der Summer League am Double-Double.
Das Besondere an Stokes: Er ist in Memphis geboren und fiebert seit seiner Kindheit mit der Franchise mit. Seine Teamkollegen am College gaben ihm daher auch den Spitznamen "The Bull of Beale Street". Die Beale Street gilt in Memphis als Heimat des Blues.
Calathes und Udrih bleiben
Die restlichen Offseason-Moves sind schnell aufgezählt. Beno Udrih wurde nach vielversprechenden Playoffs weiterverpflichtet und vertieft gemeinsam mit Nick Calathes, den die Franchise ebenfalls hielt, die Rotation auf Point Guard.
Neben Mike Miller verließen noch Ed Davis (Lakers) und James Johnson (Raptors) das Team. Die Abgänge sind zu verkraften, Stokes ist sicherlich ein Upgrade zu Johnson, Davis' Minuten werden sich wohl Jon Leuer, Stokes und Kosta Koufos untereinander aufteilen.
Viel wichtiger allerdings ist die Vertragsverlängerung von Zach Randolph. Trotz verschiedener Gerüchte um interne Querelen zog Z-Bo am Ende seine Player Option für die kommende Spielzeit und unterzeichnete einen neuen Vertrag, der ihn ab 2015 20 Millionen Dollar in zwei Jahren verdienen lässt.
Ein Paycut, der für die Verantwortlichen im kommenden Sommer noch wichtig werden könnte. Immerhin wird Randolphs Frontcourt-Partner Gasol dann Free Agent.
Joergers neue Offense
Bis dahin will David Joerger vor allem der statischen Offense neues Leben einhauchen. Sein System steht und fällt mit Gasol, der als passender Big Man aus dem Post heraus entweder die freien Schützen oder Randolph bedienen soll. Gasols Verletzung im letzten Jahr verhinderte, dass sich das Team rechtzeitig zu den Playoffs einspielen konnte.
Jetzt bekommt die Offense mit Carter eine neue Facette. Der 37-Jährige wird abgesehen von Mike Conley und Gasol den Ball wohl am häufigsten in den Händen halten. Dabei wird Carter entweder das Pick-and-Roll mit einem der beiden Big Men suchen oder per Drive-and-Kick auf einen freien Mitspieler ablegen.
Eine ähnliche Aufgabe kommt Jordan Adams zu, dessen Spielzeit in seiner ersten Saison allerdings noch nicht so üppig ausfallen dürfte. Der wiedergenesene Quincy Pondexter, der 2013 fast der einzige ernstzunehmende Schütze im Team war, dürfte sich derweil auf die offenen Würfe von Downtown beschränken.
Der große Vorteil der Grizzlies: Stehen Tony Allen, Gasol und Conley gemeinsam auf dem Feld, kann man mindestens einen "Defensiv-Legastheniker" im Lineup verkraften. Gut möglich also, dass man Adams oder Carter häufig neben Allen sehen wird. Der "Grindmaster" übernimmt in diesem Fall dann jeweils den gefährlicheren Akteur auf der Zwei oder Drei des Gegners.
Ein Contender?
Wohin führt also der Weg der Franchise? Im Sommer scheint man die entscheidenden Puzzlestücke gefunden zu haben, um auch endlich in der Offense die nötige Gefahr auszustrahlen. In den vergangenen beiden Postseasons lag genau hier das Problem, daher scheint man in diesem Jahr mehr als bereit für einen tiefen Playoff-Run.
Auf der Drei ist man so gut besetzt wie seit dem Trade von Rudy Gay nicht mehr, die Rookies zeigten zudem vielversprechende Ansätze.
Die anstehende Spielzeit wird wegweisend sein, schließlich muss man Gasol gute Argumente für einen Verbleib liefern. Im kommenden Sommer wäre aufgrund der auslaufenden Verträge von Prince und Koufos neben Gasol noch die Verpflichtung eines weiteren potentiellen Starters drin. Insgesamt rund 25 Millionen Dollar stehen der Franchise dann dank Randolphs Gehaltverzicht zur Verfügung.
More than just Defense!
Bis dahin wird David Joerger zeigen müssen, dass er aus seinem Team mehr machen kann als ein aufopferungsvoll kämpfendes Defensiv-Bollwerk. Dass der 40-Jährige überhaupt noch auf der Trainerbank sitzt, kommt einem Wunder gleich. Im Juni stand er kurz vor einem Wechsel zu den Timberwolves, schlussendlich entschied er sich aber doch für einen Verbleib in Memphis.
"Nach einem Gespräch mit Dave war ich überzeugt, dass er mit seinem Herzen in Memphis ist. Dave wird auf dem Fundament, dass wir in den vergangenen sieben Jahren errichtet haben, aufbauen und uns zum Erfolg führen. Wir beide wollen eine Championship nach Memphis holen", erklärte Besitzer Robert Pera.
Bei den Grizzlies haben sie gelernt, dass Defense allein nicht für einen Titel reicht. Viel mehr soll die neue Offense das entscheidende Puzzlestück für das erste Championship-Banner sein. Feuer frei!