Die Baltimore Ravens präsentieren Defenses ganz neue Herausforderungen, während Tua Tagovailoa in London sein Comeback gibt. Müssen wir uns um die Chiefs Sorgen machen? Und sollten die Panthers nicht von anderen Teams lernen können? SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 6 in der NFL.
Emotionale Charaktertests waren definitiv ein Thema dieser Woche. Die Raiders, die nach dem Skandal um Jon Gruden eindrucksvoll in Denver gewannen - und die Arizona Cardinals, die das einzige ungeschlagene Team in der NFL bleiben. Und das obwohl man - gegen zugegebenermaßen ebenfalls stark angeschlagene Browns - ohne Coach Kingsbury, ohne Chandler Jones, ohne Rodney Hudson, ohne Maxx Williams und mit dem Assistant Wide Receiver Coach als Play-Caller nach mehreren Corona-Fällen in Cleveland antreten musste. Insbesondere Kyler Murray stellte seinen Reifeprozess in dieser Partie abermals unter Beweis.
Ein anderes übergreifendes Thema in dieser Woche waren für mich die Quarterbacks, genauer gesagt die "Mid-Level"-Quarterbacks. Über Sam Darnold werde ich später noch im Detail etwas schreiben, aber auch andere Kandidaten wie Teddy Bridgewater, wie Tua Tagovailoa - auch zu ihm gleich mehr - oder, wenn man ein Regal tiefer geht, Goff, Heinicke und Co. machten deutlich, wie frustrierend es sein kann, sobald man sich südlich der Top-12 auf der Position bewegt.
Der Name, den man hier vielleicht am prominentesten nochmals erwähnen muss, ist Baker Mayfield. Über Mayfield werde ich heute nicht direkt wieder im Detail schreiben, nachdem ich bereits vor zwei Wochen gerade bei Mayfield die Idee in den Raum geworfen hatte, dass er das Gesicht auch aus vertraglicher Perspektive einer neuen Quarterback-Mittelklasse werden könnte - oder, besser: werden sollte.
Mayfield war maßgeblich mitschuldig daran, dass die Browns gegen Arizona aus einem tiefen Loch herauskommen musste. Ein Turnover on Downs ging auch auf sein Konto, weil er offene Receiving-Optionen liegen ließ, der Strip Sack war desaströse Pocket-Präsenz spät im Down, die Interception ein übler Overthrow - Mayfield legte Arizona die beiden Field Goals auf dem Silbertablett auf.
Dass er die Armstärke hat, zeigte er beim Hail Mary - der in puncto Air Yards längste Pass mindestens der letzten fünf Jahre, seit Next Gen Stats diese Daten erfasst - dass er tough ist, zeigte er, als er nach einem harten Hit auf seine bereits lädierte Schulter wieder rein kam.
Der Punkt mit Mayfield ist: Wir haben die Warnsignale mit Jared Goff bereits gesehen. Ich bin der Meinung, dass Mayfield der bessere Quarterback ist, aber was ich meine, ist, dass ein Quarterback deutlich von einer sehr angenehmen Offense profitiert.
Einer Offense, die ihm offene Würfe kreiert, viel Play Action, eine sehr gute Offensive Line, ein gutes Run Game, ein exzellenter Head Coach - und dass er in diesen Umständen funktioniert. Aber wenn man ihm dann den teuren Vertrag geben muss, während Defenses sich besser auf die Offense einstellen, muss man die Offense irgendwann anpassen und mehr vom Quarterback verlangen. Daran ist die McVay/Goff-Ehe zerbrochen.
Cleveland sollte am Verhandlungstisch eine harte Linie mit Mayfield fahren. Und sich im Vertrag strukturell die Möglichkeit offenlassen, hier ein Upgrade einzubauen. Die bisherige Saison unterstreicht diese Position.
Los geht es aber mit Mayfields Division-Rivale Lamar Jackson - bei dem sich die Ravens vermutlich wünschen würden, dass sie ihm vor der Saison einen neuen Vertrag gegeben hätten.
Die Ravens sind das gefährlichste Team in der AFC
Baltimores Offense fasziniert mich dieses Jahr. Weil die Ravens in der Offensive Line schon das ganze Jahr über angeschlagen sind und diverse Kombinationen ausprobieren müssen. Weil sie nach all ihren Running-Back-Verletzungen eine Identität gesucht haben, und weil sie gegen verschiedene Teams verschiedene Wege finden mussten.
