Wenn Superman mit Power rennt

Von Adrian Franke
30. Januar 201616:24
Quarterback Cam Newton ist ein wesentlicher Faktor im Running Game der Panthersgetty
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Die Carolina Panthers sind die Positiv-Überraschung dieser Saison, das gilt insbesondere für die Offense. Auch ohne echten Top-Receiver war keine Offensive produktiver und die Panthers bestätigten ihre Dominanz in den Playoffs. Im Fokus steht dabei ohne jeden Zweifel Quarterback Cam Newton - das gilt auch für das Herz der Offense: Das Running Game.

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Als Fan eines guten Running Games hat man es dieser Tage nicht immer einfach. Die NFL bemüht sich schon seit Jahren, mit diversen Regeländerungen das (vermeintlich) aufregendere Passing Game zu stärken, reihenweise fallen in der Folge die Pass-Rekorde. 5.000 Passing-Yards innerhalb einer Saison? Längst keine Seltenheit mehr.

Die logische Konsequenz: Das Running Game blieb nur zu gerne mal auf der Strecke. Und trotzdem verlor es nicht an Wert - eher im Gegenteil. Die Dallas Cowboys zeigten in der Vorsaison, wie weit einen eine dominante Rushing-Offense tragen kann. Das Maß aller Dinge waren hier über die vergangenen drei Jahre die Seahawks, die um Marshawn Lynch und Russell Wilson 2014 etwa unglaubliche 5,3 Yards pro Run verzeichneten.

In Seattle wussten sie vor zwei Wochen also nur zu gut, was sie im Divisional-Round-Game in Carolina erwarten würde. "Ein wirklich vielfältiges Running Game, das vielfältigste, das es aktuell in der NFL gibt. Niemand macht hier mehr und viel davon hängt damit zusammen, dass ihr Quarterback so ein dynamischer Teil davon ist. Es ist die schwierigste Offense, mit der wir es in dieser Saison zu tun bekommen", lobte Hawks-Coach Pete Carroll damals überschwänglich.

Carolina demontierte Seattle anschließend in der ersten Halbzeit, gefolgt von einer unglaublichen Gala im NFC-Championship-Game gegen Arizona. Zwei sehr gute Defenses wurden mitunter leichtfüßig aus dem Weg geräumt. Die Offense, die schon in der Regular Season die meisten Punkte pro Spiel auf die Anzeigetafel brachte (31,2) hielt auch in den Playoffs den Fuß auf dem Gas. Das gelingt den Panthers auf dem Rücken eines effizienten, kreativen und risikofreudigen Running Games - doch was macht es aus? Alles steht und fällt mit dem Quarterback.

1. Der Newton-Faktor: Cam im Fokus

Ein wichtiger Grund für Carolinas Erfolg im Running Game ist die Read Option - der Quarterback beobachtet dabei in der Regel nach dem Snap einen Verteidiger und entscheidet dann ausgehend von dessen Verhalten in Sekundenbruchteilen, ob er den Ball an den Running Back übergibt oder selbst (für gewöhnlich zur Seite, um harte Hits in der Mitte zu vermeiden) los läuft.

Meist wird der Defensive End "gelesen". Kommt er in die Mitte, läuft der Quarterback zur Seite. Bleibt er an der Seite stehen, bekommt der Running Back den Ball über die Mitte. Vor allem über die explosiven Robert Griffin III und Colin Kaepernick eroberte die Read Option die NFL 2012 im Sturm, sah sich aber schon schnell wieder mit Problemen konfrontiert.

Defenses stellten sich rasant darauf ein und verhinderten oftmals per Scheme, dass der Quarterback nach dem Read zu der "gelesenen" Seite weglaufen kann. Carolina hat darauf mehrere Antworten. Zunächst einmal muss man sich klar machen, dass die Panthers keine Angst davor haben, ihren Franchise-Quarterback den harten Hits auszusetzen. "Niemand verlässt sich so auf den Quarterback im Running Game wie Carolina", betonte auch Carroll.

