Die Kansas City Chiefs stehen wie schon im Vorjahr im Super Bowl und könnten als erstes Team seit den New England Patriots 2004 ihren Titel erfolgreich verteidigen. Doch wie schneidet das diesjährige Team im Vergleich zum Meister der Vorsaison im direkten Vergleich ab? Die Chiefs in der Datenanalyse.
Ganz trivial betrachtet sind die Chiefs von 2020auf dem Papier natürlich besser als die von 2019, denn sie haben schlicht zwei Spiele mehr gewonnen! 2019 beendeten sie das Jahr mit einer 12-4-Bilanz und Platz 2 der Setzliste, 2020 ging es mit 14-2 auf den Top-Seed der AFC.
Doch ganz so einfach ist es nicht. Ein Blick auf die Zahlen soll uns mehr Einblick geben.
Kansas City Chiefs in der Datenanalyse
Standard-Offense
Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt, dass sich die Chiefs in ihrer Offensivproduktion nahezu durch die Bank gesteigert haben.
Team | 2020 | 2019 |
Total Yards | 6653 | 6067 |
Pass Yards | 4854 | 4498 |
Rush Yards | 1799 | 1569 |
Punkte | 473 | 451 |
Drives | 163 | 164 |
Scoring-Quote (Prozent) | 47,9 | 48,8 |
Red-Zone-Scoring-Quote (Prozent, nur TD) | 61,43 | 60 |
Turnovers (Anteil an Drives in Prozent) | 16 (9,2) | 15 (7,9) |
Die Chiefs sind im Vergleich zum Vorjahr vor allem effizienter geworden. Bei nahezu der gleichen Anzahl an Drives erzielten sie fast 600 Yards und 22 Punkte mehr. Allerdings veränderte sich die Scoring-Percentage dabei nur geringfügig.
Der Anstieg an Punkten und Yards lässt sich vor allem damit erklären, dass Patrick Mahomes im Vorjahr fast drei ganze Spiele mit einer Knieverletzung verpasste. In diesem Jahr startete er 15 Partien und saß im Saisonfinale in Woche 17 zur Schonung draußen, war davor aber immer aktiv.
Was Turnovers angeht, ließ sich das hohe Niveau des Vorjahres essenziell halten.
Standard-Defense
Während die Offense-Produktion zugelegt hat, machte die Defense sicherlich einen Schritt zurück.
Team | 2020 | 2019 |
Total Yards | 5733 | 5594 |
Pass Yards | 3779 | 3543 |
Rush Yards | 1954 | 2051 |
Punkte | 362 | 308 |
Drives | 169 | 164 |
Scoring-Quote (Prozent) | 36,1 | 34,1 |
Red-Zone-Scoring-Quote (Prozent, nur TD) | 74,07 | 53,03 |
Takeaways (Anteil an Drives in Prozent) | 22 (13) | 23 (13,4) |
Wir sehen hier einen Anstieg bei den zugelassenen Yards und einen gravierenden Anstieg an zugelassen Punkten.
Die Erklärung dafür ist allerdings recht simpel und hat nur bedingt mit der Leistung der Chiefs insgesamt zu tun. Gegner sind generell in dieser Saison aggressiver geworden, weil sie aus dem Jahr 2019 gelernt haben, dass man gegen KC nicht konservativ spielen darf. Entsprechend wurde mehr auf den Pass und weniger auf den Lauf gesetzt.
Was die deutlich mehr zugelassenen Punkte angeht, liegt die Erklärung hierfür auf der Hand: Die eigene Red-Zone-Defense gleicht essenziell einem offenen Scheunentor! In mehr als 74 Prozent der Red-Zone-Trips ihrer Gegner ließen die Chiefs Touchdowns zu. Nicht nur sind sie damit klar schlechter als 2019, sie stellen auch die schlechteste RZ-Defense der gesamten NFL. Lediglich die Lions (72,31 Prozent) ließen ebenfalls in über 70 Prozent der Fälle Touchdowns zu.
Advanced Stats
In erster Linie schauen wir in diesem Abschnitt auf DVOA, also Defensive Value over Average (genauere Erklärungen dazu findet Ihr hier!), einer Rating-Statistik von Football Outsiders, die den Vorteil hat, dass sie nicht nur im Kontext von einer jeweiligen Saison aussagekräftig ist, sondern eben auch im Vergleich verschiedener Jahre.
Konkret geht es hierbei darum, wie effizient ein Team - und seine einzelnen einzelnen Units - auftreten. Generell gilt, dass für die Offense der Prozentwert so hoch wie möglich sein sollte, für Defense zu niedrig wie möglich.
Team | 2020 | 2019 |
Overall DVOA (Prozent) | 19,5 | 30,1 |
Offense DVOA (Prozent) | 23,9 | 23,5 |
Passing Offense (Prozent) | 49 | 46,9 |
Rushing Offense (Prozent) | -5,6 | -7,3 |
Defense DVOA (Prozent) | 4,9 | -2,6 |
Passing Defense (Prozent) | 6,7 | -3,9 |
Rushing Defense (Prozent) | 2,6 | -0,7 |
Die Zahlen von FO bestätigen in erster Linie das, was die Masse-Statistiken bereits angedeutet haben: Die Offense spielt weiter auf sehr hohem Niveau.
Die Defense jedoch ist problematisch. Und hier kommt besonders die schwache Red-Zone-Performance zum Tragen. Touchdowns haben großen Einfluss auf diese Betrachtung und wenn man so viele mehr, noch dazu in der Red Zone, zulässt, geht die Effizienz runter.
