Es ist so weit: Die Regular Season klopft an die Tür - doch auf wen gilt es, besonders zu achten? Der SPOX-Guide umfasst große Experimente in Cleveland und in Houston, einen selbstbewussten Jimmy Garoppolo, Sorgen und Hoffnungen an der Line und mit Tyler Lockett und Donte Moncrief gleich zwei aufstrebende Receiver.
Disclaimer: Bereits vor einigen Wochen wurden die Breakout-Kandidaten für die kommende Saison vorgestellt. Von diesen Spielern taucht daher in diesem Text keiner mehr auf.
Robert Griffin III, QB, Cleveland Browns: Dak Prescott, Jimmy Garoppolo, Trevor Siemian und Co. zum Trotz ist Robert Griffin III aus neutraler Sicht das spannendste Quarterback-Projekt 2016. Seine Weltklasse-Geschwindigkeit hat aufgrund mehrerer Verletzungen nachgelassen und dass er eine Offense aus der Pocket heraus steuern kann, muss er noch immer beweisen. Doch die Kombination mit dem neuen Browns-Coach Hue Jackson, einer der kreativsten Play-Caller der Liga, sowie einem gut bestückten Receiving-Corps gibt RG3 eine Chance auf das große Comeback.
Erlebe ausgewählte Spiele der NFL auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Was wird dafür nötig sein? Jackson sollte Griffin nicht auf einen Schlag zum reinen Pocket-Quarterback machen. Das ist (noch) nicht sein Spiel und die O-Line der Browns musste in der Offseason mehrere Abgänge verdauen - Pass Protection könnte also ein ernsthaftes Problem werden. Run-Pass-Options, Read-Option, Screen-Pässe und Play Action müssen ein fester Bestandteil der Browns-Offense sein.
In Griffins sensationeller Rookie-Saison führte er die NFL in Play-Action-Rate (Play Action bei 39,9 Prozent seiner Dropbacks), Yards pro Play-Action-Pass (11,8) und Play-Action-Yards (1.826) an. Untrennbar damit verbunden ist das Run Game, ohnehin ein Fokus in Jacksons Offense. Griffin muss sein Passspiel auf einem zumindest soliden Running Game aufbauen können, dann sind auch die langen Pässe wie in der Preseason möglich. Jackson hat in der Preseason noch keinen spezifischen Griffin-Game-Plan eingesetzt. In Week 1 wird ein solcher erstmals zu sehen sein.
Olivier Vernon, DE, New York Giants: Es war ein stolzer Vertrag, mit dem die Giants Vernon im Frühjahr aus Miami loseisten, und die ersten Eindrücke enttäuschten die Verantwortlichen im Big Apple nicht. Vernon hatte nicht nur einige gute Szenen in der Preseason, er beeindruckte auch mit riesigem Trainings-Eifer und nahm etwa den jungen Giants-Left-Tackle Ereck Flowers unter seine Fittiche.
Doch letztlich wird sich Vernon ab Week 1 auf dem Platz beweisen müssen. Die Giants müssen mit ihrer Front Four Druck erzeugen können. Darauf ist die Defense ausgelegt, deshalb wurde der risikoreich spielende Cornerback Janoris Jenkins für viel Geld geholt und unter anderem deshalb bleibt das Linebacker-Corps chronisch unterbesetzt. Nur wenn Vernon gemeinsam mit Jason Pierre-Paul Offenses das Fürchten lehren kann, geht der Giants-Plan auf.
Tyler Lockett, WR, Seattle Seahawks: Die erste All-Pro-Nominierung hat Tyler Lockett bereits in der Tasche, in seiner Rookie-Saison wurde er prompt für die herausragenden Vorstellungen als Return-Man nominiert. Im zweiten Jahr soll der nächste Schritt folgen: In einer Seahawks-Offense, die sich ohne Zweifel stärker auf das Passing Game verlassen wird, als noch in den vergangenen Jahren, könnte Lockett neben Doug Baldwin ein entscheidender Faktor werden.
Gewinner und Verlierer der Preseason: Hoffnungsschimmer und tragische Muster
Schon jetzt ist er ein sehr guter Route Runner, antizipiert die Improvisationen von Quarterback Russell Wilson und kann Defenses mit seiner Geschwindigkeit als Runner und als Passfänger quälen. "Er hat sich nochmals weiter entwickelt. In meinen Augen gibt es für ihn nach oben hin keine Grenze. So lange er fit bleibt - sein Einsatz und sein Talent sind herausragend. Sein Fortschritt ist unglaublich", schwärmte Baldwin jüngst auf der Team-Website. Lockett stand in der Vorsaison nur für knapp über 60 Prozent der Offense-Snaps auf dem Platz. Diese Quote und damit auch sein Einfluss auf die Hawks-Offense sollte klar nach oben gehen.
