Raus aus der Einbahnstraße

Oliver Mehring
10. Februar 201617:24
Die Gegenwart und die Zukunft der Knicks: Wohin steuern Anthony und Porzingis mit New York?getty
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Trotz starkem Saisonstart sind die Knicks erneut in der Abwärtsspirale gelandet. Als Konsequenz zog das Management um Guru Phil Jackson die Reißleine und entließ Coach Derek Fisher nach knapp eineinhalb Jahren. Kommunikationsprobleme, fehlendes Feuer und keine erkennbare Identität begleiteten die Saison. Was planen die Knicks für die kommende Spielzeit, wer wird der neue Coach, hilft ein Trade? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

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Welche Gründe gibt es für den Fisher-Rauswurf?

Der offensichtlichste aller Gründe: Misserfolg. Nach dem überraschend guten Saisonstart hat die Knicks-Saison deutlich an Schwung verloren. So kassierten die New Yorker in den letzten zehn Spielen gleich neun Niederlagen und ließen im Schnitt 105 Punkte pro Spiel zu. Der einzige Erfolg datierte zudem aus dem Aufeinandertreffen mit den massiv strauchelnden Suns. Dabei wurde Fisher wohl auch zum Verhängnis, dass der Beginn der neuen Spielzeit so erfolgsversprechend verlief und sich das Front Office nach wie vor Chancen für die Playoffs ausrechnete.

Noch entscheidender aber für Team-Präsident Phil Jackson ist die fehlende Entwicklung in den letzten zwei Jahren, nachdem Fisher bereits letzte Saison einen Freifahrschein bekam und die Saison mit einem Negativrekord von nur 17 Siegen aus 82 Spielen abschloss: "Wir mussten für Veränderungen sorgen und das Ruder wieder rumreißen." Dabei hob der Mentor, der Fisher 2014 zum Head Coach auserkoren hatte, im Nachhinein vor allem die fehlende Kommunikation mit seinem Protege hervor.

"Oftmals verliefen die Gespräche wie in einer Einbahnstraße. Auch weil wir viel über Mails kommuniziert haben - da stand Derek gleichzeitig auf dem Court. Vielleicht hätte ich noch präsenter vor Ort sein müssen", hinterfragt sich der Bulls- und Lakers-Meistermacher nun selbst. Insgeheim soll Jackson besonders mit dem Coaching-Stil seines Schützlings unzufrieden gewesen sein, der sich immer wieder vorwerfen lassen musste, dass sein Auftreten in der Öffentlichkeit zu passiv gewesen sein soll.

Genau diese Passivität soll Fisher auch in die Kabine übertragen haben, während er nie ein enges Verhältnis zu seinen Spielern aufbauen konnte. Gleichzeitig nahm er nur selten die Unterstützung in Anspruch, die ihm Jackson in Person zweier erfahrener Assistant Coaches zur Seite gestellt hatte, um die Triangle-Offense weiter zu implementieren - darunter auch Kurt Rambis, der nun vorerst die sportlichen Geschicke der Franchise leiten wird.

Dabei versuchte sich Fisher gleich zu Beginn seiner Amtszeit klar gegen Jackson zu positionieren und verkündete als Rookie-Coach: "Ich bin nicht seine Marionette." Drastische Worte, die bereits im Vorfeld verdeutlichten, wie sehr die Zusammenarbeit der zwei Basketball-Größen vorbelastet war.

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Werden die Knicks noch vor der Trade-Deadline aktiv?

Der Wille ist auf alle Fälle da: "Wir suchen nach Verbesserungen, daran gibt es keinen Zweifel. Wir haben ein paar gute Jungs, die Chemie stimmt - nur ein bisschen mehr Talent könnte nicht schaden. Wir schauen uns um!" Der einzige Spieler der wirklich als 'untradebar' gilt ist Kristaps Porzingis, das machte Jackson auch noch mal unmissverständlich klar: "Wir mögen Kris, jeder mag Kris. Es gibt wohl kaum jemanden, der ihn traden würde."

