Björn Werner steht ein spannender Sommer bevor: Der 25-jährige Pass Rusher will sich nach der Entlassung von den Indianapolis Colts bei einem neuen Team beweisen und erklärt im Interview, worauf es ihm ankommt. Auf den deutschen Receiver Moritz Böhringer setzt der gebürtige Berliner beim anstehenden Draft große Hoffnungen, außerdem blickt er auf seinen eigenen Draft-Tag zurück - und kann mit einer unglaublichen Geschichte aufwarten.
SPOX: Guten Morgen! Bei Ihnen in den USA ist es ja noch relativ früh - ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt?
Björn Werner: Nein, nein, alles gut. Wenn man ein kleines Kind hat, ist man früh wach. (lacht)
SPOX: Abgesehen vom täglichen Vater-Job: Wie sieht das Offseason-Programm aus? Sind Sie schon wieder voll im Training?
Werner: Ja, ich bin aktuell in Indianapolis. Hier gibt es sehr gute Trainingseinrichtungen, wo ich mit anderen Profis arbeite. Man darf auf keinen Fall außer Form sein, wenn ein Team anruft und du vorspielen sollst.
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SPOX: Dennoch ist genau das Trent Richardson passiert, der vor einigen Wochen schwerer als gedacht zum Probetraining bei den Baltimore Ravens erschien und zugegeben hat, dass es leicht ist, in der NFL faul zu werden...
Werner: ...und er hat total Recht! Pro Jahr hast du grob gesagt sechs Monate, in denen du auf dich gestellt bist. Da braucht es Selbstdisziplin, man muss sein Training durchziehen, auf seine Ernährung achten und so weiter. Aber es gibt mehr Leute in der NFL als man denkt, die in der Offseason nichts machen, und es dann nicht schaffen. Und manche haben eben so viel Talent, dass sie mit weniger Arbeit durchkommen.
SPOX: Wie streng kann man sich die Ernährungsvorschriften denn vorstellen?
Werner: Ich will es mal so sagen: Wenn ich zwei Snickers esse, würde ich etwa zehn Kilo zunehmen. (lacht) Ich muss da sehr genau drauf achten und auch die ganze Zeit trainieren. Aber ich liebe es, ins Studio zu gehen und zu arbeiten. Ich muss mich eher selbst stoppen. Wichtig ist unter dem Strich aber, dass du deine Leistung bringen kannst. Dann fragt niemand, wie deine Offseason war. Wenn du gute Leistung bringst, kannst du fast machen, was du willst.
SPOX: Machen wir doch einen kleinen Cut und schauen auf das nächste NFL-Großereignis, den Draft. Wann fiel bei Ihnen die Entscheidung, den Schritt in die NFL zu wagen?
Werner: Ich bin ja schon als Junior, also ein Jahr vor meinem Abschluss, vom College gegangen. Wir haben mit Florida noch am 1. Januar im Orange Bowl gespielt und gleich am 2. Januar bin ich nach Tampa, um mich vorzubereiten. Ich hatte mich bereits früher entschieden, in den Draft zu gehen. Allerdings wussten das damals nur meine Frau und mein Agent.
SPOX: Und dann muss man sich tatsächlich gezielt auf die Combine-Übungen vorbereiten?
Werner: Genau, es ging dann direkt los. Die Combine-Drills genießen einen extrem hohen Stellenwert, da ist auch viel Hype dabei. So hieß es dann: Fitnessstudio und Training für die Übungen. Zudem gibt es noch andere Einheiten, denn bei der Combine kommen ja auch die Interviews dazu...
SPOX: ...da hört man ja immer wieder die verrücktesten Fragen, die den Prospects gestellt werden.
Werner: Das Ding ist: Du hast immer nur 15 Minuten mit einem Team. Ich war damals ein hoch gehandeltes Prospect, das heißt ich hatte Interviews mit fast jedem Team - und die wollten alles Mögliche von mir hören. Meine Geschichte, ob ich englisch kann, einfach alles. Allerdings bist du von morgens 5.30 Uhr bis um 23 Uhr beschäftigt. Es gibt zwar einen Schedule, aber der wird letztlich nie befolgt. Da kommt immer irgendwas durcheinander.
SPOX: War das bei Ihnen auch der Fall?
