Basketball-WM - Team USA im Kader-Check: Reicht das wirklich für den Titel?

Robert Arndt
26. August 201913:30
SPOXgetty
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Seit über einem Jahrzehnt ist Team USA bei großen Turnieren ungeschlagen, doch bei der WM in China könnte der Nimbus der US-Amerikaner gebrochen werden. Head Coach Gregg Popovich wurde mit einer Absagenflut konfrontiert, die beispiellos ist. Wie gut ist der Kader nun wirklich? SPOX macht den Check.

GUARDS

Dabei: Kemba Walker, Marcus Smart, Donovan Mitchell, Derrick White

Abgesagt: James Harden, Stephen Curry, Chris Paul, Mike Conley, DeMar DeRozan, Kyrie Irving, Victor Oladipo, Isaiah Thomas, Klay Thompson, John Wall, Russell Westbrook, Bradley Beal, Damian Lillard, C.J. McCollum, Eric Gordon, Kyle Lowry, De'Aaron Fox, Devin Booker

An Guards wird es den USA wohl niemals mangeln, das zeigt auch die Auswahl an Spielern, die Coach Gregg Popovich trotz der immensen Anzahl an Absagen immer noch zur Verfügung hat. Zu Beginn von Spielen wird der Spurs-Coach wohl auf das Duo bestehend aus Kemba Walker (Boston Celtics) und Donovan Mitchell (Utah Jazz) setzen.

Beide sind (noch) nicht in der allerhöchsten NBA-Kaste anzusiedeln, dennoch sind sie waschechte Stars, wobei gerade Mitchell noch jede Menge Luft nach oben hat. Der Anführer wird aber Walker sein, der es zuletzt bei den schwachen Charlotte Hornets sogar "auf eigene Faust" ins All-NBA Team der 15 besten Spieler der Liga schaffte. Team USA stellt für den Neu-Kelten die perfekte Bühne dar.

Ähnlich wieselflink wie Walker ist auch Mitchell, der wohl von den wenigsten ausländischen Verteidigern zu stoppen sein wird. Interessant wird jedoch sein, wie der Jazz-Star auf das kleinere Feld reagieren wird. In der NBA waren es die unnachahmlichen Drives, die seinen Stern aufgehen ließen, nun hat er deutlich weniger Platz auf dem Weg Richtung Zone. Dass die Dreierlinie ein Stück näher am Korb ist, dürfte dem Shooting Guard aber entgegen kommen.

Der wohl beste Backcourt des Turniers

Ein Pluspunkt ist zudem Mitchells Defense, die dank weniger Verantwortung im Angriff als in Utah bei Team USA besser zur Geltung kommen dürfte. Pop wird zumeist den besten Guard des Gegners von Mitchell verteidigen lassen, um den etwas leichten Walker ein wenig verstecken zu können.

In Marcus Smart und Derrick White stehen Popovich dazu noch zwei weitere extrem bissige Verteidiger zur Verfügung. Vor allem auf Smart dürfen sich die Fans freuen, der Point Guard gab sich in den Sozialen Medien bereits hochmotiviert und ist in Boston aufgrund seiner körperbetonten Verteidigung bei den Fans der absolute Liebling. Als Bestätigung für seine Leistungen wurde Smart vergangene Saison erstmals ins All-Defense First Team gewählt. In der Vorbereitung kämpfte er jedoch mit Wadenproblemen, gegen Australien spielte er zuletzt nur neun Minuten.

So könnte White, der als letzter Spieler ins Team rutschte, mehr Spielzeit bekommen. Der Spurs-Guard ist ein klassischer Pop-Zögling, der wegen Verletzungsproblemen im Draft nach unten rutschte und sich erst langsam in der NBA akklimatisierte. Im Gegensatz zu den anderen drei Guards mag White athletisch nicht so gesegnet sein, dies macht er aber durch seinen hohen Basketball-IQ wieder wett.

So ist der Backcourt ohne Zweifel ein Prunkstück. Auf dem Papier ergänzen sich die vier Akteure hervorragend. Sie alle verstehen es, ein Angriffsspiel aufzuziehen, können ihren eigenen Wurf kreieren, mindestens zwei haben das Potenzial, ein All-Defense Team in der NBA zu knacken. Was eventuell fehlt, ist ein echter Schütze, dem kommt nur Walker am nächsten. Mitchell, Smart und White mangelt es in dieser Hinsicht noch an Konstanz. Das ist aber Jammern auf hohem Niveau, weil keine andere Nation in diesem Bereich so gut wie die USA aufgestellt ist.