Jimmy Garoppolo, QB, New England Patriots: Thronerbe oder Interimslösung? Es ist eine riesige Chance für Jimmy Garoppolo: Der 24-Jährige geht in sein vorletztes Vertragsjahr, sein Kontrakt würde somit zwei Jahre vor Tom Bradys Vertrag auslaufen. Durch die 4-Spiele-Sperre gegen Brady erhält Garoppolo jetzt die Möglichkeit, sich über das erste Saisonviertel für weitere Aufgaben zu empfehlen und darf sich gleichzeitig erstmals auf der ganz großen Bühne zeigen.
Gleichzeitig aber ist es ein faszinierender und mit Spannung erwarteter Balanceakt für Coach Bill Belichick. Die Patriots spielen, gerade für junge Quarterbacks, die vielleicht komplizierteste Offense der NFL und für Garoppolo wird es die Feuertaufe gegen "echte" NFL-Defenses, die mit einem Game Plan, verwirrenden Blitz-Packages und dergleichen auf ihn losgehen werden. Dazu bleiben in Foxborough große Fragezeichen hinsichtlich der Offensive Line.
Umgekehrt aber konnte Garoppolo inzwischen über zwei Jahre hinter Brady lernen und kündigte bei WEEI beachtlich selbstbewusst an: "Ich gehe mit der Einstellung da raus, dass ich der Starter bin. Es ist eine großartige Gelegenheit für die ersten vier Spiele und wir werden sehen, was danach passiert. Das weiß man nie. Es ist eine verrückte Liga, alles ist möglich."
Die Offensive Line der Seahawks: Hand in Hand mit der bei Lockett bereits angesprochenen Fokussierung auf das Passing Game gehen in Seattle allerdings auch die Sorgen in der Offensive Line. Jüngstes Beispiel war Week 2 der Preseason, als die Hawks ihre Starter länger drauf ließen und Russell Wilson nur in der ersten Halbzeit gegen Minnesota gleich vier Sacks einsteckte.
Wer wurde wo entlassen? Die Cuts aller 32 Teams im Überblick
Football Outsiders hatte Seattles O-Line in der Vorsaison in Punkto Pass Protection bereits als drittschwächste Einheit bewertet, nur San Francisco und Tennessee schnitten in der Adjusted Sack Rate (beinhaltet unter anderem auch Down, Distance, Gegner) noch schlechter ab - und mit Left Tackle Russell Okung verlor Seattle seinen wohl besten O-Liner im Frühling in der Free Agency.
Unter dem Strich wird damit in Week 1 voraussichtlich auf jeder Position in der Line ein anderer Spieler stehen, als noch 2015, inklusive Rookie Germain Ifedi auf Right Guard. O-Line-Coach Tom Cable muss daraus, insbesondere in einer Division mit inzwischen mehreren guten Defensive-Fronts, schnellstmöglich eine passable Einheit formen. Andernfalls geht Seattle ein hohes Risiko mit Wilson ein. Immerhin: Das Run Blocking funktionierte im Vorjahr und sah auch in der Preseason bereits wieder weitestgehend stabil aus.
Donte Moncrief, WR, Indianapolis Colts: Mit der Rückkehr von Andrew Luck und dem neuen Center Ryan Kelly schnellen auch die Erwartungen an die Offense der Indianapolis Colts wieder in die Höhe - und um keinen Spieler gibt es einen derartigen Hype wie um Moncrief, nachdem er in der aus Colts-Sicht chaotischen Vorsaison bereits 733 Yards und sechs Touchdowns auflegte.
Mit dem nach New Orleans abgewanderten Coby Fleener fehlt ein Pass-Ziel in Indy, Moncrief sollte nahezu immer auf dem Platz stehen und mit seiner Physis eine gute Ergänzung zu T.Y. Hilton darstellen. Die Colts werden wieder stark auf das Passing Game setzen und aufgrund der eigenen Defense mutmaßlich viel punkten müssen.
Terrance West, RB, Baltimore Ravens: Schon Anfang August tauchten aus Baltimore Meldungen auf, wonach Terrance West womöglich Justin Forsett den Starter-Posten streitig machen könnte. Seit Samstag ist das keine Frage mehr: Forsett wurde völlig überraschend entlassen, West ist plötzlich tatsächlich der Starter.
Der Ex-Browns-Back hat in der Offseason über sieben Kilo abgespeckt und die Explosivität wurde auf dem Feld prompt deutlich. Baltimore, das im Receiving-Corps nach wie vor viele Fragezeichen hat, wird sich allerdings auch früh auf West verlassen müssen: Der ebenfalls beeindruckende Rookie Kenneth Dixon fällt aufgrund einer Knieverletzung vorerst aus, womit der Großteil der Running-Back-Arbeit auf West zukommen wird.
Brock Osweiler, QB, Houston Texans: Es war die große Free-Agency-Story: Brock Osweiler verlässt den amtieren Champion Denver, um in Houston für etwas mehr Geld sein Glück und einen Neuanfang zu suchen. Die Texans haben dabei mit der Verpflichtung von Running Back Lamar Miller sowie den hohen Draft Picks für die Receiver Will Fuller und Braxton Miller alles getan, um dem neuen Franchise-Quarterback jede Chance auf Erfolg zu geben.
