NBA - Overreactions nach der 1. Woche: Das Nets-Problem heißt James Harden

Robert ArndtOle Frerks
27. Oktober 202110:53
James Harden hat einen schwachen Saisonstart hingelegt.getty
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Die erste Saisonwoche ist absolviert. Höchste Zeit also für ein paar Überreaktionen! Ein Blick auf die Warriors, das Problem der Brooklyn Nets, das historische Potenzial von OKC und zwei junge Point Guards auf dem Sprung zum All-Star.

Die Warriors sind ein Contender

Wie würden die Warriors aus der Offseason kommen? Dies war eine der spannendsten Fragen vor dem Start - und nach vier Siegen aus den ersten vier Spielen herrscht mehr als nur Klarheit. Es ist der beste Start seit 2015, damals gewannen die Dubs unfassbare 24 Partien am Stück.

Wir lehnen uns so weit aus dem Fenster und schließen dies für die aktuelle Version der Warriors aus, doch nach dem schweren Auftakt gegen die beiden L.A.-Teams ist dank etwas Spielplan-Glück ein absoluter Traumstart möglich. Nach dem Auswärtssieg in OKC folgen nun gleich acht Heimspiele am Stück.

Schedule hin oder her, die Warriors erinnern mit ihrem Stil wieder an alte Zeiten. Durch die Addition von intelligenten Spielern wie Nemanja Bjelica, Andre Iguodala oder Otto Porter Jr. ist das Spiel wieder flüssiger. Man hängt nicht mehr so sehr am Tropf von Stephen Curry wie noch in den Vorjahren.

Klar, der Chefkoch ist weiterhin der Fixpunkt, doch in zwei der vier Partien traf Curry unter 40 Prozent aus dem Feld und dennoch nahmen die Dubs den Sieg mit nach Hause. Golden State gewinnt für den Moment sogar die Curry-losen Minuten, im Vorjahr soffen die Kalifornier regelmäßig ab (Net-Rating: -8,6 laut Cleaning the Glass).

"Sie bewegen den Ball ständig, es gibt viele Split Screens, Back Cuts - das ist schwer zu verteidigen", analysierte Kings-Coach Luke Walton, der bei jenem 24-0-Start als Assistant Coach bei den Warriors tätig war, die Pleite seines Teams gegen Goldens State. "Sie spielen in einem Stil, der sie zu etwas Besonderem macht."

Und dieser Stil basiert wie zu den Hochzeiten auf Teamplay mit einer Prise Superstar-Power von Curry. Golden State hat nun wieder das Spielermaterial, in den dünnen Jahren konnten Spieler wie Jordan Poole, Damion Lee, Juan Toscano-Anderson oder sogar Gary Payton II an das komplexe Warriors-System unter Coach Steve Kerr gewöhnt werden.

Während Kerr in den beiden Vorjahren Mühe hatte, acht NBA-Rotationsspieler zu finden, hat der Coach nun die Qual der Wahl. Mit Rookie Jonathan Kuminga und Klay Thompson fehlen sogar noch zwei Akteure, die dem Team helfen könnten. Mit Golden State wird zu rechnen sein, erst recht wenn Curry über 82 Spiele sein hohes Niveau aus dem Vorjahr halten kann.

Das Nets-Problem heißt James Harden

Im Vorjahr war die Offense der Brooklyn Nets historisch gut, bisher ist dagegen noch jede Menge Sand im Getriebe. Ein Offensiv-Rating von 106,8 - das ist gerade mal so Mittelmaß. Kevin Durant spielt zwar wie ein MVP-Kandidat, doch um ihn herum liegt noch vieles im Argen.

Das Experiment mit Blake Griffin und Nicolas Claxton im Frontcourt wurde schnell begraben, gegen Washington war plötzlich wieder Bruce Brown in der Starting Five, nachdem der Shootingstar des Vorjahres zwischenzeitlich komplett ignoriert wurde. Sechs potenzielle Center zählt der Kader, auf den kleineren Positionen gibt es dagegen noch Lücken.

Und hier wären wir auch bei der Personalie Kyrie Irving. Seine Abwesenheit reißt tatsächlich ein Loch, auch weil James Harden noch überhaupt nicht in der Saison angekommen ist. Nur 17 Punkte und 8 Assists legt der frühere MVP im Schnitt auf, Wurfquoten von 36 Prozent aus dem Feld und 32 Prozent aus der Distanz unterstreichen dies.

Vor der Saison betonte Harden stets, dass es in diesem Jahr unbedingt mit dem ersten Ring klappen sollte, doch wirklich austrainiert wirkt der 32-Jährige nicht. Ein anderes Thema ist die Dauer-Fehde mit den Refs. Über seine Karriere nimmt der Guard fast neun Freiwürfe im Schnitt, in den ersten vier Partien waren es gerade einmal drei.

Ein Grund ist die Regeländerung, dank der Schützen nicht belohnt werden, wenn sie unnatürlich den Kontakt mit dem Gegenspieler suchen. Harden war früher ein Meister des Foulschindens, nun achten die Referees mit Argusaugen auf seinen Bewegungsablauf. Sein Head Coach Steve Nash ist der Meinung, man wolle an Harden ein Exempel statuieren.

Das alles lenkt jedoch von etwas ganz anderem ab. Harden nimmt nur 3,5 Versuche in direkter Korbnähe, im Vorjahr waren es knapp zwei mehr. Darüber hinaus trifft Harden, einst mit elitärem Abschluss gesegnet, nur noch 50 Prozent dieser Abschlüsse. Die Sample Size bleibt gering, aber womöglich sind es die ersten Anzeichen, dass der intensive Lifestyle und vielen Minuten ihren Tribut zollen.

