Die erste Nacht der Regular Season ist absolviert, die Golden State Warriors und Milwaukee Bucks haben ihre ersten Siege gefeiert und in Brooklyn und Los Angeles ist es Zeit, den Panikknopf zu betätigen. Oder nicht? Vier Takeaways zur Opening Night!
1. Milwaukee Bucks: Jordan Nwora drängt in die Rotation
Die vier vermutlich besten Spieler der Welt sind im Einsatz, und wir starten mit Jordan Nwora? Ja, das tun wir. Beim Meister hat sich vom Kader und der Rollenverteilung her nicht wahnsinnig viel getan, also lohnt ein kurzer Blick auf einen Spieler, der das Team perspektivisch noch besser machen kann.
Nwora spielte als Rookie keine allzu große Rolle, in den Playoffs kam er nur auf fünf Kurzeinsätze für Milwaukee. Es dürfte mehr werden, nicht nur deshalb, weil momentan Donte DiVincenzo und Semi Ojeleye fehlen und die Bucks dadurch Bank-Minuten zu verschenken haben. Nwora hat sich diese auch von seiner Entwicklung her verdient.
Der 23-Jährige ist ein professioneller Scorer und vor allem Shooter, das war schon vergangene Saison ersichtlich, als er 45,2 Prozent von Downtown bei immerhin über zwei Versuchen pro Spiel versenkte. Unklar war eher, wie er defensiv standhalten würde und welche Rolle er in einem Team mit deutlich besseren Scorern haben sollte.
Die Beantwortung dieser Frage ist ein laufender Prozess, das zeigte auch das Spiel gegen die Nets, denen Nwora in der Preseason übrigens schon 30 Punkte einschenkte: Er neigt noch zum Tunnelblick, sucht mehr den eigenen Wurf als irgendetwas sonst, kann überdrehen. Aber er kann eben auch Würfe treffen. Und die Bucks haben die Möglichkeit, ihn, wenn die Stars mit auf dem Court stehen, ähnlich einzusetzen wie Bryn Forbes in der Vorsaison, mit Dribble-Handoffs oder Back-Screens.
Sitzen die Stars dann, kann Nwora auch mal den Ball bekommen und selbst etwas kreieren, ebenso aus Isolations. Gegen Brooklyn zeigte er beispielsweise einen anspruchsvollen Floater nach Drive gegen Nic Claxton, der das dritte Viertel beendete. Drei Dreier traf er ebenfalls. Insgesamt 15 Punkte standen am Ende für den Sophomore zu Buche.
Das große Highlight gab es indes am anderen Ende, wo Nwora den größten Fortschritt zeigte und überraschend gut zurecht kam (was ihm sicherlich mehr Bonuspunkte bei Mike Budenholzer einbrachte als die Punkte). Von der Help-Side kommend blockte er keinen Geringeren als Kevin Durant, als dieser zum Dunk angeflogen kam.
"Man, gleich wird's über mir einschlagen." - das dachte Nwora laut eigener Aussage, als er aushalf, aber er tat es eben trotzdem. Genau diese Einstellung wird es brauchen, um sich in einem Team mit Giannis & Co. festzuspielen. Die Anlagen hat Nwora, und gute, günstige Dreierschützen wie ihn (aktuell 2,4 Mio. Dollar) kann ohnehin jeder Contender gebrauchen.
2. Brooklyn Nets: Patty Mills ist der ideale Sixth Man
Für den Topfavoriten auf den Titel verlief das erste Saisonspiel enttäuschend, allerdings gab es dabei immerhin ein paar mildernde Umstände. Es war offenkundig, dass die Nets insbesondere im Frontcourt noch ihre Rotation und Rollenverteilung suchen. Die sehr große Starting Five mit Durant als Small Forward neben Griffin und Claxton funktionierte nicht, die anderen eingesetzten Bigs taten es ebenfalls nicht dauerhaft.
Es ist damit zu rechnen, dass Steve Nash mit der Zeit mehr auf kleinere Lineups setzt und hoffentlich auch Bruce Brown wieder entmottet, der in diesem Spiel erst in der Garbage Time zum Einsatz kam, obwohl er für jede Switching-Defense eine weitaus bessere Option ist als etwa LaMarcus Aldridge. Die Zeit wird es zeigen, Panik sollte in Brooklyn wegen dieser Partie zumindest niemand entwickeln.
Was hingegen jetzt schon klar ist: Patty Mills gibt den Nets etwas, das ihnen noch gefehlt hat. Abgesehen von der perfekten Bilanz von Downtown beim Debüt (7/7), die er so natürlich nicht ständig wiederholen wird, war der Australier in seinen Minuten sofort ein Taktgeber.
Er spielte mit einem Feuer, das dem ziemlich blutleeren Nets-Team an diesem Tag sonst abging. Er rannte um Screens, kreierte etwas Chaos, bewegte sich klug und spielte die richtigen Pässe. Mills bietet auch von der Persönlichkeit her einen guten Kontrast zu den eher kühlen Vertretern James und Durant, wie auch Bucks-Coach Mike Budenholzer anerkannte, der Mills noch aus gemeinsamen Spurs-Zeiten kennt.
Selbst wenn Kyrie Irving noch lange ausfallen sollte, dürfte Mills als einer der wenigen Nets-Spieler eine fixe Rolle behalten - die des Sixth Mans. Eben wegen der Kontraste ergibt es viel Sinn, einen Spieler wie ihn im Lauf des Spiels einzuwechseln und seinen Impact damit zu maximieren.
