NFL in München, ein Erlebnisbericht: Die Odyssee zum Presseeingang

Marcus Blumberg
15. November 202210:35
Ein exotisch aussehender Seahawks-Fan durfte in der Allianz Arena nicht fehlen.getty
Werbung
Werbung

Das historische erste NFL-Spiel auf deutschem Boden in der Münchner Allianz Arena war von außen betrachtet ein voller Erfolg. Hinter den Kulissen - und auf dem Weg dahin - taten sich jedoch mitunter Abgründe auf. Ein Erlebnisbericht von SPOX-Redakteur Marcus Blumberg.

Vorweg: Was Ihr im Stadion oder zuhause vor den TV-Geräten vom Spiel der Tampa Bay Buccaneers und Seattle Seahawks gesehen habt, war sicherlich eine sehr gute Inszenierung der National Football League, die durch die Bank zu Recht gefeiert wird - ich selbst habe das am Montag auch getan und stehe dazu.

Aber - und das ist ein großes "Aber" - wenn man rund um dieses Spiel arbeiten muss, dann gab es ein paar Dinge, die sicherlich verbesserungswürdig sind. Ich berichte hier einfach, was ich mit diesem Spiel erlebt habe. Und ich bin normalerweise eben kein Reporter vor Ort und habe deshalb keine wirklichen Vergleichswerte, da ich keinen Fußball covere und insofern die Stadion-Möglichkeiten für mich recht begrenzt sind. Das gibt mir allerdings auch einen unvoreingenommenen Blick auf die Dinge.

Ein Hinweis noch: Ich gehe hier chronologisch vor, was man ansonsten in einem derartigen Artikel nicht immer zwangsläufig tun sollte. In diesem Fall aber ist das denke ich durchaus angebracht.

NFL in München: Akkreditierung? Wie? Wann? Und überhaupt?

Die NFL ist eine hochprofessionelle und extrem lukrative Sportliga, die bereits seit 2007 internationale Spiele veranstaltet, seit fast zehn Jahren sogar mehrere pro Jahr. Meine unbedachte Erwartung wäre daher gewesen, dass diese Liga einen komfortablen und leicht zugänglichen Prozess hätte, um Akkreditierungen an Medienvertreter zu verteilen.

Nun, ganz so einfach ist das aber nicht. Im Gegenteil. Als ich erfahren habe, dass ich im November nach München fahren soll - ich lebe mittlerweile nicht mehr in Bayern, weshalb das eine gewisse Planung im Voraus erforderte -, war meine erste Frage recht simpel: Wie läuft das denn jetzt ab? Über drei Ecken erfuhr ich, dass man sich dafür erstmal im NFL-Comms-Portal anmelden muss. Gesagt, getan! Ich meldete mich also in besagtem Portal an, um dann die Info zu bekommen, dass mein Antrag "under review" sei. Anders formuliert: "Wir melden uns."

Das war irgendwann Anfang September. Eine Antwort, also eine Bestätigung meiner Anmeldung, bekam ich dann Anfang Oktober. Gleichzeitig hieß es, Akkreditierungen für München wären nun möglich. Und wieder: kein Problem, mach ich sofort!

Doch auch dieses Mal ging das dann alles andere als zügig. Nochmal: Nicht alle Besucher wohnen in München, ein gewisser Vorlauf für die Anreise wäre schon hilfreich. Eine Akkreditierungsbestätigung kam jedoch erst am Freitag - genau eine Woche vor dem Spiel. Und natürlich nicht reibungslos.

Vielmehr wurde ich aufgefordert, doch bitte eine Geschäfts-Mail-Adresse anzugeben. Man war der Meinung, dass "footballco.com" eine Privatadresse sei. Nach längerem Hin und Her akzeptierten sie dann aber, dass die (globale) Firma, zu der SPOX gehört, eben so heißt.

Ende gut, alles gut, oder? Tja, denkste. Das war nur der nächste erste nach den vorherigen ersten Schritten. Denn, merket auf: Wer sich für ein NFL-Spiel akkreditiert, der bekommt im Erfolgsfall erstmal eine Genehmigung. Anschließend muss man sich dann nochmal im selben Portal mit seinen ohnehin schon bekannten Daten inklusive Passbild ein weiteres Mal registrieren. Das sollte ja nun wirklich kein großes Problem mehr ... ha ha ha, just kidding!