Dann wäre da noch die Personalie Carmelo Anthony. Da gab sich Jackson schon kryptischer: "Jeder weiß, dass er eine No-Trade-Klausel hat." Kein klares Statement 'Pro-Anthony', aber zumindest ESPN berichtet davon, dass Anthony gar nicht daran denkt, auf seine Klausel zu verzichten. Ohnehin wären einzig Teams aus Los Angeles oder Chicago für den Schwerverdiener interessant.

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Deshalb konzentriert sich für die Knicks vieles auf die weiter andauernde Suche nach einem Point Guard, der besser verteidigt als Jose Calderon, erfolgreicher punktet und sich schnell ins System einfügen kann. So ist Jeff Teague von den Hawks immer noch ein Thema, auch wenn der Spielmacher sein Tief inzwischen überwunden zu haben scheint und damit immer 'teurer' wird.

Das größte Probleme für die Knicks? "Wir sind nicht gerade in einer geschickten Verhandlungsposition. Wir haben nicht viele Trade-Items, die für andere Teams interessant sind." Darum erscheint auch eine Verpflichtung des wiedergenesenen Pistons-Guard Brandon Jennings als schwierig. Viel mehr baut die Franchise auf jene Teams, die ihre Saison vielleicht schon aufgegeben haben: "Wir sind für alles Diskussionen offen. Das müssen wir. Das ist die Dynamik dieser Liga."

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Wer ist Kurt Rambis?

Der Interimscoach ist vielen Lakers-Fans noch aus den 1980ern ein Begriff, als sich der Power Forward mit dickem Schnauzer und noch dickerer Hornbrille durch die NBA wühlte. Für die Showtime-Lakers verrichtete Rambis die Drecksarbeit und gilt dort heute noch als Publikumsliebling. Nach seiner Spielerkarriere war der heute 57-Jährige in unterschiedlichen Positionen für die Lakers tätig und feierte unter anderem als Assistent von Phil Jackson gleich drei NBA-Titel.

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Diese Erfolge qualifizierten Rambis zu einem Chefposten bei den Timberwolves, nachdem er bereits während der Lockout-Saison 1999 kurzzeitig die Geschicke von Purple-and-Gold in Hauptverantwortung leitete. In Minnesota litt der enge Freund von Phil Jackson aber unter dem Umbruch nach der Ära Garnett und geriet immer wieder mit dem damaligen General Manager David Kahn aneinander, dessen abenteuerliche Draftpicks bis heute für Kopfschütteln sorgen (Jonny Flynn statt Steph Curry; Wesley Johnson statt DeMarcus Cousins).

Trotz dieses traurigen Kapitels schätzt Jackson die Fähigkeiten seines langjährigen Wegbegleiters, der eine ähnliche Spielphilosophie wie der 'Zen Master' pflegt. Er gilt ebenfalls ein großer Verfechter der Triangle-Offense und legt großen Wert auf eine effektive Team-Defense. Jackson schätzt Rambis' Expertise und machte ihn nach der Verpflichtung von Fisher sogar zum bestbezahlten Assistent-Coach der NBA. Darüber hinaus gilt der Big-Men-Experte als einer der wichtigsten Faktoren für die rasante Entwicklung von Rookie Porzingis. Dennoch scheint Rambis vor allem eine Kurzzeitlösung zu sein.

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Wer sind die potentiellen Nachfolger?

Natürlich geistern wieder zahlreiche prominente Namen durch den Big Apple. Da wäre zum Beispiel Patrick Ewing, der seit Jahren bei den Knicks ein Thema ist und derzeit als Assistent bei den Hornets coacht. Trotz seiner Popularität steht der Center-Legende eine Name im Weg: Phil Jackson. Dem Knicks-Präsident wird nachgesagt, dass er nur mit ehemaligen und langjährigen Wegbegleitern zusammenarbeitet, um 'seine' Philosophie umsetzen zu können.

Zudem fehlt Ewing die Reputation als Chefcoach. Also verkleinert sich das Feld auf drei externe Kandidaten. Da wäre Luke Walton, den Jackson von den Lakers kennt und der sich im Herbst in der Abwesenheit von Steve Kerr einen Namen bei den Dubs gemacht hat. Nur wollen die Warriors ihren "Kerr-Backup" noch mindestens bis zum Saisonende behalten - und zweitens steht hinter der Arbeit von Walton ein gewisses Fragezeichen, da der Einfluss seiner Arbeit auf den Lauf der Warriors nicht gänzlich zu beurteilen ist.

