Für Paul Zipser ist die zweite NBA-Saison bei den Chicago Bulls vorzeitig beendet. SPOX traf den deutschen Nationalspieler nach dem Gastspiel der Bulls bei den Miami Heat zum Gespräch über Enttäuschungen und Probleme in Jahr zwei und über seine Zukunft.
Zudem sprach Zipser darüber, wie es für die Bulls weitergeht und auf welche Teams er sich in den Playoffs besonders freut.
SPOX: Paul, wir haben Sie heute nicht in voller Montur sehen können, woran lag das?
Paul Zipser: Ich habe leider gerade ein paar Probleme mit meinem Fuß. Das ist eine Geschichte, mit der ich jetzt schon etwas länger zu kämpfen hatte.
SPOX: Sie kamen ja gerade erst von einer Verletzung zurück ...
Zipser: Ja, das war genau das gleiche Problem. Wir hatten jetzt versucht, das alles etwas zu beschleunigen, aber ich hätte vielleicht ein bisschen länger Pause machen sollen. Wir hatten natürlich im Auge, dass nicht mehr allzu viele Spiele anstehen, und wollten es dementsprechend managen, aber wir haben einfach ein bisschen zu früh angefangen. Und jetzt noch einmal die Reha durchzumachen und dann wieder ein Comeback zu versuchen in knapp zwei Wochen, ist auch ein bisschen kurzfristig. Deswegen haben wir uns jetzt entschieden, den Fuß stillzulegen.
SPOX: Die Saison ist für Sie also beendet?
Zipser: Genau.
SPOX: Dann wäre es an der Zeit für ein Fazit. Wie bewerten Sie Ihr zweites NBA-Jahr insgesamt?
Zipser: Nicht gut, auf keinen Fall. Wir hatten einen sehr holprigen Start, gerade innerhalb des Teams hatten wir einige Schwierigkeiten, was uns zwischendurch auch ein bisschen auseinandergebracht hat. Der Start war extrem schlecht von uns und von mir persönlich natürlich auch. Ich habe den Rhythmus verloren. Ich habe dann versucht, mich wieder ranzukämpfen und hatte auch ein paar gute Phasen, aber insgesamt war das einfach eine sehr wellige Angelegenheit. Das Ende ist jetzt natürlich auch bitter, aber es ist nicht so schlimm, dass es irgendwelche großen Auswirkungen hat.
SPOX: Sie wirken ziemlich selbstkritisch - was waren für Sie die Punkte, in denen die Erwartungen vor der Saison nicht mit der Realität während der Saison übereinstimmten?
Zipser: Ich habe auf jeden Fall eine ganz andere Saison erwartet, von mir selbst und vom Team. Ich hatte im Sommer eigentlich sehr viel gearbeitet, gerade am Wurf - und der ist auch besser geworden, auch wenn die Quoten vielleicht nicht so dafürsprechen. Aber wenn man in einem Team spielt, das so viele Schwierigkeiten hat, kriegt man eben eher sehr schwere Würfe. Ich glaube trotzdem, dass der Wurf insgesamt besser geworden ist, ebenso wie einige andere Dinge. Defensiv habe ich dieses Jahr aber auf jeden Fall Probleme gehabt und das will ich im kommenden Sommer unbedingt verbessern. Auch an meiner Fußarbeit will ich arbeiten. Ich habe ein paar Schritte nach vorne, aber eben auch einige Schritte nach hinten gemacht - und das hatte ich so auf keinen Fall vor.
SPOX: Sie hatten in der Saison ja auch einige Phasen, in denen Sie fit waren und trotzdem nicht eingesetzt wurden. Wie schwierig ist es, sich auf Spiele gezielt vorzubereiten, wenn man nie weiß, wie die Rolle konkret aussehen wird?
Zipser: Das gehört zum Beruf dazu. Ich denke, das hat jedes Team in jeder Profi-Sportart. Damit kann ich ohne Probleme umgehen.
Paul Zipsers Statistiken bei den Chicago Bulls
Saison | Spiele | Minuten | Punkte | FG% | Rebounds |
2016/17 | 44 | 19,2 | 5,5 | 39,8 | 2,8 |
2017/18 | 54 | 15,3 | 4,0 | 34,6 | 2,4 |
SPOX: Wie sieht der Austausch mit Coach Fred Hoiberg allgemein aus?
Zipser: Sehr gut. Er kommuniziert sehr viel und man kann sehr klar mit ihm reden, er ist auch sehr fair, denke ich.
SPOX: Können Sie dann schon einschätzen, wie es mit Ihnen im Sommer weitergeht? Ihr Vertrag läuft ja sozusagen aus, die Bulls verfügen aber über eine Team-Option.
Zipser: Ja, das ist eine gute Frage. Aufgrund der Option liegt es ja nicht unbedingt in meiner Hand. Ich mag auf jeden Fall die Philosophie vom Trainer, deswegen würde ich auch gerne in Chicago bleiben, aber es ist wie gesagt nicht direkt meine Entscheidung. Ich werde jetzt im Sommer an meinen Sachen arbeiten, zur Nationalmannschaft reisen und ein paar Spiele absolvieren - darauf richtet sich dann jetzt erstmal der Fokus.
SPOX: Was wären denn andere Optionen für Sie? Oder ist das aktuell noch gar kein Thema?
