Nur ein Mal in den letzten 14 Jahren schafften die Detroit Lions den Sprung in die Playoffs, schon lange sah das Team aber nicht mehr so gut aus wie in dieser Saison. Dabei hat Detroit die alte Weisheit, wonach die Defense Titel gewinnt, ausgegraben: Die hochgehandelte Offense hinkt den eigenen Erwartungen hinterher - dennoch scheinen die Playoffs zum Greifen nahe. Ein Blick auf das Erfolgsrezept der Lions.
Es war das Topspiel gegen die Dolphins am Sonntag. Miami hatte gerade die Chargers 37:0 verprügelt und die Offense war seit vier Wochen in bestechender Form. Doch die ersten beiden eigenen Offensiv-Snaps machten den Dolphins schnell klar, in welche Richtung es im Ford Field gehen würde.
Beim ersten Snap erwischte Ndamukong Suh Running Back Lamar Miller hinter der Line of Scrimmage, beim zweiten schob er Pro-Bowl-O-Line-Man Mike Pouncey einfach zur Seite und riss Quarterback Ryan Tannehill zu Boden.
Die als fünftbeste Rushing-Offense in den Spieltag gegangenen Dolphins sahen überhaupt kein Land, die Lions gewannen spät - und dennoch gibt es rund um Detroit noch Fragezeichen.
Vor allem offensiv dürften die Lions in den kommenden Wochen getestet werden, wenngleich das Team die langen Verletzungspausen von Calvin Johnson und Reggie Bush zuletzt gut auffangen konnte. Ein Grund dafür: Die Defense ist längst das Prunkstück in Motor City.
Die D-Line:
Es scheint, als ob der Weg, der mit Ndamukong Suh 2010 begann, endlich den gewünschten Ertrag bringt. Mit Suh (2010), dem aktuell noch verletzten Nick Fairley (2011) und Ziggy Ansah (2013) spielen drei ehemalige First-Round-Picks in Detroits Defensive Line, und das zahlt sich aus. Keine andere D-Line ist so dominant wie die der Lions und keine andere D-Line hat jede Woche einen so großen Einfluss auf das Spiel.
"Zunächst mal haben sie alle eine wirklich gute Technik. Sie wissen, was sie in den entscheidenden Momenten machen müssen", lobte Head Coach Jim Caldwell: "Außerdem gibt es in dieser Gruppe einen außergewöhnlichen Grad an Kameradschaft und Zusammenhalt."
Der Schlüssel der starken D-Line, dank der Detroit bereits 26 Sacks auf dem Konto hat und die zweitbeste Run-Defense stellt, ist vor allem die extrem gute Rotation.
"Einer der Gründe, warum unsere D-Line so konstant und hartnäckig spielt, ist die Tatsache, dass sie frisch sind. Zwei Jungs zu haben, die immer rein kommen können und gut spielen, ist toll. Unsere Rotation hilft uns hier enorm", so Caldwell.
Die Glücksgriffe Johnson und Tapp
Konkret heiß das: Mit George Johnson und Darryl Tapp sind Detroit in der Offseason zwei absolute Glücksgriffe gelungen. Johnson etwa setzte Saints-QB Drew Brees beim 24:23-Comeback-Sieg der Lions vor einigen Wochen unter Druck, so dass dieser die entscheidende Interception drei Minuten vor Schluss warf - und das nur etwas über ein Jahr, nachdem er in Minnesota entlassen worden war.
Für den Undrafted Free Agent aus dem Jahr 2010 war es bereits die vierte Entlassung, über ein halbes Jahr lang war er komplett weg aus der NFL und schaute sich bereits nach einem Job im Versicherungswesen um.
In seinen ersten vier NFL-Jahren war er ohne Sack und sammelte insgesamt sieben Tackles - bis ihn die Lions holten. Aktuell steht der 26-Jährige in dieser Saison bei 23 Tackles und vier Sacks und ist ein extrem wichtiger Rotationsspieler für Detroit.