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Daraus resultiert beispielsweise der Inside Zone Read - die Panthers drehen hier den Spieß gewissermaßen um: Der Running Back läuft nach außen, behält Newton den Ball, hat er aus mittiger Position die freie Wahl. Er kann entweder über die Mitte laufen (etwas, das Kaepernick oder RG III kaum einmal machten), er kann seinem Running Back folgen, oder er kann auf die andere Seite ausweichen.

Nach dem Read zur Ballübergabe entscheidet Newton also nochmals blitzartig, was er macht. Eine enorme Disziplin ist erforderlich, um diese Art der Read Option richtig und konstant zu verteidigen. Durch Newton entsteht ein multidimensionales Laufspiel, das Wege für den Running Back und für Newton selbst öffnet. Eine statistisch solide (vor allem Interior starke), aber keineswegs überragende Run-Blocking-O-Line reicht dafür aus: Bei geplanten QB-Runs ist niemand gefährlicher als Newton, 4,9 (über die linke Seite) beziehungsweise 4,1 Yards (rechts) pro Lauf verzeichnete er in dieser Saison dabei.

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2. Triple Option und Power Blocking

Noch unangenehmer wird es, wenn Carolina auf seine Triple Option zurückgreift - ein Spielzug, der in der NFL sehr selten, für die Panthers aber nichts Ungewöhnliches ist. Die Aufstellung sieht dabei häufig so aus: Newton wird von einem Running Back und einem Tight End flankiert, hinter ihm ist ein weiterer Back oder ein Wide Receiver.

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Nach dem Snap hat er dann, wie der Name schon vermuten lässt, drei Optionen: Per Read Option kann er zunächst den Ball an den Running Back, der hinter dem blockenden Tight End läuft, übergeben - oder das Ei selbst behalten, wenn es die Defense erlaubt.

Der X-Faktor dabei ist der hinter Newton positionierte Spieler. Der läuft nach dem Snap entweder nach links oder rechts und gibt Newton so zusätzlich die Möglichkeit, den Ball per Pitch an ihn loszuwerden. Die Defense kann sich dadurch keineswegs darauf verlassen, dass der Lauf eher zentral erfolgt, sondern muss auch bis nach dem Snap für einen Outside Run gewappnet sein.

Offense diktiert das Geschehen:

Umso schwieriger wird das, wenn die Defense Manndeckung oder einen Man-Blitz spielt. Carolina kontert dann gerne mit Pre-Snap-Motion, will heißen: Ein außen aufgestellter Receiver läuft zunächst los und zwingt seinen direkten Gegenspieler, sich mit zu bewegen.

So können die Panthers diktieren, auf welcher Seite die Defense einen Verteidiger weniger hat und diese Seite dann gezielt mit einem Pulling Guard (bedeutet: der Left Guard zieht nach rechts rüber oder der Right Guard nach links, um zu blocken) noch überladen - während die Defense gleichzeitig auch noch einen möglichen Laufspielzug über Newton oder einen Pitch zu dem sich bewegenden Receiver im Hinterkopf haben muss.

Gegen Arizona zeigten die Panthers am vergangenen Sonntag eine weitere Version ihrer Triple Option: Der linke Guard zieht nach rechts, Newton täuscht die Ballübergabe an den Running Back an und läuft dann sofort nach rechts los.

Die Defense rechnet folgerichtig mit einem Quarterback-Run - es scheint die logische Schlussfolgerung. Doch Newton überlässt dem von rechts startenden Ted Ginn den Ball, der über diesen Reverse-Spielzug bis in die Endzone marschiert. Insgesamt bindet Carolina seine Wide Receiver sehr gezielt ins Running Game ein. Das funktioniert über die Triple Option, aber auch mit gezielten WR-Runs, insbesondere über die kleinen, schnellen Ginn und Corey Brown. Diese finden allerdings nahezu ausnahmslos in Form von Outside Runs statt.