Werner: Ja. Beispielsweise muss man extrem viel Zeit im Krankenhaus verbringen, um MRTs und andere Tests über sich ergehen zu lassen. Und man kann vorher nicht einschätzen, wie lange das dauert. Ich hatte alleine vier MRTs! Die Reihenfolge innerhalb der 20er-Gruppe ist alphabetisch, das heißt ich war immer als Letzter dran. Letztlich war es dann sogar so, dass ich fast die Hälfte der angesetzten Team-Treffen absagen musste. Das sind drei komplett vollgepackte Tage.
SPOX: Kann man diese abgesagten Meetings irgendwie nachholen? Hat man einen Einfluss auf den Ablauf?
Werner: Nein, da hat man gar keinen Einfluss drauf. Wenn du bei der Combine ankommst, erhältst du sofort einen Plan, auf dem alle deine Termine draufstehen. Die Meeting-Times sind von 20 Uhr bis 23 Uhr. Man kann sich das so vorstellen: Du kommst in dieses alte Hotel in Indianapolis, und jedes Zimmer im Erdgeschoss "gehört" einem anderen Team, während in den Stockwerken darüber die Spieler schlafen. Wenn dann deine Viertelstunde bei einem Team vorbei ist, ertönt ein Signal und du musst aus dem Zimmer raus - um direkt in den nächsten Raum zu gehen. Aber ich war beispielsweise an einem Tag bis um 21.30 Uhr im Krankenhaus und musste die Meetings absagen, die von 20 bis 21.30 Uhr angesetzt waren. Da gibt es dann auch keine neue Chance.
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SPOX: Wie fällt vor diesem Hintergrund rückblickend Ihr Fazit aus?
Werner: Ich will es mal so sagen: Es ist schon ein sehr großer Hype. Klar, du willst eingeladen werden. Aber wenn du ein guter Spieler bist, wirst du trotzdem gedraftet, auch wenn die Combine-Zahlen vielleicht nicht perfekt waren. Ich glaube, das hilft vor allem den Spielern, die eher über wenig College-Videomaterial verfügen, auf den Radar zu kommen. Es ist vor allem auch eine Chance für die Teams, dich medizinisch unter die Lupe zu nehmen - irgendwo also auch eine Fleischbeschau. Außerdem ist es natürlich ein Medien-Event in der Offseason, mit dem man Geld verdienen kann und mit dem die NFL im Gespräch bleibt. Aber ich bin froh, dass ich das hinter mir habe.
SPOX: Immerhin gibt's dann ja das Highlight: der Draft! Sie waren damals selbst mit Ihrer Familie in New York und abends auch in der Radio City Music Hall. Ein ziemlich verrücktes Erlebnis, könnte ich mir vorstellen.
Werner: Ja, das passt. Man wird für zwei Tage mitten in Manhattan in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht und da als Student mit deiner Familie hinzukommen - da staunt man schon mal nicht schlecht! Dazu gibt es ESPN-Partys für den Draft, man ist überall als VIP eingeladen. Das ist alles wirklich beeindruckend.
SPOX: Und dann wird es ernst.
Werner: Genau. Du sitzt in deinem Hotelzimmer, wirst immer nervöser, bis es irgendwann auf den Roten Teppich geht. Für die Spieler wird das schon enorm rausgezögert, es ist eine riesige Show. Irgendwann sitzt du endlich an deinem Tisch, der Draft startet und man wartet, bis man endlich angerufen wird. Ich musste über drei Stunden warten, bis ich schließlich an Nummer 24 dran war.
SPOX: Das zieht sich dann am Ende wahrscheinlich auch, oder?
Werner: Ich weiß noch: Irgendwann hatten die Leute überhaupt keine Lust mehr, zwei, drei, vier Stunden nervös zu sein. Danach ist man erstmal komplett kaputt. Wir sind gegen Mitternacht endlich los, um noch etwas zu essen, als so ziemlich alles schon zu war. (lacht) Meine Familie und Freunde sind noch feiern gegangen, ich war aber einfach platt - und bin ins Bett. Am nächsten Tag werden die Erstrunden-Picks dann gleich vom Team per Privatjet eingeflogen.
SPOX: Erfährt man denn als Prospect tatsächlich erst wenige Minuten vor dem tatsächlichen Pick, zu welchem Team es geht? Oder gibt es vom Berater nicht doch den einen oder anderen Hinweis?