OKC ist richtig, richtig schlecht

Auf der anderen Seite des Spektrums stehen die Oklahoma City Thunder, die bislang gegen Utah, Houston und Philadelphia drei mehr oder weniger deutliche Niederlagen kassierten, bevor sie es gegen Golden State zumindest etwas länger offen hielten. Gerade die Pleite in Houston (91:124), das neben OKC als schlechtestes Team im Westen in der Verlosung ist, stimmte nachdenklich.

Mit den Ausnahmen von Shai Gilgeous-Alexander und Lu Dort ist fast niemand bereit für NBA-Basketball, dazu passen die Spieler kaum zueinander. Shooting ist spärlich vorhanden, auch weil im Kader hinter Dort und Darius Bazley wenige Alternativen auf dem Flügel anzufinden sind. Die besten Schützen im Team haben den Ball meist in der Hand, Spacing ist so kompliziert.

Darüber hinaus stellen die Thunder für den Moment die schlechteste Defense der Liga. Auch hier: Wer auf das Personal schaut, den sollte das nicht überraschen. Im Vorjahr gewann OKC noch viele enge Spiele, um dann den Rest der Saison komplett abzuschenken, nun scheint das Tanking-Projekt besser anzulaufen. Diesmal soll etwas Besseres als der 6. Pick herausspringen, der Start dafür war "vielversprechend".

Den Negativ-Rekord für eine 82-Spiele-Saison halten übrigens immer noch die Philadelphia 76ers aus der Saison 1972/73, als diese ganze neun Siege fabrizierten. Dies scheint ein Rekord für die Ewigkeit zu bleiben, doch dieses Thunder-Team wird große Probleme bekommen, auch nur 20 Erfolge zusammenzukratzen.

LaMelo Ball und Ja Morant werden All-Stars

"Ihr müsst euch die Spiele ansehen, um es herauszufinden." Das sagte Ja Morant einen Tag vor Saisonstart auf die Frage des Grizzlies-Reporters Drew Hill, was der größte Unterschied beim Point Guard zwischen Jahr 2 und Jahr 3 sein werde. Nun, es ist tatsächlich offenkundig: Mit bisher 35 Punkten im Schnitt ist Morant bis dato Topscorer der NBA.

Und er bleibt der vielleicht aufregendste Akteur der gesamten Liga. Für Morant gibt es keinen Dunk, keinen Block, den er nicht ausprobieren würde, Kevin Love kann ein Lied davon singen. Er kam als Meister der Ball-Fakes in die Liga, spielt trotz der absolut wilden Athletik zumeist wie ein abgezockter Veteran und hat stets das Auge für den Mitspieler.

Den Dagger von Jaren Jackson Jr. gegen die Clippers bereitete er vor, 8 Assists spielte Morant über drei Partien im Schnitt. Den Lakers schenkte er 40 Punkte ein, war in einem Spiel mit drei der besten NBA-Athleten der Geschichte der mit Abstand auffälligste Akteur.

Morant hat zudem - und das könnte der tatsächlich größte Unterschied sein - an seinem Sprungwurf gearbeitet. Über die ersten beiden Saisonspiele fiel der Dreier noch nicht überragend, den Lakers schenkte er dafür 5/7 von Downtown ein. Insgesamt sind es bisher 44,4 Prozent von der Dreierlinie nach zuvor 32 Prozent in seiner Karriere.

Es wird nicht ganz so überragend bleiben, aber wenn Morant tatsächlich mehr Vertrauen in seinen Dreier hat und die Quote auf etwa 36, 37 Prozent heben kann, wird das noch mehr Raum für alles andere schaffen. Dann ist mit den Grizzlies zu rechnen, und es wird schwer bis unmöglich, den 22-Jährigen von seinem ersten All-Star Game fernzuhalten.

Das gilt auch für LaMelo Ball, seinen Nachfolger als Rookie of the Year. LaMelo wirkt wie die Ost-Version von Morant, auch sein Spiel ist unglaublich spektakulär und dabei trotzdem teamdienlich, auch wenn er völlig anders agiert als der Grizzly. Ball hat seinen Scoring-Schnitt ebenfalls dank heißem Shooting (50 Prozent Dreier über 4 Spiele) nach oben geschraubt, der Wurf ist aber nicht der einzige Faktor seines starken Saisonstarts.

Der 20-Jährige ist die treibende Kraft in der Hornets-Offense, er findet seine offenen Teamkollegen, entwickelt immer bessere Chemie mit insbesondere Miles Bridges, der ebenfalls eine der Entdeckungen der ersten Saisonwoche ist. Während der Abwesenheit von Terry Rozier haben die Hornets recht wenig Creation im Backcourt, es spielt keine Rolle, weil der Ball dank LaMelo quasi permanent in Bewegung ist.

Sein Effekt lässt sich auch durch Zahlen belegen: Steht LaMelo mit auf dem Court, hat Charlotte ein 119,2er Offensiv-Rating, das wird bisher nur von Memphis übertroffen. Das Net-Rating seines Teams ist um satte 8,6 Punkte besser, wenn er mit auf dem Court steht.

Die Tiefe auf der Point-Guard-Position ist ligaweit fast schon unheimlich. Sie könnte der Grund sein, warum es einer von beiden am Ende nicht schafft - bedenkt man, dass Trae Young in der vergangenen Saison kein All-Star war. Machen Morant und Ball so weiter, wird jedoch wohl oder übel ein etablierter Spieler weichen müssen.

NBA: Die Statistiken von Ja Morant und LaMelo Ball

SpielePunkteFG%3FG%ReboundsAssistsTurnover
Ja Morant3355844,43,784,3
LaMelo Ball422,847,2505,56,82,8