Ein Punkt ist dabei glasklar, und ich hatte in meinem Quarterback-Ranking letzte Woche bereits geschrieben, dass man schon bewusst wegschauen muss, um nicht zu sehen, wie verändert diese Offense spielt. Baltimore attackiert deutlich mehr durch die Luft und lädt generell deutlich mehr auf Lamar Jacksons Schultern ab - und Jackson nimmt diese Herausforderung an.
Jackson hatte bereits mehrere beachtliche Auftritte durch die Luft, er ging in den Spieltag als der Quarterback mit der höchsten durchschnittlichen Target-Tiefe. Ich hatte mir im Vorfeld der Partie bereits angeschaut, wie Baltimore zu seinen Shot-Plays kommt, und drei Dinge fielen dabei besonders auf:
Baltimore arbeitet gut mit High/Low-Crossern, um Safeties in Konflikt zu bringen. Die Ravens nutzen Andrews vielseitig, um den Ball vertikal zu ihm zu bringen. Sie können vertikal attackieren, weil Jackson als Scrambler einen eingebauten Notausgang präsentiert, welcher trotz aggressiver Herangehensweise im Passspiel einen Floor dazu liefert.
Und wenn Defenses den zusätzlichen Verteidiger gegen Jackson und das Option Run Game in die Box bringen und Outside Eins-gegen-Eins-Coverage präsentieren, ist Jackson mehr als nur gewillt, diese Matchups zu attackieren.
Wenig überraschend boten die Chargers diese Gelegenheiten nicht. L.A., wie wir es von Staley mittlerweile kennen, saß primär in seinen 2-high-Looks und bot Jackson die Shot-Plays nicht an: Lamar beendete das Spiel mit nur einer Completion über mehr als 15 Yards Downfield. Aber die Ravens hatten einen exzellenten Game Plan dagegen.
Baltimore hatte früh einige gute Plays Underneath, Jackson traf mehrfach sehr gut auch zwischen Verteidiger über das Zentrum, mehrere Sidearm-Würfe kamen präzise. Dazu Jet Sweeps, Scrambles, Rashod Bateman hatte einige First-Down-Catches - und eben das Run Game. Für 187 Yards liefen die Ravens gegen die Chargers, und das mit sehr konstanten Runs. Kein einziger Run ging über mehr als 22 Yards.
Es unterstreicht, wie vielseitig Baltimore offensiv auftreten kann. In den drei Wochen davor spielte Baltimore mitunter eine furiose vertikale Attacke durch die Luft, dieses Mal war es primär das Run Game, welches das Spiel kontrollierte.
Und das geht auch in einen übergreifenden Punkt über, welcher nicht zum ersten Mal in dieser Saison aufgefallen ist - zuletzt in der Vorwoche gegen Cleveland. Staleys Defense-Struktur in sich ist schlüssig, modern und bringt viele positive Aspekte. Aber wir sehen gerade eindrucksvoll, dass eine gewisse Qualität in der Defensive Line notwendig ist, um daraus den Run verteidigen zu können. Andernfalls werden die vielen leichten Boxes überrannt, und der Druck auf die eigene Offense wird signifikant erhöht.
Die Ravens haben eine Top-5-Offense, und das liegt maßgeblich daran, dass Lamar Jackson wie ein Top-5-Quarterback und ein legitimer MVP-Kandidat spielt. In diesem AFC-Topspiel, in welchem sein Gegenüber Justin Herbert einfach einen schlechten Tag hatte und zu viele Bälle verfehlte und das Feld auch nicht gut las, waren die Ravens dominant.
Baltimores Offense kann, vielleicht eindrucksvoller als jedes andere Team, auf verschiedenste Arten Spiele gewinnen. Nach Expected Points Added pro Play haben die Ravens mit Abstand die gefährlichste Passing-Offense bei Early Down. Die Bills sehen aktuell wie das kompletteste Team in der AFC und vielleicht der gesamten NFL aus; die Ravens aber sind für mich das gefährlichste Team in der AFC Stand heute.
Müssen wir uns um die Chiefs Sorgen machen?
Ich weiß nicht, ob ich von Patrick Mahomes seit er in der NFL ist eine ähnlich üble Entscheidung gesehen habe, wie diese Interception kurz vor der Halbzeitpause, wo er den Ball irgendwie noch loswerden will, während er schon zu Boden geht und ein Wackelball einfach in den Händen der Defense landet.