Power Run Game - die alte Schule:

Doch bei all den verschiedenen Kniffen und Winkelzügen vergisst Carolina auch die Basis nicht: Das Power Run Game. Kurz gesagt handelt es sich um ein Man-to-Man-Blocking-Scheme, wobei wieder einer der beiden Guards (je nachdem, in welche Richtung der Spielzug gehen soll), als Pullender Guard und Lead-Blocker (oft letztlich also für einen Linebacker zuständig) fungiert. Der Fullback oder der Tight End ist dafür verantwortlich, den Defensive End zu blocken.

Die Panthers kombinieren das regelmäßig extrem effektiv mit dem Counter-Konzept, dabei sind die Rollen des Pulling Guards und des Fullbacks oder Tight Ends vertauscht. So gelang auch der 59-Yard-Run von Jonathan Stewart beim ersten Play gegen die Seahawks vor zwei Wochen. Was genau passiert hier aber?

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Der Spielzug läuft über links, also ist der rechte Guard der Pulling Guard. Er kommt mit voller Geschwindigkeit auf den Defensive End zu, der sich zunächst als ungeblockt wähnt. Der vor Stewart postierte Mike Tolbert macht erst einige Schritte nach rechts, zieht dann aber gemeinsam mit dem Pulling Guard nach links. Er blockt den Linebacker auf dieser Seite. Gemeinsam öffnen sie so einen breiten Weg für Stewart. Der Right Tackle und der rechts postierte Tight End sind indes dafür verantwortlich, dass kein Verteidiger ins Backfield kommt.

Und Carolina kombiniert auch das Power Run Game mit der Read Option sowie direkten QB-Runs. Am Blocking ändert sich dabei für Guards und Tight Ends nichts, behält Newton aber den Ball, wird sein Running Back zum zusätzlichen Blocker. In dem Fall hat der Quarterback, sollten die Blocks funktionieren, einen blockenden Tight End und den Pulling Guard vor sich, während der Rest der Line die Mitte zumacht.

Kein Linebacker, geschweige denn Defensive Back, will einen Spieler von Newtons enormer Statur mit voller Geschwindigkeit auf sich zulaufen sehen. Die Quarterback-Power-Runs (also ohne irgendwelche Reads, Newton läuft direkt hinter seinem Lead Blocker los, es ist keine Alternative in den Spielzug eingebaut) sind vor allem in der Nähe der Endzone extrem effektiv. Newton ist der erste Quarterback überhaupt, dem in einer Saison 35 TD-Pässe und zehn TD-Runs gelangen.

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3. Play Action und die Allzweckwaffe

Einer der schönsten Effekte eines guten Running Games sind die Wege, die sich dadurch im Passing Game öffnen. Hierbei ist dann auch gar keine sonderliche Kreativität notwendig - und das wissen die Panthers. Da die Defense bei einer (angetäuschten) Ballübergabe von Newton an seinen Running Back sowohl einen RB-Lauf, als auch einen Quarterback-Lauf befürchten muss, ist es nur logisch, dass sich Räume für die Receiver öffnen.

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Im Schnitt 31,2 Laufspielzüge pro Spiel verzeichnete Carolina in der Regular Season. Dementsprechend begannen Defenses früher oder später fast immer, mehr Spieler in der Nähe der Line of Scrimmage aufzustellen, um das Running Game zu stoppen. Sobald das passiert, bleibt häufig nur noch ein Safety in Coverage übrig und die Cornerbacks müssen Eins-gegen-Eins-Duelle gewinnen. Ein Play-Action-Spielzug, also eine angetäuschte Ballübergabe an den Running Back mit anschließendem Pass, kann daraus Kapital schlagen.