Zipser: Solange es nicht in meiner Hand liegt, nützt es nicht viel, darüber groß nachzudenken. Ab und zu macht man sich natürlich seine Gedanken, aber bis jetzt habe ich nicht viel drüber nachgedacht, was ich selber tun würde, wenn ich alleine entscheiden könnte.
SPOX: Sie haben es vorhin ja schon kurz angerissen - was sind konkret die Aspekte, in denen Sie sich im Sommer verbessern wollen?
Zipser: Auf jeden Fall ist der wichtigste Bereich erst einmal die Defense, insbesondere die defensive Fußarbeit. Ich denke, dass ich athletisch ein paar gute Schritte gemacht habe und dass der Wurf wie gesagt besser geworden ist. Wenn ich dann meinen Rhythmus habe, werde ich nächstes Jahr auch eine bessere Saison spielen können. Dieses Jahr war wirklich holprig, es war eine sehr neue Situation für mich in einem Team, das wirklich nie einen richtigen Rhythmus entwickeln konnte. Da war ich zwischendurch mental nicht voll da und das hat mich einiges gekostet.
SPOX: Können Sie das etwas genauer erklären?
Zipser: Wie gesagt, ich war noch nie in so einer Situation. Spieler gingen rein und raus aus der Rotation, dazu gab es Verletzungen ... Wir haben den ganzen Sommer über eine bestimmte Rotation geplant, dann passiert im letzten Training vor der Saison so etwas [Bulls-Forward Bobby Portis brach Ex-Bull Nikola Mirotic mit einem Faustschlag zwei Knochen im Gesicht, d. Red.] und bringt alles durcheinander. Dann kommt jemand wie Zach LaVine mitten in der Saison zurück. Wir waren über das ganze Jahr nie mehr als zwei oder zweieinhalb Wochen am Stück im Rhythmus - und so etwas hatte ich einfach noch nie. Das war eine neue Erfahrung für mich.
SPOX: Was muss im Team allgemein passieren, damit es nächstes Jahr besser läuft?
Zipser: Ich glaube, dass wir viele gute Schritte machen. Wenn man ein Team hat, eine Rotation und ein Rollengefüge, in dem sich alle zurechtfinden und jeder weiß, was er tun soll, macht das alles viel einfacher. Wir spielen phasenweise gute Defense und haben ein sehr gutes Konzept, offensiv haben wir mittlerweile verstanden, was der Trainer will, und wir haben auch das richtige Spielermaterial dafür. Wir müssen es aber einfach zusammenbringen, auf konstanter Basis. Dann können wir meiner Meinung nach auch eine gute nächste Saison spielen.
gettySPOX: Steckt im Team genug Potenzial, um dann vielleicht nächste Saison schon wieder um die Playoffs mitzuspielen?
Zipser: Ich denke jetzt nicht über die Playoffs im nächsten Jahr nach. Ich muss jetzt erstmal gucken, dass ich nächstes Jahr hier bin. Wie sich das Team noch formt und was mit dem Kader passieren wird, kann ich ja jetzt noch nicht absehen. Ich kann mir schon vorstellen, dass da auch einiges verändert wird. Von daher weiß ich auch noch gar nicht, wie die Philosophie nächstes Jahr aussehen wird.
SPOX: Dann kommen wir nochmal zum aktuellen Geschehen - Sie haben in der Vergangenheit betont, dass LeBron James Ihr Lieblingsspieler ist, wie bewerten Sie seine Leistungen aktuell? Sind die Cavs mit ihm Top-Contender?
Zipser: Wenn man den Spieler hat, hat man auf jeden Fall immer eine Chance. Auch sie hatten über die Saison einige Probleme, Rotationen, Verletzungen, alles Mögliche - aber so wie er im Moment spielt, haben sie natürlich eine Chance. Wer die Cavs da irgendwie aus der Konversation rauslässt, hat in den letzten Wochen und Monaten nicht viel Basketball gesehen.
SPOX: Wie sehen Sie die Konkurrenz im Osten? Die Raptors haben die beste Bilanz, sind sie auch das beste Team?
Zipser: Wenn die Celtics mit ihren ganzen Verletzungen ein bisschen mehr Glück gehabt hätten und die Spieler rechtzeitig zurückgekommen wären, dann hätte ich sie für noch besser gehalten. Die Raptors haben einen sehr guten Rhythmus, aber in den Playoffs ändert sich das eventuell ein bisschen, wenn die Intensität wächst. Sie spielen harten Basketball, aber das werden in den Playoffs alle tun. Die Raptors sind wie gesagt ein gutes Team, aber ich favorisiere eher Boston.
SPOX: Ist der Westen im Endeffekt trotzdem einfach viel zu stark?
Zipser: Wenn die Teams fit sind, wahrscheinlich schon. In Houston und Golden State wird einfach ein ganz anderer Basketball gespielt. Ich bin da selbst ziemlich gespannt. Die letzten Jahre war es ja ein bisschen einseitig mit den Warriors und Cavaliers, aber man weiß nie, ob es so weitergehen wird - Houston bringt da auf jeden Fall noch eine interessante Option rein.
SPOX: Und wie fällt Ihr persönlicher Tipp aus?
Zipser: Ich bin mir nicht ganz sicher, wann Stephen Curry zurückkommt, das dürfte ja eine Rolle spielen. Aber ich bin ein großer Fan von Houston in diesem Jahr.