Das ist neu in der NFL: Alle wichtigen Infos vor dem Saisonstart
Dabei gilt es allerdings nicht zu vergessen: Neue Spieler brauchen nicht nur Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen - es dauert darüber hinaus ebenfalls, bis eine neue Offense verinnerlicht ist. Auf der anderen Seite wird der Druck der Öffentlichkeit immens ansteigen, sollte Houston nicht zeitnah Ergebnisse liefern. Keine einfache Situation für Osweiler, Coach Bill O'Brien und Co.
Arizonas Nummer-2-Cornerback: Allein die Tatsache, dass hier kein Name steht, zeigt bereits das Kernproblem. Im Training konnte sich weder Justin Bethel (plagte sich lange mit einer Fußverletzung herum), noch der athletisch ultra-begabte Rookie Brandon Williams (wurde erst vor gut einem Jahr zum Cornerback umfunktioniert) auf der nach dem Abgang von Jerraud Powers vakanten Position gegenüber von Patrick Peterson festbeißen.
Der Hangover zu Week 4: Alptraum made in Hollywood
Im Gegensatz etwa zur Panthers-Defense aber genießt die Secondary in Arizonas Scheme eine hohe Wertschätzung: Cornerbacks müssen in der Lage sein, regelmäßig ohne Unterstützung Eins-gegen-Eins-Duelle mit Receivern zu gewinnen. Nur so können die Cardinals ihre aggressive Defense spielen. Ein möglicher X-Faktor kam am vergangenen Freitag: Via Trade verpflichtete Arizona Marcus Cooper aus Kansas City, der seine starke Rookie-Saison in den vergangenen Jahren nie bestätigen konnte. Wer in Week 1 startet bleibt offen.
Spencer Ware, RB, Kansas City Chiefs: Zumindest im Ansatz eine ähnliche Situation wie in Baltimore: Zwar haben die Chiefs Jamaal Charles nicht entlassen, doch ist der Star-RB nach seinem Kreuzbandriss früh in der vergangenen Saison noch immer nicht fit. Coach Andy Reid ließ vor einigen Tagen bei ESPN durchblicken, dass Charles "noch etwas Zeit" brauche, um zurück zu kommen. Ein Einsatz in Week 1 wird zunehmend unwahrscheinlich.
Das bringt Ware in den Mittelpunkt. Der 24-Jährige (5,6 Yards pro Run, 6 Rushing-TDs 2015) war in Charles' Abwesenheit während der Saisonvorbereitung durchgehend der Nummer-1-Back in KC und profitiert von einer extrem effizienten Chiefs-Offense um Quarterback Alex Smith. Sollte sich Charles' Comeback weiter hinauszögern, würde Ware nicht nur für Fantasy-Spieler eine zunehmend wichtige Rolle einnehmen.
DeMarco Murray, RB, Tennessee Titans: Die oft diskutierte (und nicht selten verspottete) "Exotic-Smashmouth-Offense" von Titans-Coach Mike Mularkey sorgte in der Preseason für Staunen. Nicht nur Murray, sondern auch Rookie Derrick Henry beeindruckten in Tennessee und bereiteten, begünstigt von einer guten Run-Blocking-Line, Linebackern allerhand Probleme.
Es bleibt abzuwarten, ob die Titans ihr rigoroses Run Game auch aufziehen können, wenn sich gegnerische Defenses einen Game Plan zurechtlegen. Doch in jedem Fall ist es für Murray die große Chance, zu zeigen, dass die Katastrophen-Saison in Philadelphia tatsächlich primär durch desolates Blocking zustande kam und er selbst noch etwas im Tank hat. Gelingt ihm das nicht, stünde Henry wohl eher früher als später bereit. Die ganze Offense aber, inklusive Marcus Mariota, der mehr Read-Option-Spielzüge einstreuen dürfte, verspricht, interessant zu werden.
Die Defensive Line der Eagles: Keine Frage: Der überraschende Bradford-Trade dürfte klar gemacht haben, dass die Eagles bereit sind, die kommende Saison noch vor ihrem Start unter "Entwicklungsjahr" zu verbuchen. Berichten aus Philly zufolge wird Rookie Carson Wentz, der eigentlich 2016 möglichst gar nicht zum Einsatz kommen sollte, gar vor Chase Daniel starten, um Erfahrung zu sammeln - während das Receiving-Corps und auch die O-Line primär von offenen Fragen geprägt werden.
Von der Defense kann man das nicht gerade sagen, insbesondere mit Blick auf die Front Four: Die Eagles stellen ihre Defense auf eine 4-3 um und der neue Defensive Coordinator Jim Schwartz hat bereits in Buffalo gezeigt, wie verheerend seine aggressive 4-3 für Offenses (54 Sacks 2014) sein kann. Mit Brandon Graham, Fletcher Cox, Bennie Logan und Connor Barwin hat er in Philly ebenfalls das Potential dafür - es wird stark auf die D-Line ankommen, wenn die Eagles in der kommenden Saison konkurrenzfähig sein wollen.