Werner: Du sitzt da - und du weißt nichts. (lacht) Manche Agenten wissen vielleicht, dass das eine oder andere Team dich nehmen könnte. Ich bin im Draft auch etwas gefallen, weil ich im College meine erste Knieverletzung hatte, allerdings hat bis eine Woche vor dem Draft niemand etwas gesagt. Mein Agent hat mir versichert, dass alles in Ordnung ist und mein Knie kein Problem sein würde. Aber eine Woche vor dem Draft hat mein Agent nochmals die Fühler ausgestreckt, um mehr Infos einzuholen...
SPOX: ...und plötzlich war es ein Problem?
Werner: So war es. Auf einmal haben mehrere Teams gesagt, dass sie mich in der ersten Runde wegen meines Knies nicht nehmen. Ich hatte schon alles geplant und die Tickets für meine Familie gekauft - mit Geld, das mir mein Agent geliehen hatte. Aber du willst natürlich nur nach New York, wenn du auch damit rechnest, in der ersten Runde gedraftet zu werden. Niemand will die Person sein, die da sitzt und vergeblich wartet.
SPOX: Aber es gab dann wahrscheinlich kein Zurück mehr?
Werner: Nein, und es wurde sogar noch nervenaufreibender: Am Draft-Tag kam mein Agent zu mir und sagte: "Ich habe dir versprochen, immer ehrlich zu dir zu sein. Es kann sein, dass du heute nicht gedraftet wirst und wegen deines Knies in die zweite Runde fällst." Klar, man freut sich generell darüber, gedraftet zu werden. Im ersten Moment war das allerdings definitiv ein Schock. Aber das war noch nicht das krasseste Erlebnis an diese Tag.
SPOX: Jetzt bin ich gespannt.
Werner: Wir saßen an unserem Tisch und jeder Tisch hat sein eigenes Kabel-Telefon, auf dem die Teams anrufen können. Dann kam der dritte Pick, Miami ist per Trade hochgestiegen. Und plötzlich klingelt mein Telefon! Ich war komplett fassungslos! Ich habe also abgehoben - und es hatte sich jemand einen Scherz erlaubt. Jemand hat mich reingelegt! Der ganze Raum hat mich angeschaut, alle dachten, ich wurde gerade gedraftet. Aber am anderen Ende der Leitung hat jemand nur gesagt, dass sie mich nehmen und dann laut gelacht.
SPOX: Das ist ja unfassbar!
Werner: Es ging sogar noch weiter, einige Picks später wurde wieder jemand angerufen, und wieder war es ein Scherz-Anruf. Das ist drei oder vier Mal passiert! Die ganzen Agenten waren natürlich total sauer und irgendwann ist niemand mehr an die Telefone ran gegangen, alles lief nur noch per Handy. Immerhin habe ich so eine Geschichte zu erzählen. (lacht)
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SPOX: Die Colts haben Sie darüber ja glücklicherweise dann erreicht. Auch in diesem Jahr könnte mit Moritz Böhringer ein deutscher Spieler über den Draft in die NFL kommen. Haben Sie seinen Weg bisher verfolgt? Kennen Sie ihn vielleicht sogar schon?
Werner: Oh ja, das habe ich mitbekommen. Das NFL Network wollte mich sogar zu seinem Pro Day einfliegen und etwas mit uns zusammen filmen, ich war damals allerdings gerade noch in Deutschland. Wenn er wirklich gedraftet wird oder auch nach dem Draft bei einem Team unterschreibt, öffnet er eine Tür für alle internationalen Spieler. Jeder, der in der NFL ist, hat seine Geschichte. Ganz egal ob Sebastian (Vollmer), Kasim (Edebali), Mark (Nzeocha), Markus (Kuhn) oder ich selbst. Doch diese Geschichte - direkt aus Deutschland gedraftet zu werden - wäre wirklich einmalig.
SPOX: Aber persönlichen Kontakt gab es noch nicht?
Werner: Nein, das NFL Network hat damals meine Agentur kontaktiert und erzählt, dass es da diesen athletischen deutschen Receiver gibt, der bei seinem Pro Day ganz gute Zahlen auflegen könnte. Ich war erst einmal völlig perplex und habe mich gefragt, wie er es geschafft hat, schon so einen Namen zu haben, dass die NFL ihn mit Kamera-Teams begleiten will. Also habe ich ihn erst einmal gegoogelt und habe direkt Artikel gefunden.
SPOX: Und der Pro Day war anschließend ja tatsächlich ziemlich beeindruckend.
