Von Troublemakern und Musterknaben

Von Adrian FrankeMarcus Blumberg
25. April 201509:17
Wer wird der erste Pick? Winston, Mariota, Williams oder doch Cooper (v.l.n.r.)?getty
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Der Höhepunkt der NFL-Offseason wirft seine Schatten voraus - der Draft! Am Freitag (ab 1:30 Uhr im LIVE-TICKER) steigt erstmals im Auditorium Theater von Chicago die Auswahl der Toptalente. Wer ist die Nummer eins - Troublemaker Jameis Winston oder Familienmensch Marcus Mariota? Wer sind die besten Verteidiger und woran müssen die künftigen Stars noch arbeiten? SPOX beleuchtet die größten Talente der Klasse von 2015.

Jameis Winston, QB, Florida State

Der beste Quarterback des Drafts kommt nicht ohne Risiko, Winston fiel zu oft negativ auf. Er stahl Krabbenbeine sowie bei Burger King Getränke, er sorgte mit unflätigen Äußerungen in der Uni für Negativschlagzeilen. Vor allem aber wurde er der Vergewaltigung beschuldigt. Die Untersuchungen wurden zwar eingestellt, doch der Fall bleibt ein Rätsel und klar ist: Sollten sich die Tampa Bay Buccaneers Winston mit dem ersten Pick holen, muss er sich als Gesicht der Franchise anders präsentieren - und nicht nur, wie bei der Combine, die richtigen Dinge nur sagen.

Stärken: Winston spielte in einem Pro-System, kann Defenses lesen und ist ein klassischer Pocket-Quarterback mit extrem hohem Selbstbewusstsein. Er geht durch seine Reads, bringt physisch alles mit und genießt innerhalb des Teams einen hohen Stellenwert. Winston kann Receiver besser machen und hat keine Angst in der Pocket, was ihm vermehrt Vergleiche mit Ben Roethlisberger einbrachte. Darüber hinaus verfügt er über ein enorm hohes Spielverständnis, mehrere Scouts schwärmten nach der Combine überschwänglich.

Schwächen: Winston ist klar nicht auf dem Level von Andrew Luck, als der aus dem College kam. Gerade was die Turnover angeht, leistete sich Winston in der vergangenen Saison zu viele Fehler (18 INTs). Zwar konnte er seine eigenen Fehler meist mit spektakulären Aufholjagden wettmachen, doch auch wenn längst nicht alle Picks auf seine Kappe gingen, versuchte Winston oft, Pässe zu erzwingen. Das große Fragezeichen liegt aber neben dem Platz: Jedes Team muss für sich entscheiden, wie es mit den Vergewaltigungsvorwürfen umgeht.

Marcus Mariota, QB, Oregon

Heisman-Gewinner Marcus Mariota kommt aus Hawaii und betrachtet im Grunde die ganze Insel als Familie. Er gilt als recht ruhiger Typ, der lieber durch seine Taten und weniger durch große Sprüche voran geht. 2014 führte er sein Team bis ins National Championship, das allerdings gegen Ohio State verloren ging.

Stärken: Mariota ist der Prototyp, was den mobilen Quarterback angeht. Bei der Combine lief er eine 4.52 im 40-Yard-Dash (36,58 Meter). Zudem verfügt er über einen starken und präzisen Arm. In seiner gesamten College-Zeit (41 Spiele) warf er für 105 Touchdowns und nur 14 Interceptions. Er macht extrem wenige Fehler. Durch seine Schnelligkeit ist er der ideale Option-Quarterback und kann auch härtere Hits einstecken, blieb von schwereren Verletzungen zudem bislang verschont. SPOX

Schwächen: Seine Stärken liegen in der High-Speed-Offense von Oregon, doch wer weiß, wie gut er als klassischer Pocket-Passer agieren kann? Nicht viele Coaches in der NFL sind bereit, ein System zu implementieren, wie es etwa Chip Kelly in Philadelphia spielen lässt. Ein großes Fragezeichen steht hinter seiner Fähigkeit, Snaps "under Center" - also nicht als Pass in der Shotgun, sondern als Übergabe direkt hinter dem Center - zu empfangen. In seiner gesamten Ducks-Karriere waren es nur zwölf insgesamt - alle in der Victory-Formation. Ein Quarterback, der nur aus der Pistol oder Shotgun spielt, ist für die NFL recht eindimensional.