Die Panthers haben hier viel Erfolg mit Pässen über die Mitte: Receiver-Routes wie Slants für kurze oder Deep Crossing und Posts für längere Pässe funktionieren gut, weil die außen postierten Cornerbacks ohne Safety-Hilfe immer im Hinterkopf haben müssen, dass Newton einen langen Pass die Seitenlinie runter werfen könnte.

Mit einem schnellen Release nach innen haben die Receiver hier also einen klaren Vorteil, wenngleich Coach Ron Rivera, dessen Trainerstab über die Jahre zunehmend mehr Elemente aus Newtons College-Offense übernahm, offen zugibt: "Wenn man sieht, wie explosiv unsere Offense ist und wie unser Quarterback spielt - das ist wirklich etwas Besonderes." Ebenfalls sehr effizient hier: Comeback-Routes (ein Receiver läuft mehrere Yards nach vorne und kehrt dann wieder einige Schritte in Richtung der Line of Scrimmage zurück), wenn die Cornerbacks keine Press Coverage spielen und Abstand halten.

Allzweckwaffe Greg Olsen:

Im Schnitt verzeichnete Carolina in dieser Saison die sechstwenigsten Pässe pro Spiel. Keine Frage: Das Running Game ist das Rückgrat der Panthers-Offense. Kann man Carolina hier nicht stoppen, ist es schwer, die Offense irgendwie in den Griff zu bekommen. Doch gleichzeitig gilt, und das macht Newton und Co. so gefährlich: Die Panthers sind in der Lage, Gegner auch ohne Play Action und in offensichtlichen Passing-Situationen zu schlagen.

In Abwesenheit des verletzten Kelvin Benjamins hat sich hier Tight End Greg Olsen zu Newtons wichtigster Waffe entwickelt. Ein Viertel von Newtons Completions, 29 Prozent seiner Passing Yards und 20 Prozent seiner Passing-Touchdowns gingen in der Regular Season auf Olsen. Vor allem über die Seam-Route - der Passfänger sucht den Raum zwischen zwei Zonen, wenn der Gegner Zone-Coverage spielt - ist Olsen brandgefährlich, besticht gleichzeitig aber durch Vielseitigkeit.

Kein Panthers-Spieler hatte mehr Yards nach dem Catch als der Tight End (364), zudem hatte Olsen 20 Plays von mindestens 20 Yards. Doch nicht nur das: Olsen war fast exakt gleich häufig als möglicher Pass-Fänger und als Run-Blocker auf dem Platz. Diese Vielseitigkeit lässt den Gegner kaum irgendwelche Schlüsse aus Olsens Position vor dem Snap ziehen.

Zusammenfassung:

Carolinas Offense bereitet Defenses mit ihrer Einzigartigkeit Probleme. Cam Newton kann Gegner hinter einer hier überraschend guten O-Line auch als Passer aus der Pocket schlagen (ob über Route-Maschine Olsen oder über Ginn und Brown, die primär mit Geschwindigkeit glänzen), während er im Running Game aufgrund seiner Physis und des daraus resultierenden Stils und Schemes eine ungewöhnliche Bedrohung darstellt.

Hier ruht das Herz dieser Offense. Carolina hat Tight Ends und Running Backs, die blocken können und schafft es, einen Spielverlauf über sein Running Game zu diktieren. Und das auch in Form von Big Plays: 95 Big Plays (mindestens zehn Yards bei einem Run, mindestens 25 Yards bei einem Pass) hatten die Panthers in dieser Saison, davon waren 64 (!) Runs.

20 dieser Läufe gingen auf Newtons Konto, 24 auf Stewarts. Carolina hat seine Offense auf altbewährten Konzepten aufgebaut, gepaart mit Run-Schemes, die perfekt zu Newton und seinem Waffenarsenal passen. Es wird spannend zu sehen, ob Defensive Coordinator darauf in der kommenden Saison mehr Antworten haben - und wie Broncos-DC Wade Phillips Newton in Santa Clara verteidigt.

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