Die Panik war sehr real früh in der zweiten Hälfte, als die Chiefs auf bestem Wege schienen, das Spiel leichtfertig weg zu werfen.
Jener Pick war bereits Mahomes' zweite Interception in diesem Spiel, der erste Pick unterstrich dabei eine andere Storyline: Es war ein sauberer Pass von Mahomes auf Tyreek Hill, der den Ball durch die Hände gleiten ließ und der Abpraller landete beim Verteidiger. Zum wiederholten Male in dieser Saison hatte Mahomes also Interception-Pech gehabt; wo er letztes Jahr häufig Glück hatte, ist das dieses Jahr ins klare Gegenteil umgeschlagen.
Der zweite Pick war nichts in der Richtung, das war eine desolate Entscheidung. Etwas, das wir von Josh Allen in seinem ersten NFL-Jahr gesehen haben, oder in seinen wilden Momenten von Jameis Winston. Nicht von Mahomes, und vor allem nicht bei Mahomes unter Andy Reid.
Und dieser zweite Pick kurz vor der Halbzeitpause geht über in eine Thematik, die bereits letzte Woche gegen Buffalo auffällig war. Damals hatte ich gesagt, dass das für mich das schlechteste Spiel war, das ich von Mahomes bisher in der NFL gesehen habe - und ein maßgeblicher Grund dafür war, dass Mahomes Dinge erzwingen wollte.
Etwas überspitzt formuliert hatte man den Eindruck, dass er mit jedem Pass ein Big Play kreieren wollte. Dass jeder Pass am besten gleich zwei Touchdowns einbringen sollte, und ich denke, die Vermutung ist nicht allzu weit hergeholt, dass die Erfahrungen der letzten Wochen mit seiner eigenen, historisch schlechten Defense dieses Gefühl bei Mahomes haben entstehen lassen.
Kansas Citys Floor ist weiterhin hoch
Gegen Buffalo wirkte die ganze Offense so unheimlich hektisch. Der Spielraum für Fehler für diese Unit ist minimal, und Kansas City leistet sich zu viele Turnover, gerade in der gegnerischen Hälfte, wovon jeder einzelne wiederum wie ein gigantisches Bleigewicht auf der Offense lastet.
Und ich will nicht sagen, dass das der alleinige Grund ist. Dass Mahomes sein gewohntes, spektakuläres Selbst wäre, abgesehen von einzelnen Plays, wo er zu viel will und dann Fehler daraus resultieren, garniert mit einer Prise Pech was die Turnover angeht. Und gleichzeitig ist das aber auch Teil des Grundes dafür, warum sich meine Sorgen auch weiterhin in Grenzen halten.
Mahomes nämlich hatte auch in den ersten Wochen der Saison durchaus seine Fehler gemacht - dennoch hatten die Chiefs die mit Abstand produktivste Offense in der NFL über die ersten vier Spieltage. Weil Reids Play-Designs aus kurzen, sicheren Pässen Big Plays kreierten, weil die Chiefs den Ball konstant bewegen können, weil das Run Game phasenweise sehr gut aussah und weil einzelne Big Plays von Mahomes dann zusätzlich obendrauf kommen.
Ein Playoff-Run für KC ist weiterhin denkbar
Gegen Washington war das Spiel - unter Mithilfe von Taylor Heinicke und Washingtons Offense - dann am Ende deutlich, auch wenn es lange nicht danach aussah. Die Chiefs gingen einmal mehr über 30 Punkte, trotz all der Turnover. Das unterstreicht die Qualität dieser Offense was die Struktur von Andy Reid und Co. angeht.
Und es untermauert einen anderen Punkt: Der Floor dieser Offense ist immer noch immens hoch. Was die Defense angeht, ohne Frage, KC war hier bisher eine Horrorshow. Gegen Washington war es dann phasenweise etwas besser, aber es war eben auch gegen ein Team, das seine ganz eigenen Probleme hat.
Washington ist nicht der Maßstab, wenn wir davon sprechen, welche Teams die Chiefs schlagen müssen, um einen Playoff-Run hinzulegen. Und doch würde ich das Spiel als Hinweis darauf sehen, dass Kansas City defensiv sicher nie dominant sein wird, aber zumindest nicht so horrend schlecht wie in den ersten fünf Spielen für den Rest der Saison bleibt. Wenn die Defense wieder irgendwo im unteren Liga-Drittel steht und Mahomes wieder konstanter in der Struktur der Offense spielt, sehe ich Kansas City definitiv weiter in den Playoffs und bin auch weiterhin nur bedingt besorgt was die Chiefs angeht.