Insgesamt stürzte die Effizienz in der Defense um rund sechs Prozentpunkte. War die Chiefs-Defense im Vorjahr noch im oberen Mittelfeld unterwegs, belegte sie 2020 nur noch Rang 22 der Liga. Hauptgrund dafür ist klar ersichtlich die Pass-Verteidigung, die unter den aggressiveren Gegnern gelitten hat. Vom Personal her hat sich nämlich relativ wenig im Vergleich zur Vorsaison geändert.
Das wirft natürlich auch die Frage auf, ob die Defense als Ganzes im Vorjahr tatsächlich so gut war wie die Zahlen zeigen oder ob es ein Resultat einer Liga war, die versuchte, konservativer gegen die Chiefs zu spielen. Gemeint ist damit mehr Laufspiel, um die Uhr zu kontrollieren, sodass Mahomes und Co. seltener den Ball bekommen. Ein Mittel, das schlicht wenig effektiv ist.
Andererseits untermauert dieser Abfall von defensiver Effizienz und Produktion aber auch die generelle Annahme, dass sich Defense-Produktion wesentlich schwieriger auf konstantem Niveau halten lässt als offensive Produktion.
Pythagorean Wins
Die Offense blieb unterm Strich mindestens so gut wie im Vorjahr, die Defense wurde aber doch deutlich schlechter. Zu welchem Schluss bringt uns das nun?
Hier hilft ein Blick auf die sogenannten "Pythagorean Wins", die in diesem Fall nichts mit einem rechtwinkligen Dreieck zu tun haben. Vielmehr berechnet diese Metrik, wie viele Siege und Niederlagen ein Team anhand erzielter und zugelassener Punkte am Saisonende haben sollte.
Im Vorjahr kam anhand dessen ein Wert von 11,6 heraus. Die Chiefs gewannen 12 Spiele und lagen damit ziemlich genau bei der Bilanz, die anhand ihrer Punktedifferenz im Idealfall hätte herauskommen sollen.
2020 jedoch sah das anders aus! Nach den Pythagoräischen Siegen hätten die Chiefs in der laufenden Saison nämlich nur 10,7 Punkte holen sollen, sie gewannen aber 14 Partien. Das ist durchaus ein gravierender Sprung. Trivial gesagt spielten sie also ein wenig über ihren Möglichkeiten, denn zwei bis drei Siege weniger wären mit ihrer Punktebilanz realistischer gewesen.
Und das ist durchaus alarmierend. Denn wer so viele Spiele mehr gewinnt als die Metrik suggeriert, hatte in der Regel viel Glück. Und mit Glück lässt sich in der Regel nicht planen.
salcorpenterprise.comExpected Points Added
Ein ebenfalls guter Indikator für Erfolg im Football sind die Expected Point Added (zur Erklärung hier entlang!) und hier speziell die EPA/Play. Sie sagen aus, wie viele zu erwartende Punkte ein jedes Play der Mannschaft wert ist.
Die folgende Betrachtung ist der Einfachheit halber spielstandsneutral und auf alle Viertel sowie alle Downs bezogen.
Offense
Team | 2020 | 2019 |
EPA/Play | 0,194 | 0,170 |
Success Rate (Prozent) | 50,9 | 48 |
Dropback EPA | 0,302 | 0,282 |
Dropback Success Rate (Prozent) | 55 | 51,6 |
Rush EPA | -0,030 | -0,064 |
Rush Success Rate (Prozent) | 42,2 | 40,7 |
Die Chiefs belegten im Liga-Vergleich sowohl 2020 als auch 2019 jeweils den zweiten Rang in der Offense - letztes Jahr lagen die Ravens vorn, dieses Jahr die Packers.
Dennoch bestätigt sich auch hier, dass die Offense insgesamt noch effizienter geworden ist. Das liegt hauptsächlich am Passspiel - das Laufspiel ist zumindest etwasweniger ineffizient, aber ohnehin zu vernachlässigen, da die Chiefs in der Regel ohnehin weitgehend darauf verzichten.
Wie dominant diese Unit ist, untermauert auch die Success Rate - in mehr als der Hälfte aller Plays kreiert die Chiefs-Offense positive Plays, also solche, die positive EPA beisteuern. Dass das hauptsächlich über das Passspiel läuft, entspricht dem allgemeinen Liga-Trend.
Defense
Team | 2020 | 2019 |
EPA/Play | 0,065 | 0,009 |
Success Rate (Prozent) | 47,5 | 44,7 |
Dropback EPA | 0,078 | 0,029 |
Dropback Success Rate (Prozent) | 48,5 | 45,9 |
Rush EPA | 0,043 | -0,028 |
Rush Success Rate (Prozent) | 45,7 | 42,5 |
Und nochmal: Die Defense ist deutlich weniger stabil als noch im Vorjahr. Sie gibt pro Play deutlich mehr EPA ab als noch 2019, was einmal mehr hauptsächlich an der Passverteidigung liegt. Allerdings lässt sich auch ablesen, dass Gegner, die aufs Laufspiel gesetzt haben, durchaus Erfolg damit hatten. Im Vorjahr war dies noch nicht der Fall.
Das heißt freilich nicht, dass Gegner gegen die Chiefs nun mehr auf den Lauf setzen sollten - auch nicht die Bucs, die derartige Tendenzen immer mal wieder an den Tag legen.
Fazit
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Während die Offense insgesamt das Niveau des Vorjahres gehalten hat, machte die Defense einen Schritt zurück. In der Summe muss das wohl heißen, dass das Team insgesamt ein wenig an Dominanz verloren hat.
Die Chiefs sind immer noch auf sehr hohem Niveau unterwegs und im Super Bowl sicherlich auch favorisiert, doch die Tatsache, dass sie klar mehr Spiele gewonnen haben als ihre Punkte-Differenz es suggeriert, bleibt ein Fakt, der mit Blick auf den Super Bowl zumindest für ein wenig Unruhe sorgen sollte.