Die Statistiken von Walker, Mitchell und Co. in der NBA 2018/19

SpielerTeamMinutenPunkteFG%3P%AssistsSteals
Donovan MitchellJazz33,723,843,236,24,21,4
Marcus SmartCeltics27,58,942,236,44,01,8
Kemba WalkerHornets34,925,643,435,65,91,3
Derrick WhiteSpurs25,89,947,633,35,01,0

FLÜGELSPIELER

Dabei: Harrison Barnes, Jaylen Brown, Joe Harris, Khris Middleton, Jayson Tatum

Abgesagt: LeBron James, Kevin Durant (verletzt), Kawhi Leonard, Paul George, Jimmy Butler, Gordon Hayward, Tobias Harris, Thaddeus Young, Kyle Kuzma (verletzt)

Etwas dünner sieht die Personaldecke dagegen auf dem Flügel aus. Hier macht es sich bemerkbar, dass mit LeBron James, Kevin Durant, Kawhi Leonard oder auch Paul George vier absolute Ausnahmespieler nicht zur Verfügung stehen werden. Die beiden Fixsterne des Teams dürften darum Khris Middleton (Milwaukee Bucks) und Jayson Tatum (Boston Celtics) heißen.

Beide sind moderne Flügelspieler, die auf ganz unterschiedliche Weisen scoren können und einen sicheren Wurf in petto haben. Speziell der Sidekick von Giannis Antetokounmpo in Milwaukee könnte in engen Spielen wertvoll werden, da er in der Lage ist, unter Druck schwere Würfe zu treffen. In der Vorbereitung machte Middleton aber keinen guten Eindruck, speziell der Wurf machte größere Probleme.

Tatum ist dagegen bereits in besserer Verfassung, auch wenn seine letzte Saison alles andere als optimal verlief. In ihm schlummert dennoch einer der besseren Scorer der Liga und auch bei der WM dürfte der Forward eine der primären Waffen für die Popovich-Truppe sein. Im Gegensatz zu Middleton geht ihm teilweise noch das Gespür für das Spiel, für das richtige Play ab, die Erfahrung einer WM könnte deswegen für seine Entwicklung enorm wertvoll sein.

Etwas mehr Erfahrung hat dagegen Harrison Barnes, der 2016 in Rio Gold gewann. Der Kings-Flügel war damals der zwölfte Mann, diesmal dürfte seine Rolle größer sein. Als Werfer und solider Verteidiger kann er durchaus das Spiel positiv beeinflussen, auch wenn sein Spiel wenig spektakulär ist.

Jaylen Brown mit neuer Rolle bei Team USA

Dafür ist stattdessen Jaylen Brown zuständig. Der Celtics-Forward rutschte durch die vielen Absagen in den Kader und ist weiterer Flügelspieler, der aufopferungsvoll verteidigen und vorne ein paar Akzente setzen soll. Gerade im Gegenstoß sollte Brown mit seiner Athletik glänzen können, dazu kam Browns Dreier gegen Ende der Saison stark verbessert daher.

Bei Team USA könnte ihn jedoch eine etwas andere Rolle erwarten. Popovich experimentierte, auch aus Mangel an Alternativen, mit Brown als Power Forward, und der 22-Jährige nahm dies auch recht gut an. Gegen größere Spieler kann Brown seine Schnelligkeit ausspielen, dazu ist er kräftig genug, um sich nicht herumschubsen zu lassen.

Abgerundet wird die Flügel-Rotation von Joe Harris von den Brooklyn Nets. Er ist der beste Schütze im kompletten Kader und dürfte deswegen jede Menge Minuten bekommen. Harris versenkte in der vergangenen Saison satte 47 Prozent aus der Distanz, diese Quote könnte bei der kürzeren Dreierlinie bei der WM sogar noch höher sein.

Dennoch sollte niemand Harris nur auf seinen Sprungwurf aus dem Bilderbuch reduzieren. Durch akribische Arbeit hat sich das Ballhandling des 27-Jährigen massiv verbessert, dazu ist Harris durch Cuts stets gefährlich, weswegen seine Gegenspieler ihn nie aus den Augen verlieren dürfen (es häufig aber tun).

Die Statistiken von Middleton, Tatum und Co. in der NBA 2018/19

SpielerTeamMinutenPunkteFG%3P%ReboundsAssists
Harrison BarnesKings32,916,442,039,54,71,5
Jaylen BrownCeltics25,913,046,534,44,21,4
Joe HarrisNets30,213,750,047,43,82,4
Khris MiddletonBucks31,118,344,137,86,04,3
Jayson TatumCeltics31,115,745,037,36,02,1

BIGS

Dabei: Brook Lopez, Mason Plumlee, Myles Turner

Abgesagt: DeMarcus Cousins (verletzt), Draymond Green, Blake Griffin, DeAndre Jordan, Anthony Davis, Kevin Love, Paul Millsap, Andre Drummond, Montrezl Harrell, Julius Randle, Bam Adebayo, Marvin Bagley

Es ist nicht ganz nachvollziehbar, aber die USA reist wie schon 2014 mit drei echten Center-Spielern zum Turnier, einer davon heißt wie vor fünf Jahren Mason Plumlee (Denver Nuggets). Schon in Spanien waren seine Einsatzzeiten arg limitiert, das könnte auch in China der Fall sein.