Tuas Comeback für die Dolphins: Entscheidung erst 2023?
Was für ein absurdes Spiel in London.
Ein London-Spiel zwischen zwei - man muss es so deutlich sagen - sichtbar schlechten Teams, das am Ende zugunsten der Jaguars entschieden wurde, weil Flores offenbar nicht vermutete, dass Jacksonville innerhalb von fünf Sekunden einen kurzen Pass anbringen und in Field-Goal-Reichweite kommen könnte, um dann nach einer Timeout den Game-Winner zu kicken.
Aber im Fokus stand aufseiten der Dolphins Tua Tagovailoa, der nach Verletzungspause sein Comeback gab - und dessen weitere Evaluierung der wichtigste Punkt der übrigen Dolphins-Saison ist, die sportlich spätestens mit dieser Niederlage nur noch überschaubaren Value mitbringt.
Fangen wir mit einigen positiven Aspekten an. Einige schnelle Play-Action-Designs sowie Run Pass Options aus der Pocket, einige auch klar so designte One-Read-Plays gaben dem Hawaiianer einige angenehme Pässe. Auch der Touchdown-Pass zu Waddle war Pre-Snap bereits entschieden, Waddle stand Eins-gegen-Eins mit deutlicher Off-Coverage, und Tua drehte sich nach dem Snap nur in seine Richtung.
Tagovailoa hatte auch einige gute Plays individuell. Bei einem frühen langen Third Down (Third-and-Six) manipulierte er die Mitte der Coverage mit seinen Augen, um dann mit dem Ball woandershin zu gehen. Er hatte einige gute Plays innerhalb der Pocket, wo er sich gut bewegt und im exakt richtigen Moment in die Pocket tritt. Wenn Jacksonvilles Pass-Rush das Zentrum offen ließ, scrambelte er einige Male gut.
Und man sah seine beiden besten Qualitäten als Passer mehrfach: Schnelle Entscheidungen bei Run Pass Options, sowie der Touch über die Mitte. Der war früh bereits sichtbar, und auch beim Touchdown-Drive zu Beginn des vierten Viertels - vermutlich Miamis bester Drive in diesem Spiel - zeigte er diese Qualität.
Tagovailoas Comeback: Grund zur Sorge in Miami?
Man kann mit Tagovailoa ein wenig nachsichtig sein, im ersten Spiel zurück nach einer erneuten Verletzungspause. Zumal die Total Stats gut aussehen. Aber wenn wir darüber sprechen, dass die Dolphins Tagovailoa in der verbleibenden Saison bestmöglich evaluieren müssen, gegebenenfalls als Weichenstellung für die Zukunft, dann muss man diesen Maßstab auch entsprechend im Hinterkopf haben.
Tagovailoas Mechanics wurden mehrfach wacklig gegen Druck, die Armstärke offenbarte sichtbare Defizite, beides sind keine neuen Erkenntnisse. Ich würde, wenn wir vom Maßstab sprechen, bei Tagovailoa zunehmend eher den eines "Game Managers" anwenden. Natürlich kann er sich noch entwickeln, aber das ist die Prognose, die seine bisherige NFL-Karriere nahelegt.
Er profitierte von simplen Reads durch RPOs und Screens und angesichts einiger riesiger Lücken in der Jaguars-Secondary. Er war einige Male deutlich Off-Target, unter anderem bei Third-and-Goal, wo er zum Running Back aus dem Backfield ging, der aber auch deutlich vor der Goal Line mit dem Rücken zur Endzone gestanden hätte, wäre der Ball akkurater gekommen. Einige Bälle kamen zu hoch, einige Entscheidungen waren fragwürdig.
Und dann war da natürlich die Interception, ein echter Horror-Wurf, wo er zunächst einen Sekundenbruchteil zögert, dann den Ball doch wirft - und der Verteidiger, der die ganze Zeit an der gleichen Stelle stand, den Ball abfängt, ohne Receiver in der Nähe.
Dolphins: Bekommt Tua noch 2022?