Kandidat Nummer zwei: Brian Shaw, der letzte Saison bereits ein Thema war, aber keine Freigabe von den Nuggets bekam. Shaw wäre inzwischen frei und kennt als ehemalige Lakers-Spielermacher die Ideen von Jackson aus dem Effeff. Allerdings wird ihm in Denver nachgesagt, dass es ihm schwer fiel, ein Verhältnis zu seinen Spieler aufzubauen. Ein Kritikpunkt, der auch schon Fisher anhaftete.

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Schließlich wäre da noch Tom Thibodeau. Ihm fehlen zwar die engen Kontakte zu Jackson, doch seine Arbeit als Knicks-Assistent und seine erfolgreiche Arbeit bei den Bulls könnten die Parteien an den Verhandlungstisch bringen, wo dann noch über die Spielphilosophie des Teams gesprochen werden müsste.

Denn gerade darin liegt die Crux. Auch wenn Jackson erklärte, dass er in seinen Vorstellungen von erfolgreichem Basketball flexibel sei und er sich nicht ins Tagesgeschäft einmischen wolle, so hat der Trainer-Guru nach wie vor großen Einfluss auf den Stil des Teams und tut sich angeblich schwer damit, von dieser Denke abzurücken. So ist natürlich auch Interimstrainer Rambis als langfristige Lösung im Kandidatenpool, da dessen Ideen laut US-Medien am stärksten mit denen von Jackson übereinstimmen sollen und beide ein ausgezeichnetes Verhältnis pflegen.

Thibodeau soll derweil engen Vertrauten erklärt haben, notfalls auch zu Fuß zu seinem Traumjob nach New York zu reisen. Fortsetzung offen.

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Welche Ziele verfolgen die Knicks in dieser Saison noch?

Eines ist für die Knicks und insbesondere für Phil Jackson klar. Das Team braucht ein eindeutiges System, in dem es sich wohlfühlt: "Das ist sehr wichtig! Es muss ein System sein, mit dem wir vertraut sind. Das ist nicht das Wichtigste, aber es ist wichtig." Trotzdem ist immer noch nicht klar zu erkennen, wie viel Einfluss Jackson tatsächlich auf die sportlichen Entscheidungen nehmen will und wie sehr er auf der Triangle-Offense beharrt.

Der Präsident hielt sich gegenüber der Presse sehr bedeckt und wich den Fragen nach seiner Rolle immer wieder aus: "Es ist immer gut, wenn man ein gutes Verhältnis zum Coach hat, aber es ist nicht das Wichtigste. Aber ich muss ein Verhältnis zum Coach haben. So funktioniert ein Team. Die Kommunikation muss da sein."

Ansonsten hofft New York immer noch auf die Playoffs (4,5 Spiele Rückstand). Während sich Fisher von diesem Gedanken in den letzten Wochen verabschiedete, sieht Rambis im Osten noch eine realistische Chance unter die ersten Acht zu kommen ("Das muss ganz klar das Ziel sein, das sind wir den Fans und der Franchise schuldig"). Dabei stehen aber einige Fragezeichen im Raum: Wie groß sind Anthonys Knie-Probleme? Welchen Trade können die Knicks noch abwickeln und schlagen die neuen Namen auch ein?

Primär muss es darum gehen, eine klare Identität zu erarbeiten, das Ball-Movement zu verbessern und vor allem die Defense zu stärken - mitten in der Saison schwierige Unterfangen: "Wir müssen wieder geschlossener verteidigen und in der Offense...da muss der Ball besser durch die Reihen gehen. Wir haben definitiv die Leute, um zu scoren", erklärte Rambis bei seiner Vorstellung.

Die damit verbundene Stabilität ist auch deshalb so wichtig, da man in Manhattan bedingt durch die traditionelle Anziehungskraft der Weltmetropole jährlich mit einem Auge auf die Offseason schielt und spätestens im Jahr 2017 ein stabiles Gerüst braucht, um namhafte Spieler anzulocken (Free-Agents 2017 unter anderem: Westbrook, Griffin, Holiday, Antetokounmpo etc.).

Die Knicks im Überblick