"Ich habe einfach Spaß. Ich liebe das Spiel. Ich habe viel Gewicht verloren und das merke ich, sowohl an den Oberschenkeln als auch am Rücken", berichtete Johnson stolz. Tapp auf der anderen Seite hatten die Lions selbst in der Offseason schon entlassen, holten ihn kurz darauf aber wieder zurück. "Das sorgt auf jeden Fall dafür, dass du das Spiel mehr zu schätzen weißt. Ich bin glücklich, hier zu sein", so der 30-Jährige.
Die Stars glänzen
Die Rotation ermöglicht es den Stars zu glänzen, gleichzeitig aber konnte Detroit so bisher auch den Ausfall von Nick Fairley, der noch einige Wochen lang fehlen wird, auffangen - der nach seiner Suspendierung zurückgekehrte C.J. Mosley leistete hier gute Arbeit.
Doch letztlich sind es, neben Fairley, Suh und Ansah, die die D-Line tragen. Vor allem Suh, dessen Vertrag nach der Saison ausläuft und um den sich konstant Wechselgerüchte halten, hat seine Disziplinlosigkeiten offenbar abgestellt und spielt schlicht herausragend. Caldwell schwärmte: "Er ist stark, schnell und schlau. Im Moment vereint er das alles auf dem Platz."
Ansah, dessen Spielverständnis neben seiner unglaublichen Athletik noch mal deutlich gewachsen ist, und Suh müssen fast konstant gedoppelt werden und gleichzeitig erlauben die guten Backups neue Formationen. Gegen Miami probierten die Lions einen Spielzug, bei dem Suh (außen) und Ansah (innen) gemeinsam gezielt eine Seite der O-Line angriffen. Das Resultat? Ein Sack.
Die Secondary:
Das logische Resultat der starken D-Line sind bessere Chancen für die Secondary - die aber selbst trotz einiger Ausfälle ebenfalls stark spielt. Die DBs Bill Bentley, Nevin Lawson und zwischenzeitlich auch Cassius Vaughn verletzten sich früh, dafür spielen aber die Safeties groß auf.
FA-Verpflichtung James Ihedigbo war gegen die Dolphins einer der dominanten Spieler und knüpfte damit an seine guten Leistungen an, Glover Quin hat schon jetzt seinen persönlichen Saison-Höchstwert für Interceptions (3) erreicht.
"Wir haben ein tolles Scheme und eine tolle Defense. Unsere D-Line sorgt für einen starken Pass-Rush, unsere Linebacker decken gut und auch unsere Cornerbacks liefern tolle Arbeit ab. Das zwingt den Quarterback dazu, unter großem Druck zu passen. Davon profitiere ich", betonte Quin: "Unsere D-Line sagt uns immer: Macht euch keine Sorgen um das Running Game."
Viel Lob für Mathis
Auch die Cornerbacks Darius Slay und der mittlerweile 34-jährige Rashean Mathis spielen solide und DC Teryl Austin lobte: "Ich denke, mit dem Alter kommt die Weisheit. Mathis hat sich sehr gut in Form gehalten und versteht das Spiel wirklich gut. Dann musst du nicht unbedingt der schnellste Spieler auf dem Platz sein."
Mathis fungiert dabei auch als Mentor für Slay und Calvin Johnson hilft dem Youngster ebenfalls: "Wenn wir Eins-gegen-Eins-Übungen mache, sage ich ihm, was er besser machen kann."
Gleichzeitig gebührt Austin hier auch Lob - neun der Defense-Starter waren auch im letzten Jahr schon im Team, dem Defensive Coordinator gelang es, das Potential jetzt auf den Platz zu bringen.
Dabei nutzt er im Vergleich zu Detroits Taktik im Vorjahr einen leicht aggressiveren Blitz-Ansatz, vor allem aber setzt er jeden Spieler individuell gemäß seiner Stärken ein. Der Game Plan variiert dabei von Woche zu Woche stark und macht es gegnerischen Offenses zusätzlich schwer.