Ich hatte in dieser Saison bereits einige Male über den Rebuild der Dolphins gesprochen, der jetzt ohne Zweifel in der kritischen Phase angekommen ist. Der einfache Part eines radikalen Rebuilds in der NFL ist das Sammeln von Ressourcen - diese Ressourcen dann in sportliche Säulen einer neuen Ära zu verwandeln, das ist der Knackpunkt und bei den Dolphins ist es derzeit mehr als fair, anzuzweifeln, ob das funktioniert.
Was Tua angeht habe ich zunehmend eine relativ klare Prediction. Die Dolphins werden im kommenden Draft aller Voraussicht nach tiefer picken, als ihre finale Bilanz vermuten lassen wird: Durch den Uptrade für Waddle hat Miami seinen eigenen First Rounder 2022 abgegeben und hält stattdessen den der 49ers.
Eine enttäuschende Saison mit rechnerischem Top-10-Pick wird die Dolphins also nicht automatisch in Reichweite für einen Quarterback im Draft befördern.
Dazu kommt, dass die Dolphins dann 2023 nochmals zwei First Rounder in ihrem Arsenal haben, den eigenen und den der 49ers. Tua 2022 nochmals - vielleicht mit einer besseren Offensive Line - eine Art "Do-or-Die-Jahr" zu geben, und sich in puncto Ressourcenverteilung bereits darauf auszurichten, 2022 einen Quarterback-Neustart zu wagen.
Die spannende Frage ist dann natürlich, ob Brian Flores und Chris Grier noch ihre Ämter innehaben werden, um diesen erneuten Rebuild innerhalb des Rebuilds anzuführen. Dass deren Herangehensweise und Roster Building hier ganz eindeutig mit Teil des Problems ist, darüber hatte ich bereits ausführlicher geschrieben.
Flores' Vorstellung in London war nicht das erste Mal, dass man sein In-Game-Coaching hinterfragen darf. Die Dolphins sind einen Damien-Harris-Fumble davon entfernt, 0-6 zu stehen und das obwohl Brissett ohne den verletzten Tua seine Sache ordentlich machte. Die Probleme in Miami gehen weit über alle (berechtigten) Quarterback-Fragen hinaus.
Patriots vs. Cowboys: Coaching-Fragen auf beiden Seiten
Das Duell der Patriots gegen Dallas hatte mehrere faszinierende Aspekte. Die beiden Turnover von Dak Prescott direkt vor der Endzone - wobei er einmal vermutlich schon in der Endzone war und beim nächsten Play ihm dann der Ball kurz vor der Endzone aus der Hand geschlagen wurde - prägten die Partie natürlich.
Oder die In-Game-Entscheidungen auf beiden Seiten; da waren einige mehr als nur fragwürdige Entscheidungen von Belichick und McCarthy mit dabei, und Belichick muss sich mit einigen der Punt-Entscheidungen (die Pats punteten bei Vierter-und-Vier, Vierter-und-Drei, Vierter-und-Zwei und Vierter-und-Eins, Dallas scorte direkt im Gegenzug zwei Touchdowns und ein Field Goal) oder auch mit dem Kneeldown mit eineinhalb Minuten auf der Uhr vor der Halbzeitpause nach diesem Spiel ebenfalls hinterfragen.
Belichick ist derzeit ziemlich schwach was In-Game-Management angeht, und in diesem Spiel fiel es ihm eindrucksvoll auf die Füße. New England hat nicht ansatzweise den Spielraum, um derart konservativ zu agieren.
McCarthy steht nur deshalb besser da, weil Diggs' Pick Six darüber hinwegtäuschte, dass er ein Field Goal bei Vierter-und-Zwei kicken ließ, um den Patriots selbst bei einem Treffer den Ball mit über zweieinhalb Minuten auf der Uhr und nur zwei Punkte im Rückstand zurückzugeben.
Aber dass die Patriots dieses Spiel in die Overtime brachten - dass sie erstmals in der Mac-Jones-Ära über 25 Punkte machten - lag auch maßgeblich daran, dass die Offense zumindest mal für ein Spiel aufwachte. Mehr Kreativität im Passspiel, mehr Shot Plays für Mac Jones, die Wildcat zum Touchdown, gute Play-Action-Designs: New England hat hier definitiv positive Ansätze gezeigt. Das gilt für das Play-Calling, aber auch für Jones selbst, der enge Fenster attackierte, der aggressiver spielte.