Leonard Williams, DT, USC

Williams ist der beste Verteidiger und einer der sichersten Picks des Drafts. Es gibt keinerlei Charakter-Sorgen, keine (schwere) Verletzungshistorie (spielte trotz Knöchelverletzung im Vorjahr durch). Für seine Größe ist Williams unglaublich athletisch, der DT liebt das Spiel und hat eine hohe Spielintelligenz, was auch bei den diversen Video-Sessions rund um die Draft-Vorbereitung herausstach.

Stärken: Williams ist einer der Verteidiger, denen zuzuschauen Spaß macht. Seine große Stärke hat er gegen den Run und er schaffte es immer wieder, seinen gegnerischen Lineman nach hinten zu treiben und schnell zu kontrollieren. Williams hat einen tollen Motor und viel Power, für USC kam er überall an der D-Line zum Einsatz. Darüber hinaus setzt er, für Coaches ein wichtiger Maßstab, seine Hände gut ein. Williams kann als Tackle in einer 4-3-Defense, aber auch als End in einer 3-4 eingesetzt werden. "Ich denke, meine große Stärke ist meine Vielseitigkeit", betonte er gegenüber MMQB. Sein College D-Line-Coach Chris Wilson fügte hinzu: "Sein Spielverständnis erlaubt es ihm, überall zum Einsatz zu kommen. Das ist einzigartig."

Schwächen: Wenn man an Williams etwas kritisieren will, könnte man wohl am ehesten beim Pass-Rush ansetzen. Sein Inside-Move ist zwar allererste Sahne und sticht auf vielen Tapes heraus, allerdings wird er für die NFL womöglich noch an seinem Outside-Pass-Rush-Move arbeiten müssen - je nachdem, wo und wie er eingesetzt wird. Darüber hinaus muss Williams seine Explosivität verbessern.

Amari Cooper, WR, Alabama

Wenn man in die Fußstapfen eines Julio Jones treten muss, kann das schon mal zum Problem werden. Nicht jedoch für Amari Cooper, der seinen prominenten Vorgänger bei der Crimson Tide sogar noch übertraf, statistisch zumindest. Der Junior legte sogar die beste Saison eines Bama-Receivers überhaupt hin: 124 Receptions für 1.727 Yards und 16 Touchdowns. Cooper gilt als bester Wide Receiver der Klasse von 2015.

Stärken: Cooper ist vielleicht nicht der klassische Nummer-Eins-Receiver, was in erster Linie an seiner Größe liegt - ca. 1,84 m - aber er macht dies durch seine Einstellung wett. Er kann einen Gang zulegen, wenn der Ball in der Luft ist und verfügt über ausgezeichnete Sprungkraft. Zudem ist er taff, scheut sich nicht vor harten Zweikämpfen und kann auch über die Mitte bedenkenlos angespielt werden. Scouts sehen in ihm eine Mischung aus Jordy Nelson und Roddy White - nicht ganz so groß, nicht ganz so schnell, aber sehr robust, mit guter Beschleunigung und mit präzisen Routes.

Schwächen: Er ist nicht der größte Outside Receiver, womöglich ein Problem für Jump Balls an der Seitenlinie. Zudem ist er trotz seiner Beschleunigung nicht unbedingt der Beweglichste. Er wird selten im Open Field eine Gegenspieler auswackeln und stehen lassen. Darüber hinaus frustrierte ihn eine Zehenverletzung Anfang 2013 so sehr, dass er seine Einstellung schleifen ließ. Im Football muss man manchmal auf die Zähne beißen und Rückschläge jeglicher Art verkraften. Hieran muss er arbeiten.

Dante Fowler Jr., DE, Florida

Leonard Williams ist die klare Nummer eins, was Defensive Ends angeht, doch Dante Fowler Jr. ist als Nummer zwei auf dieser Position zumindest in der engeren Auswahl. Er galt schon vor seiner College-Karriere als einer der besten Spieler seiner Klasse und änderte noch am National Signing Day seine Zusage von Florida State zu Florda.

Stärken: Viele Coaches legen Wert auf Flexibilität. Fowler Jr. ist ein Muster dafür. Er spielte für die Gators bereits 5- und 3-Technique sowie 3-4-Outside-Linebacker. Seine beste Position ist allerdings in der Tat Defensive End einer Vier-Mann-Front. Er hat auf dem College kein einziges Spiel verpasst und gilt als intelligenter Spieler, der vom Snap weg explosiv ist. Auch erkennt er zügig die Situation und weiß immer, wo der Ballführende ist.