Als Starter gesetzt ist Myles Turner von den Indiana Pacers, der in der vergangenen Saison die NBA in der Kategorie Blocks anführte. Dies ist nicht immer ein Indikator für einen elitären Verteidiger, doch Turner machte einen gewaltigen Sprung und verpasste das All-Defense Team nur denkbar knapp hinter Rudy Gobert und Joel Embiid.

Mit seinen Fähigkeiten ist er der klare Anker der US-Verteidigung und erlaubt es Popovich, verschiedene Defensiv-Systeme zu spielen. Einerseits kann Turner auch Guards vor sich halten, andererseits ist er so lang, dass er mit seiner guten Fußarbeit als absinkender Big im Pick'n'Roll jede Menge Raum abdecken kann.

Sind drei Center zu viel?

Gleichzeitig besitzt der Pacers-Star ein weiches Händchen und kann gelegentlich hinter die Dreierlinie gehen. Dafür berühmt wurde in der vergangenen Saison auch Brook Lopez (Milwaukee Bucks), der sich für seine Treffsicherheit den Spitznamen Splash Mountain verdiente. In den Vorbereitungsspielen drückte Lopez aber eher selten ab, dafür sah man ihn wieder häufiger im Post, seiner früheren Spezial-Disziplin.

Dies war aber vor allem gegen Australien nur bedingt erfolgreich, weswegen Lopez in den bisherigen Spielen nur wenig Minuten sah. Gleiches gilt für Plumlee, dessen athletisches Spiel aber womöglich besser zum Spielstil des Teams passt. Der Backup von Nikola Jokic in Denver besitzt zwar keine eigenen Moves, ist aber spielintelligent und ein guter Passer. Dazu ist auch seine Defense sehr passabel und er ist weniger hüftsteif als beispielsweise Lopez.

Dennoch sollte auch erwähnt werden, dass Plumlee eben nicht mehr als eine Verlegenheitslösung ist und gegen die echten Center-Stars wie Jonas Valanciunas (Litauen), Jokic (Serbien), Marc Gasol (Spanien) oder auch Andrew Bogut (Australien) so seine Probleme haben wird.

Die Statistiken von Turner, Lopez und Co. in der NBA 2018/19

SpielerTeamMinutenPunkteFG%3P%ReboundsBlocks
Brook LopezBucks28,712,545,235,24,92,2
Mason PlumleeNuggets21,17,859,320,06,40,9
Myles TurnerPacers28,613,348,738,87,22,7

Team USA - Das Fazit: Reicht das für den Titel?

Die Vorbereitung hat es bereits gezeigt: Diese WM wird im Gegensatz zu den vergangenen Turniern mitnichten ein Spaziergang für die USA. Insgesamt 40 Spieler fehlen aus dem Pool an Spielern, die für die WM in Frage kamen, so etwas steckt keine Nation auf diesem Planeten so einfach weg - auch nicht Team USA.

Walker, Middleton und Lopez sind die einzigen Spieler, die jemals bei einem All-Star Game mit von der Partie waren (zusammengerechnet fünf Teilnahmen), bei Tatum, Mitchell, Turner oder auch Brown könnte es zumindest in einigen Jahren soweit sein. Das ist aber Zukunftsmusik und die USA brauchen in den kommenden Wochen Ergebnisse, da die stolze Basketball-Nation auch mit dieser Mannschaft nichts anderes als den Titel erwartet.

Die Konkurrenz hat aber aufgeholt und die besten beiden Spieler des Turniers in Antetokounmpo und Jokic werden nicht für Team USA auflaufen. Vielmehr sind die Amerikaner weiter auf der Suche nach sich selbst, zu sehr wurde dieses Team zusammengewürfelt.

Es fehlt ein Spielertyp a la Kevin Durant

Wer wird der unumstrittene Leader sein? Auf wen ist in engen Situationen Verlass? Auch Sportdirektor Jerry Colangelo ist sich diesen offenen Fragen bewusst, nicht umsonst erklärte der frühere Suns-GM, dass diesmal ein natürlicher Scorer vom Schlage eines Kevin Durants fehle. Die USA werden ihre Spiele über die Defense gewinnen müssen, vor allem wenn es in der K.o.-Phase zur Sache gehen wird.

Die Niederlage gegen Australien deckte aber auch dort ungewohnte Schwächen auf. Die Boomers schenkten den USA unverschämte 98 Punkte ein und hatten in Patty Mills einen scheinbar nicht zu stoppenden Scorer, der 31 Punkte erzielte, 13 davon im letzten Viertel. Bei allem Respekt: Mills ist nicht mehr als ein guter NBA-Rollenspieler.

Ein erster Prüfstein wird bereits in der Zwischenrunde warten, wenn es mit großer Wahrscheinlichkeit gegen Giannis und die Griechen geht. Das dürfte ein guter Gradmesser sein, ob die USA auch mit dieser Mannschaft den historischen Threepeat mit drei WM-Titeln in Folge schaffen kann. Auch wenn man die Niederlage gegen Australien ausklammert, deuten einige Zeichen darauf hin, dass in China die eine oder andere Mannschaft stärker sein könnte.

SPOX-Tipp: Team USA verliert im Finale.