Funktioniert die Cornerback-Defense noch?
Doch ich hatte auch einen übergreifenden Gedanken, der bereits einige Male dieses Jahr aufpoppte, nicht zuletzt in meinem Video-Malibag letzte Woche, mit Blick auf die deutliche Klatsche der Dolphins gegen Tampa Bay. Als Frage formuliert: Müssen wir umdenken, wenn es darum geht, wie man Defenses am besten zusammenstellt?
Hier gibt es ohnehin zwei klare Standpunkte; Cap Space und Draft-Ressourcen primär in die Front investieren, oder eine dominante Coverage-Unit aufbauen, um dann daraus aggressiv spielen zu können?
Belichick versuchte defensiv alles Mögliche - am Ende hatte Prescott 445 Passing-Yards aufgelegt, so viele wie noch nie ein Quarterback zuvor gegen die Patriots unter Belichick, inklusive Playoffs. Und es war auffällig, wie klar er nach außen dabei ging. Natürlich sind das zwei einzelne Beispiele, aber wenn wir uns anschauen, wo die Liga hingeht und wo die generelle Tendenz im Football hingeht, dann ist es schon eine Frage, die man in den Raum stellen kann.
Grundsätzlich bin ich ein Verfechter der Idee, eine Defense über eine dominante Secondary aufzubauen und dann via Blitzing und Pass-Rush-Designs in der Front Plays zu machen. In meinen Augen gibt einem das defensiv mehr Möglichkeiten, in der ohnehin von Offenses dominierten Liga häufiger auch das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und selbst mehr zu diktieren. Und: Elite-Cornerbacks sind nach wie vor signifikant günstiger als Elite-Edge-Rusher, also auch in der Hinsicht kann es ein Vorteil sein, eine Defense so aufzubauen.
Defenses: Mehr Fokus auf die Front
Aber der Trend aus dem College ist ziemlich offensichtlich: Seit Jahren wird eine enorme Wide-Receiver-Qualität in die NFL gepumpt, und angesichts der Art und Weise, wie im College schon seit einer ganzen Weile gespielt wird - längst auch auf dem höchsten College-Level - sehe ich auch nicht, dass das zeitnah endet.
Die Effekte sehen wir ja längst in der NFL, mit den salonfähigen Varianten der Air Raid Offense, mit 4-Receiver-Sets, mit mehr und mehr Offenses die eine schlagkräftige Nummer 3 und Nummer 4 in ihrem Waffenarsenal haben. Sprich: Es ist immer schwieriger für Defenses, Coverage Units aufzubauen, die hier mithalten können. Und die Secondary in einer solchen Defense ist eine Weak-Link-Positionsgruppe, heißt: Eine Schwachstelle, und die Offense kann sich ihre Matchups zurechtlegen.
Damit will ich nicht sagen, dass es künftig unmöglich sein wird, eine dominante Defense auf diese Art und Weise aufzubauen; die Ravens wären das Gegenbeispiel, und eine dominante Defense die wirklich über einen längeren Zeitraum durchweg dominant ist - nun, das gibt es quasi nicht mehr in der heutigen NFL.
Aber so wie die besten Offenses mehr und mehr auftreten, die Spread-Offenses, aber auch die Wide-Zone-Play-Action-Teams, tendiere ich mehr und mehr dazu, die Front stärker in den Mittelpunkt zu rücken als ich das noch vor einem Jahr gemacht hätte.
Panthers und Darnold: Lernen aus den Fehlern anderer
Ich hatte hier überlegt, ob ich diesen Teil schreiben will, nachdem Darnold den spektakulären Drive kurz vor Schluss zum Ausgleich hingelegt hatte. Aber irgendwo ist ja genau das Teil des Problems mit Darnold - er gibt dir gerade genug, um wieder ein bisschen Hoffnung zu haben, dass hier ja doch der Franchise-Quarterback unter dieser Oberfläche wackliger Auftritte und einzelner Highlight-Plays, gefolgt von langen Phasen wo er komplett abtaucht, liegt.
Darnold kann gerade so gut genug sein, das sollte eine eigene Quarterback-Kategorie sein. Aber das ist keine Basis, auf die man die Franchise ausrichtet. Deshalb: Sam Darnold ist ein Thema, vielleicht gerade nach diesem Spiel.