Werner: Und wie! Auf Rasen, wo man ja immer etwas langsamer ist als auf Kunstrasen, ist er (im 40-Yard-Sprint) einfach mal eine 4.4 gelaufen. Da hat er wirklich eine krasse Nummer hingelegt, und wie ich ja eingangs schon gesagt habe: So etwas hilft den Spielern, die sehr athletisch sind, dabei, eine Chance zu bekommen. Aber die Hälfte hat er jetzt ja schon geschafft.
SPOX: Inwiefern?
Werner: Damit meine ich: Teams sind an ihm interessiert. Wenn er jetzt irgendwo einen Vertrag erhält, muss er es natürlich auch noch in den finalen Kader schaffen. Aber erst einmal da hinzukommen, das ist ja schon das große Ding - diese Chance zu haben! Da muss man einfach sagen: Hut ab und großen Respekt davor, wie er das geschafft hat. Immerhin hat er einfach mal das College übersprungen! Ich kenne auch einige Jungs aus Kanada. Die fragen sich alle, wie er das hinbekommen hat, denn davon träumt jeder: Eine Plattform zu bekommen, damit du dich beweisen kannst. Auf jeden Fall ist es gut für den deutschen Football und generell den Football außerhalb der USA.
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SPOX: Wie sehen Sie denn seine Chancen? Auf seinem GFL-Tape wird ja vor allem deutlich, wie überlegen er dort physisch war.
Werner: Er muss jetzt erst einmal schauen, dass er bei einem Team unterkommt, aber es scheint, dass er ziemlich gute Chancen hat. Der ganze Hype kommt auch nicht von ungefähr. Ich glaube, dass er definitiv eine Chance bekommt, sich im Training Camp zu zeigen. Und dann muss er sich gegen die Besten beweisen, das ist dann eine ganz andere Geschichte. Aber ein deutscher Receiver aus der GFL direkt in die NFL - er zeigt gerade, dass nichts unmöglich ist!
SPOX: Absolut. Es bestehen gute Chancen, dass er am dritten Tag gedraftet wird. Und dann wird er sich mutmaßlich auch über das Special Team beweisen müssen.
Werner: So schätze ich es auch ein. Klar ist aber: Du musst auch Football-technisch etwas drauf haben. Nur ein krasser Athlet zu sein reicht nicht. Ich selbst hatte mal einen Rugby-Spieler aus Afrika im Team, der Typ bestand eigentlich nur aus Muskeln. Aber er hatte nur wenig Football-Erfahrung und hat sich schwer getan. Football ist ein Sport, in dem du über die Jahre lernst und dein Spielverständnis reifen muss. Das ist nicht wie im Basketball oder im Fußball, wo die jüngeren Spieler meist auch die Besten sind.
SPOX: Für Sie selbst geht es derzeit ebenfalls um die Suche nach einem neuen Team. Gibt es da Neuigkeiten?
Werner: Natürlich hatte ich gehofft, zu diesem Zeitpunkt schon ein neues Team zu haben. Aber dir wird immer wieder klar, dass es eben ein Geschäft ist. Die Leute fragen natürlich, warum ich entlassen wurde. Gleichzeitig muss jetzt auch die richtige Situation her. Das ist ein wichtiges Jahr für mich. Ich konnte aufgrund mehrerer Verletzungen einfach nicht die Leistung bringen, aber als Erstrunden-Pick entlassen zu werden - da stellen andere Teams Fragen. Doch ich werde zu 100 Prozent irgendwo eine Chance bekommen. Das weiß ich.
SPOX: Aber einen konkreten Zeitplan gibt es nicht?
Werner: Ich muss jetzt erst einmal den Draft abwarten. Natürlich will ich schnellstmöglich ein Team und Klarheit, aber ich werde mich wahrscheinlich noch etwas gedulden müssen. Irgendwann werde ich eine Chance bekommen und die muss ich nutzen. Ich will ja auch meine Kritiker widerlegen. Wichtig ist, gesund zu bleiben. Die beiden wichtigsten Regeln in der NFL: Verletze dich nicht und verletze dich nicht.
SPOX: Schauen Sie bei der Team-Auswahl auf das Defensive Scheme? Also eher eine 4-3 als eine 3-4 beispielsweise?
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Werner: Das spielt definitiv eine Rolle. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, wo die Coaches mich am ehesten sehen. Die Gesamtsituation muss einfach passen. Doch egal wo ich hingehe: Erst einmal muss ich es in den Kader schaffen. Natürlich macht das keinen Spaß, aber jetzt bin ich eben in dieser Position und man muss positiv denken.