Schwächen: Geht es dann doch mal sehr schnell, kommt er manchmal noch zu spät. Oder er ist selbst zu schnell und verpasst dann schon mal sein Ziel im Backfield. Er gilt als guter Typ, wurde allerdings zu High-School-Zeiten nach Streitigkeiten mit Coaches für zwei Spiele suspendiert - ein Warnzeichen für die NFL?

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Kevin White, WR, West Virginia

Kaum ein Spieler stieg auf sämtlichen Draft Boards in den vergangenen Monaten so rasant wie White. Der Receiver spielte eine Sahnesaison und legte mit sieben aufeinanderfolgenden 100-Yard-Spielen sowie 16 Receptions in einem Spiel (gegen Texas) neue Schulrekorde vor.

Bei der Combine schossen seine Aktien erstmals vermehrt höher als die von WR-Konkurrent Amari Cooper, als White nicht nur bei den Field Drills, sondern auch etwa beim 40-Yard-Sprint mit 4.35 Sekunden für Erstaunen sorgte. Das spiegelt sich in seinem Selbstvertrauen wider: "Amari Cooper ist ein toller Receiver. Aber ich glaube, ich bringe viel mehr mit. Gegner konnten sich viel mehr auf mich konzentrieren."

Stärken: White ist schnell, groß, hat tolle Hände und ist ein starker und williger Run-Blocker - bei der Combine untermauerte er seine Kraft mit 23 Wiederholungen beim Bankdrücken. Der 22-Jährige bringt diese Kraft auf dem Platz, sei es gegen Press Coverage, bei umkämpften Catches oder eben im Run Blocking. White lässt viele Dinge einfach aussehen, arbeitet hart und gewissenhaft.

Schwächen: Bedingt durch seinen rasanten Aufstieg hatte White nur ein wirklich spektakuläres Jahr in West Virginia (109 Catches, 1.447 YDS, 10 TDs). Fragen nach der Konstanz bleiben also. Darüber hinaus muss er an seinem "Route Tree" noch arbeiten, ebenfalls eine Konsequenz aus der steilen Karriere. Im offenen Feld ist er zudem nicht der beweglichste Receiver.

Brandon Scherff, OG, Iowa

Scherff ist in seinem Heimatstaat Iowa eine Legende. Er spielte in der High School Football, Basketball, Tennis und Baseball - und war als 120 Kilo schwerer Quarterback des Teams einen Kopf größer als seine Mitschüler. Scherff verzeichnete einmal 20 Rebounds in einem Basketballspiel, brillierte im Baseball und spielte neben Quarterback auch Defensive Tackle und Tight End. Kurzum: Ein athletischer Tausendsassa. Scherff grinste selbst: "Ich würde mich als ganz guten Athleten bezeichnen."

Stärken: Der 23-Jährige ist unfassbar stark. Im Fitnessstudio ein absoluter Star, bringt Scherff diese Kraft aber auch auf den Platz: Mit seiner Power war er auch im College physisch unglaublich dominant. Scherff verfügt über großen Siegeswillen und ist ein leidenschaftlicher Wettkämpfer. Doch es sind nicht nur die rein physischen Merkmale, die Scherff zu einem Top-Prospect machen. Auch technisch ist der Bilderbuch-Run-Blocker schon sehr weit und verfügt über sensationelle Kraft in Hüften und Beinen.

Schwächen: Scherff hat, gemessen für einen Left Tackle, wo er im College herausragte, relativ kurze Arme. Das könnte dazu führen, dass er als Guard gedraftet wird und zum Einsatz kommt. Auch hier kam er im College aber schon zum Einsatz. Manchmal verlässt er sich zu stark auf seine Stärke und an seiner Pass Protection kann er noch arbeiten. Und er ist verletzungsanfällig: Ein schwerer Beinbruch gepaart mit einer Knöchelverletzung 2012 sowie ein Meniskusriss 2014 liegen zudem bereits hinter ihm.

Vic Beasley, OLB, Clemson

Ein Spieler, an dem sich die Experten besonders scheiden, ist Vic Beasley. Der Soziologie-Student entschied sich 2014 gegen den NFL-Draft und machte stattdessen lieber seinen Abschluss. Sportlich gesehen brachte ihm dies den Schulrekord für Sacks ein, dazu den Titel ACC Defensive Player of the Year - ein Award, den 2013 übrigens schon Björn Werner (Florida State) gewonnen hat. Wurde er 2014 noch als Zweitrundenpick prognostiziert, sollte es dieses Mal für die erste Runde reichen.