Ein wenig hatte ich letzte Woche bereits über die Panthers und Broncos geschrieben, eher mit Blick darauf, dass beide als Team insgesamt nach jeweils sehr guten Starts in der Realität angekommen sind - eine Realität im oberen Mittelmaß, was in der NFL gefährlich schnell zu einer Sackgasse wird. Dann nämlich, wenn man regelmäßig im Dezember noch um ein Playoff-Ticket spielt, zur Liga-Spitze aber klar noch ein Schritt fehlt und man im Draft dann irgendwo in der Mitte pickt.
Insbesondere bei Darnold ist der Trend bereits seit einigen Wochen nochmal eine Stufe deutlicher, und hier wird es Zeit für klarere Worte.
Darnold übersieht offene Receiver - selbst dann, wenn diese per Design Raum erhalten haben -, er lädt selbst zu häufig den Druck ein und wenn er hinter der, zugegebenermaßen wackligen, Panthers-Line Druck bekommt, wird es immer häufiger schnell wild. Er ist ungenau, er macht klare Fehler in seinen Reads, er produziert Turnover, kurzum: Darnold spielt nicht gut. Darnold spielt zunehmend schlecht.
Das Spiel gegen die Eagles letzte Woche hätte im dritten Viertel bereits eine klare Sache zugunsten der Panthers sein müssen. Aber Darnold und die Offense - auch bedingt durch eine schwache Offensive Line - konnten nie den Deckel auf diese Partie machen, sodass Philly am Ende zurückkam. Gegen Minnesota diese Woche führten die Panthers Mitte des dritten Viertels mit 53 Net-Passing-Yards auf dem eigenen Konto, nachdem das Special Team einen Punt geblockt und zum Touchdown zurückgetragen hatte.
Ich denke es ist klar, dass das keine Formel für langfristigen Erfolg ist. Um in der heutigen NFL nachhaltigen Erfolg zu haben, braucht man in erster Linie eine Top-Offense, und dafür unweigerlich einen zumindest guten Quarterback. Davon ist Darnold aktuell weit entfernt.
Panthers sollten ihren Fehler nicht noch verschlimmern
Ich würde in doppelter Hinsicht jetzt noch weiter denken: Die Panthers sollten definitiv in der kommenden Offseason im Quarterback-Markt sein. Ja, sie haben die Fifth-Year-Option bei Darnold gezogen, was aktuell wie ein ziemlicher Fehlgriff aussieht. Aber einen Fehler mit einem weiteren Fehler zu einem schlimmeren Fehler zu machen, bringt niemanden weiter. Im Gegenteil. Auf Darnold zu setzen war immer ein riskantes Spiel, weil er abgesehen von einzelnen Highlight-Plays bisher nie in der NFL gezeigt hat, dass er mehr als ein durchschnittlicher Quarterback sein kann.
Und sie sollten aufhören, Picks und Cap Space für den Kader Jetzt zu investieren - dabei schaue ich vor allem auf den Trade für Stephon Gilmore, der zwar nicht viel Draft-Kapital gekostet hat, aber der für die restliche Saison Cap Space kosten wird, welcher nächstes Jahr fehlt.
Der andere Punkt? Darnold zu evaluieren ist schön und gut, und ich sage auch nicht, dass man ihn kommende Woche benchen sollte. Aber wenn der Trend bei ihm so weiter geht, dann würde ich anstelle der Panthers in der zweiten Saisonhälfte früher oder später darüber nachdenken, ob man nicht mit PJ Walker vielleicht ein ganz anderes Element in die Offense bringen möchte, um eine Art Kickstart durchzuführen.
Darnold macht die Panthers aktuell im Gesamtbild - ja, der letzte Drive war zumindest mal spektakulär - nicht besser, im Gegenteil, er macht eine solide Grundstruktur inkonstant, weil er inkonstant spielt. Er kreiert wenige Big Plays, er macht wenig außerhalb der Struktur, und innerhalb der Struktur ist er eben - inkonstant. Wie er es im College bereits war und wie er es bei den Jets auch war.
Und ja, die Umstände bei den Panthers sind besser. Doch einen bestenfalls mittelmäßigen Quarterback mit allen Mitteln zu einem leicht überdurchschnittlichen Quarterback zu machen, bringt eine Franchise nicht weiter. Carolina ist noch deutlich davon entfernt, ein Titelkandidat zu sein, und so wie Darnold aktuell spielt, sind sie auch von den Playoffs noch ein gutes Stück weit weg.