Ein exotisch aussehender Seahawks-Fan durfte in der Allianz Arena nicht fehlen.getty

NFL in München: Das Kreuz mit dem Datum

Im Portal gibt man Name, Mail-Adresse, Geburtsdatum und Handynummer samt Passbild an. Es scheiterte bei mir am Geburtstag. Trotz Dropdown-Menü kam die Fehlermeldung: "Datumsformat ist falsch und sie müssen mindestens 18 Jahre alt sein. Das Datumsformat war das automatisch generierte - und ich bin mir relativ sicher, auch älter als 18 zu sein.

Es gab noch einen externen Link um genau die gleichen Daten einzugeben, und da ich nicht locker ließ, versuchte ich es dort nochmal. Und ich stellte durchaus euphorisch fest, dass mein Geburtsdatum dieses Mal kein Problem darstellte ... dafür aber die Handynummer. Im Portal ließen sich lediglich amerikanische Nummern im Format 3-3-4 eintragen. Meine urdeutsche Nummer passte nicht rein.

Es gab immerhin eine Support-Adresse, an die man sich vertrauensvoll wenden konnte, in solchen Fällen. Also schilderte ich mein Problem, schickte noch einen Screenshot und bekam als erste Idee den Hinweis zurück, doch mal Tag und Monat zu tauschen, denn wer weiß schon, ob da die amerikanische oder deutsche Reihenfolge gebraucht wird. Problem damit: Ich habe am 11.11. Geburtstag ... Ihr versteht schon.

Nachdem das auch bei den Kollegen angekommen war, übernahmen sie die Anmeldung und ich hatte endlich meine Akkreditierung sicher.

Doch nun versucht mal, zu der Zeit noch Hotel und Bahn halbwegs günstig zu buchen ...

Immerhin: Es herrschte Klarheit. Also halbwegs. Offen waren dann noch Akkreditierungen für diverse weitere Einzelevents wie Trainings, Pressekonferenzen und dergleichen. Jene, die von einer deutschen Agentur geregelt wurden, verliefen deutlich reibungsloser und direkter.

Was dann noch im Weg stand: Ach ja, die Anreise. Die Anreise - liebe Bahn, danke für nichts - war mal wieder ein Erlebnis. Dank einer Oberleitungsstörung wurde aus einer fünfstündigen Fahrt eine achtstündige Fahrt im ICE. Die Folge: Erster Termin - Training und PK der Seahawks an der Säbener Straße - im Eimer.

NFL in München: Odyssee zum Pressegate

Jedoch war ich am Donnerstag endlich in München und damit bereit für die weiteren Aufgaben. Erster Punkt: Eine "Health and Safety Tour" mit dem Chief Medical Officer der NFL, Dr. Allen Sills. Die Tour selbst - dazu demnächst mehr auf diesem SPOX - war ein voller Erfolg. Der Weg dahin jedoch ... Nun ja.

Stellt Euch vor, Ihr gehört nicht zu den Eingeweihten, die in der Allianz Arena - dort fand die Tour statt - regelmäßig ein und aus gehen. Die einzige Info, die ich im Vorfeld hatte, war, dass der Treffpunkt das Mediencenter neben dem Parkhaus S1 zu finden sei. Wie man da hinkommt? Tja.

Das Gute ist ja, dass so kurz vorm NFL-Spiel natürlich jede Menge Mitarbeiter vor der Arena umherschwirren und schon irgendwer Bescheid wissen wird. Oder? Der erste Security-Mensch, den ich konsultierte, sagte mir - völlig zu Recht: "Geh mal zum weißen Zelt, das ist der Service-Eingang!". Weißes Zelt? Klingt simpel genug.

Also auf zum weißen Zelt ganz links auf der Esplanade. Dort angekommen wollte man mich dann aber doch nicht reinlassen. Auch der Hinweis, dass der Treffpunkt ja das Mediencenter neben S1 sei, sorgte nicht für Einsicht. Vielmehr gab es folgende Wegbeschreibung: "Gehen's durchs Parkhaus da drüben ganz runter bis zur Straße und dann sehen's das schon." Heute weiß ich: Der direkte Weg, durch den man mich nicht lassen wollte, wäre einfach eine Rampe runter gewesen.

Doch ich musste ja durchs Parkhaus bis zur Straße runter. Die Straße ist natürlich im Grunde eine Autobahn und Fußwege gibt es dort auch keine. Und, ach ja, ganz nach unten kam ich auch nicht. Stattdessen gab es dort unter einer Brücke einen gepflasterten Abhang, den ich mich dann todesmutig herunterhangelte, nur um dann festzustellen, dass auch dort kein wirklicher Eingang zu finden war. Die Notlösung? Ab durchs Autogate! Dort schaute man mich etwas schief an, nachdem ich den Herren dort aber mitteilte, dass ich von SPOX bin, durfte ich tatsächlich rein.