Stärken: Rein körperlich gibt es an Beasley nichts auszusetzen. Für einen 3-4-Outside-Linebacker hat er die richtige Größe, das passende Gewicht. Er ist genauso groß wie Von Miller, übertraf diesen aber in der Combine bei der 40-Zeit, sowie in beiden Sprung-Kategorien. Er ist ein astreiner Pass-Rusher und sehr robust, so verpasste er keines der 26 Spiele für Clemson in den letzten beiden Jahren.

Schwächen: Im direkten Duell mit Blockern hat er mitunter Probleme, wenn er nicht gerade mit seiner Geschwindigkeit an ihnen vorbei kommt. Gerade gegen O-Liner sieht er aufgrund einer nicht so ausgeprägten Basis meist nicht gut aus. Gegen Tight Ends hingegen kommt er meist besser durch. Was er auch noch verbessern muss, ist sein Tackling. Gegen ballführende Spieler verpasst er zu oft den Tackle. Hinzu kommt, dass er bisher 5-Technique gespielt hat und eine Umfunktionierung zum stehenden Linebacker sehr vielen Spielern schwerfällt.

Shane Ray, OLB, Missouri

Der SEC Defensive Player of the Year spielte 2014 seine beste College-Saison. Er brach den Schulrekord mit 14 ½ Sacks, den zuvor Michael Sam und Aldon Smith gehalten hatten. Shane ist der Sohn von Wendell Ray, der ebenfalls für Mizzou spielte und ein Fünftrundenpick der Minnesota Vikings 1981 war.

Stärken: Ray hat gute Instinkte und lässt sich selten von Screens überraschen. Zudem geht er erbarmungslos auf die Jagd nach dem Ballführenden. Er verfügt über starke Hände, mit denen er schwer abzuschütteln ist, wenn er erst einmal sein Ziel umklammert hat.

Schwächen: Er ist vielleicht etwas zu klein und zu schmächtig, um Defensive End zu spielen. Daher wird er als 3-4-Outside-Linebacker sein Glück versuchen, was die bekannt schwierige Umstellung nach sich zieht. Das führt auch dazu, dass er gegen die größeren O-Liner so seine Probleme bekommt. Ein weiteres Problem ist die Zehenverletzung, die ihn derzeit vom Training abhält. Dadurch verpasste er schon den Sportteil der Combine.

Todd Gurley, RB, Georgia

Gurley ist das vielleicht größte Talent überhaupt im diesjährigen Draft. Der Running Back ließ im College Defenses in der starken SEC teilweise wie kleine Kinder aussehen. Seine Leistung gegen Clemson war schlicht unfassbar. Gurley ist die Art Spieler, die es nicht jedes Jahr gibt. Obwohl die RB-Position über die vergangenen Draft-Jahre an Wert verloren hat (seit zwei Jahren gab es keinen Running Back in der ersten Runde), wäre er ein starker Top-10-Kandidat - hätte er sich nicht Mitte November das Kreuzband gerissen. Doch Gurley stellte klar: "Ich bin nicht hier, um als Fünfter oder in der zweiten Runde zu gehen. Ich will der Beste werden." Der Medizincheck am Wochenende verlief gut, er könnte angeblich im Training Camp seines Teams mit von der Partie sein.

Stärken: Gurley liest Line und Blocks gut, ist unglaublich dynamisch, stark und schwer zu tackeln. Vergleiche zu Marshawn Lynch und Adrian Peterson wurden schon häufig bemüht. Gurley unterliefen bei 510 Carries nur drei Fumbles und er beendete seine College-Karriere mit 6,4 Yards pro Versuch und 36 TDs. Auch als Pass-Protector ist er stark. In Georgia hat er das komplette Run-Spektrum leisten müssen, der 20-Jährige ist explosiv und beweglich - schlicht ein kompletter Spieler.

Schwächen: Auch wenn die medizinischen Checks kurz vor dem Draft die erhoffte gute Nachricht brachten, ist das große Fragezeichen die Gesundheit - immerhin plagte Gurley 2013 vor seinem Kreuzbandriss auch schon eine Knöchelverletzung. Wenn man darüber hinaus streng sein will, kann man noch anbringen, dass er manchmal aufgrund seiner Größe zu aufrecht läuft - allerdings ist das Klagen auf sehr hohem Niveau.

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