Die Offense:
Doch trotz der guten ersten Saisonhälfte läuft auch in Detroit längst nicht alles perfekt - denn die Identität des Teams hat sich gedreht. Spätestens seit den Tagen von Barry Sanders waren die Lions ein Team, das sich über die Offense identifiziert hat, Megatron und Matthew Stafford setzten diese Tradition in den vergangenen Jahren fort. Doch aktuell verzeichnet Detroit lediglich 20,2 Punkte pro Spiel und damit weniger als etwa die Browns, die Texans oder die Redskins.
Für Caldwell, der nach Jim Schwartz eine gewisse Ruhe und Gelassenheit nach Detroit mitgebracht hat, aber kein Problem: "Ich kam hier mit der Idee her, dass Siege wichtiger sind als statistische Errungenschaften. Teams siegen auf unterschiedliche Art und Weise. Ja, früher oder später erwarte ich eine Explosion unserer Offense. Aber entscheidend sind die Siege."
Und dennoch haben die Lions hier ihre Sorgenkinder - namentlich das Running Game und damit verbunden die O-Line. "Wir sind noch längst nicht an dem Punkt angelangt, den wir mit unserem Running Game erreichen wollen", monierte RB Joique Bell (3,3 Yards pro Versuch) jüngst, allerdings sei das Team "wirklich nah dran. Oft fehlt nur eine Kleinigkeit, um einen explosiven Run hinzubekommen. Wir müssen nur noch diese kleine Hürde überwinden."
RB-Kollege Reggie Bush fügte hinzu: "Das ist uns sehr wichtig, wir nehmen das persönlich. In jeder Woche liegt unser Fokus darauf, sich zu verbessern, und das gilt vor allem für das Running Game. Wir wissen, dass wir uns hier steigern müssen, um langfristig Erfolg zu haben." Bislang aber haben die Lions statistisch eines der schwächsten Running Games der Liga, nur Oakland gelingen weniger Rushing-Yards pro Spiel.
Staffords Punktlandungen
Daran hat auch die O-Line ihren Anteil. 27 Sacks erlaubten die Lions bereits und Caldwell gab zu: "Meiner Meinung nach ist schon ein Sack zu viel. Deshalb müssen wir daran weiter arbeiten."
Besonders schwer wiegt daher die Knieverletzung von Larry Warford. Der Right Guard, der mehrere Wochen fehlen wird, könnte sich trotz der Stars als schwerster Ausfall der Lions-Saison entpuppen - weil schlicht kein adäquater Ersatz da ist. Rookie Travis Swanson wird wohl vorübergehend einspringen müssen.
Nach wie vor Verlass ist derweil auf Stafford - auch wenn die Statistiken nicht mehr so spektakulär sind wie in den Vorjahren. Stafford spielt unter OC Joe Lombardi mittlerweile klüger, wirft den Ball im Notfall weg und geht weniger Risiko ein. Auch weil er weiß, dass er sich auf seine Defense sowie neben Megatron auch auf Golden Tate verlassen kann.
Dabei hat er die späten Game-Winning-Drives nicht verlernt, wie zuletzt gegen New Orleans, Atlanta und Miami zu bewundern war. Stafford hat jetzt schon elf (!) Game-Winning-Drives innerhalb der letzten zwei Minuten oder in der Overtime auf dem Konto.
Fragezeichen bleiben
Und dennoch bleiben Fragezeichen bestehen. Detroits sieben Siege kamen mit einem Vorsprung von durchschnittlich 8,57 Punkten zustande, der ligaweit fünftniedrigste Punkte-Abstand bei eigenem Sieg.
In spätestens zwei Wochen dürften allerdings auch die leidgeplagten Lions-Fans, die nach dem 6-3-Start im Vorjahr am Ende bei 7-9 und ohne Playoffs dastanden, wissen, wo die Reise hingeht: Detroit muss als nächstes nach Arizona und Foxborough.
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