Patty Mills im Vorjahr in San Antonio und in Spiel eins für die Nets
Saison | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3P% |
2020/21 | 10,8 | 1,7 | 2,4 | 41,2 | 37,5 (161/429) |
2021/22 | 21 | 2 | 2 | 63,6 | 100 (7/7) |
3. Los Angeles Lakers: Auch Westbrook braucht etwas Hilfe
Etwas mehr Anlass zur Panik als in Brooklyn gab es dann schon in Los Angeles, auch wenn die beiden wichtigsten Spieler des Teams sehr gut aussahen und man daher noch immer aus einer guten Position operiert. Der dritte im Bunde feierte jedoch einen schlechten Einstand, und das war schon angesichts des Starting Lineups keine riesige Überraschung.
Seit Wochen war davon die Rede, wie die Lakers Spacing rund um Russell Westbrook ermöglichen könnten, wie Anthony Davis mehr denn je auf der Fünf würde spielen müssen - und dann wurde, gegen ein physisch wirklich nicht imposantes Team, mit DeAndre Jordan als Starting Center eröffnet. 26 Minuten teilten Jordan und Dwight Howard untereinander auf, Davis spielte einen signifikanten Teil seiner Minuten neben einem klassischen Big Man.
Westbrook stand zudem phasenweise mit Rajon Rondo gemeinsam auf dem Court, womit die Lakers es Golden State im Halbfeld noch leichter machten. Je mehr Non-Shooter neben Westbrook auf dem Parkett stehen, desto schwerer wird es für ihn, das ist keine neue Erkenntnis. Dieses Spiel machte es noch einmal besonders deutlich.
Nicht, dass Westbrook nicht ohnehin auch selbst viel falsch gemacht hätte. Sein Gespür dafür, wann er attackieren und wann weiterpassen sollte, war noch nicht da, er wirkte verunsichert und noch überhaupt nicht ins Team integriert. Anlaufschwierigkeiten waren zu erwarten, aber in diesem Spiel stand er tatsächlich im Weg.
Ein Plus/Minus von -23 bei einer 7-Punkte-Niederlage von einem Star spricht da schon Bände, auch wenn diese Statistik keineswegs zu hoch gehängt werden sollte. Dass seine Minuten nicht funktionierten, ließ sich auch ohne diese Zahl erkennen.
Sein Coach half ihm dabei allerdings auch nicht unbedingt mit den Lineups. Die Lakers boten etliche Formationen auf, gegen die sich die Defense bestens zusammenziehen konnte, weil eben so wenig echte Shooting-Gefahr bestand. Bleibt es dabei, wird Westbrook im Halbfeld selbst bei individuell besseren Spielen immer Probleme haben.
Dann wäre er nur eine Transition-Waffe, was selbst in diesem verkorksten Spiel beim einen oder anderen Ballbesitz durchsickerte. Die Lakers brauchen aber zweifellos mehr.
4. Golden State Warriors: Strength in Numbers ... is b(j)ack!
Ein Augenmerk wird für Westbrook langfristig auch darauf liegen, wie er erstmals in seiner Karriere ohne Ball in der Hand effektiv sein kann, etwa durch Off-Ball-Movement oder Screens. Da konnte er sich in dieser Partie mal wieder ein Beispiel an Stephen Curry nehmen, der eigentlich komplett von der Rolle war und das Spiel trotzdem klar positiv beeinflusste.
Curry wurde von den Lakers von der Dreierlinie gejagt und kam auch am Ring selten zum Abschluss, fast jeder seiner Abschlüsse war gehetzt, er genoss (natürlich) die höchste Aufmerksamkeit beim Gegner und band regelmäßig zwei Gegenspieler (insbesondere Kent Bazemore verteidigte ihn sehr gut). Curry nutzte dies mit der Zeit aber immer besser, um das Spiel dann eben schnell zu machen, seine Gravity zu nutzen und den Teamkollegen Räume zu verschaffen.
Die Warriors spielten zeitweise mit einem fast frenetischen Ball-Movement, um die Überzahlsituationen stets bestmöglich auszunutzen. Der eine Unterschied zur Vorsaison war, dass sie dafür wieder passendes Personal haben. Andre Iguodala kennt das System sowieso aus dem Effeff, es war ihm anzumerken. Damion Lee ist nun die vierte Saison da und weiß, was er zu tun hat. Die Offenbarung war allerdings Nemanja Bjelica.
Der Serbe wurde bei seinen letzten Stationen teilweise fast nur noch als Stretch-Big eingesetzt. In Golden State zeigte er schon in der Preseason, dass er, ein früherer EuroLeague-MVP, mehr kann, und das setzte er in dieser Partie fort: Er nahm nur einen Dreier, viel auffälliger war sein Playmaking nach dem Attackieren von Closeouts und teilweise auch sein Finishing.
Er nutzte die Curry-Gravity, als hätte er seit Jahren in diesem System gespielt und nicht erst seit ein paar Wochen. Er trug in der Crunchtime oft die Verantwortung und machte wieder und wieder die richtigen Plays. Die optische Ähnlichkeit zu Franchise-Legende David Lee ließ die Herzen einiger Warriors-Fans sicherlich ebenfalls höher schlagen.
Bjelica unterschrieb in der Offseason zum Minimum bei den Warriors. Lässt er noch mehr solcher Leistungen folgen, könnte sich das als einer der besten Value-Deals des Jahres erweisen.