NFL in München: Kein Mucks bei Tom Brady

Später am Tag gab es noch das Buccaneers-Training am FC Bayern Campus. Bis auf eine nicht vorhandene Soundanlage, was Aussagen von Head Coach Todd Bowles und Co. nur schwer verständlich machte, verlief dieser Termin recht entspannt. Im Übrigen war dieses Tonproblem keines, als dieser Bucs-Spieler mit der Nummer 12 eine Audienz gab. Das lag zum einen an seiner klaren, deutlichen und genügend lauten Stimme. Zum anderen aber auch daran, dass keiner einen Mucks machte, als Tom Brady sprach. Bei den anderen Bucs-Vertretern war das etwas anders ...

Am Spieltag selbst verlief die Anreise abgesehen von schon morgens völlig überfüllten U-Bahnen ziemlich reibungslos. Und selbst die Credentials, die man unglaublicherweise erst am Spieltag bekam, waren schnell und einfach abzuholen.

Einmal im Inneren der Arena angekommen, stellte sich nur noch das Problem, den eigenen Platz auf der Pressetribüne zu finden. Wie? Sind die nicht nummeriert? Doch, aber wie mir der Herr aus der Medienbetreuung schon zu Beginn sagte: "Die Nummern sind hinfällig, das wurde alles geändert." Hervorragend!

Dennoch geleitete er mich zu meinem Platz, was mich zur Frage brachte: "Ähm, gibt's hier keine Steckdosen?" Die Antwort letztlich: jein. Also zehn Meter weiter rechts gab es Steckdosen, an meinem Teil des Tischs hingegen nicht. Oder doch? Man weiß es nicht, denn nachdem ich nochmal im Presseraum war und wieder zurück an den Platz wollte, saß da plötzlich ein Buccaneers-Reporter, der darauf bestand, dass die komplette Reihe seinem Team gehöre.

Was also tun? Den Medienbetreuer erneut konsultieren. Und der führte mich dann mit gleichem Selbstbewusstsein dieses Mal zwei Reihen weiter nach links - an einem komplett anderen Platz mit komplett anderer Nummer als auf meinem Ticket vermerkt. "Die Nummern sind hinfällig, das wurde alles geändert." Joa, sicherlich ...

NFL in München: Kulturschock für Amerikaner

Und Steckdosen? Glücklicherweise gab mir ein Kollege vom Stern den Tipp, doch einfach mal unter den Tisch zu klettern, schließlich könnte da eventuell doch noch eine freie Steckdose sein. Und siehe da: Eine einzige war da tatsächlich noch. Zu meinem Glück brauchten die meine Sitznachbarn ohnehin nicht - der komplett in Vikings-Kluft gekleidete Kamera-Mann rechts neben mir saß da zwischen den Takes seines Kollegen ohnehin nur rum. Und die Dame links von mir ... also wenn sie tatsächlich zum Arbeiten da war, dann versteckte sich das gut. Sie spielte immerhin an ihrem Handy rum, wenn sie nicht gerade Spielszenen beklatschte.

"There is no cheering in the Press Box" ist die eine goldene Regel in den US-Sportmedien: Auf der Pressetribüne wird nicht angefeuert! Insofern dürften die amerikanischen Gäste an diesem Sonntag in München einen ziemlichen Kulturschock erlitten haben. Im Pressebereich liefen diverse Leute mit Trikots, Schals, Team Gear, Mützen und so weiter rum, die sich wie Fans verhielten und nicht den Anschein erweckten, wirklich zum Arbeiten da zu sein.

Doch die amerikanischen Reporter hatten auch Grund zur Freude, schließlich saßen sie viel näher am Geschehen als in den Staaten. Dort sind Presselogen in aller Regel irgendwo in der Ecke im Oberrang, fernab vom Spielfeld. In München ist die Pressetribüne auf der Westtribüne - also der Haupttribüne - im Grunde auf Höhe der 50-Yard-Linie. Beste Plätze also.

Würde ich's wieder machen? Sicherlich, hoffentlich schon nächstes Jahr, wenn die NFL erneut in München - oder vielleicht Frankfurt? - aufschlägt. Dann aber vielleicht mit etwas mehr Vorlauf, etwas mehr Struktur. Und idealerweise weniger Bahn-Katastrophen.