Zum ersten Mal seit 22 Jahren steht das deutsche Team wieder im Finale des Fed Cups. Angelique Kerber ist mittendrin - und spricht mit SPOX über Gegner Tschechien, Glückwünsche von Steffi Graf und Parallelen zum Ryder Cup. Außerdem: Ein gemischtes Saisonfazit und ein optimistischer Blick in die Zukunft.
SPOX: Frau Kerber, am Wochenende steht das Fed-Cup-Finale gegen Tschechien an. Wie groß ist die Anspannung?
Angelique Kerber: Ach, wir sind vor allem erst mal sehr stolz, als erste deutsche Mannschaft seit 22 Jahren wieder dabei zu sein. Wir freuen uns alle unglaublich auf das Finale und genießen es, so gut es geht. Und natürlich wollen wir den Pott auch nach Hause bringen. (lacht)
SPOX: Das Finale findet in Tschechien, genauer gesagt in Prag, statt. Ein Nachteil?
Kerber: Natürlich ist es schade, dass wir nicht zuhause spielen können. Aber Prag ist ja nicht Australien, es werden sich bestimmt auch ein paar deutsche Fans auf den Weg machen und uns unterstützen.
SPOX: Ihre Teamchefin Barbara Rittner gewann 1992 den Titel. Nutzt sie ihre Erfahrungen von damals als Motivation?
Kerber: Sie hat schon mit uns darüber gesprochen, wie es damals als Spielerin war. Für sie ist es aber gar nicht so einfach, glaube ich...
SPOX: Warum?
Kerber: Nun ja, sie hat jetzt eben eine komplett andere Rolle. Sie trägt die Verantwortung, kann aber nicht richtig selbst eingreifen. Ich glaube, es juckt sie selbst ein bisschen in den Fingern. (lacht)
SPOX: Neben Rittner waren 1992 Anke Huber und Steffi Graf beim Triumph gegen Spanien dabei. Haben sich die beiden auch gemeldet?
Kerber: Ja, Anke und Steffi haben uns zwischendurch immer mal wieder unterstützt und uns gratuliert. Steffi hat zum Beispiel direkt nach dem Sieg gegen Australien angerufen. Sie freuen sich und drücken uns die Daumen.
SPOX: Was könnten der Einzug ins Endspiel und ein möglicher Titel im deutschen Tennis auslösen?
Kerber: Es ist auf jeden Fall ein sehr positives Zeichen. Vielleicht wird dadurch auch wieder ein kleiner Hype ausgelöst. Es wäre schön, wenn gerade das Damentennis wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen würde. Wir haben so viele gute Spielerinnen, die alles geben und sich aufopfern, das sollte man auch mal würdigen.
SPOX: Was macht den Fed Cup aus Ihrer Sicht besonders?
Kerber: Es ist ganz anders als ein "normales" Turnier. Man spielt in einer Mannschaft, verbringt quasi die komplette Zeit mit den drei anderen Mädels. Man frühstückt und trainiert zusammen, erlebt einfach viele besondere Dinge. Außerdem spielt man für Deutschland, nicht für sich selbst. Alle verfolgen ein gemeinsames Ziel.
SPOX: Kann man das Ganze ein bisschen mit dem Ryder Cup im Golf vergleichen?
Kerber: Auf jeden Fall! Sowohl Golf als auch Tennis sind Einzelsportarten, aber bei beiden Wettbewerben geht es um die Mannschaft. Ich persönlich freue mich immer total auf den Fed Cup, weil wir mittlerweile ein gut eingespieltes Team sind. Das macht uns stark, wir kennen uns alle schon sehr lange und jede weiß, wie die andere tickt. Das ist bei Frauen ja nicht immer so einfach. (lacht)
SPOX: Stehen Sie auch während einer Saison regelmäßig im Kontakt?
Kerber: Wir sehen uns bei den Turnieren ohnehin sehr viel, aber das beschränkt sich nicht darauf. Vor allem mit Andrea (Petkovic, Anm. d. Red.) bin ich sehr eng befreundet, wir gehen häufig mal zusammen essen.
SPOX: Wie lief die Vorbereitung auf den Fed Cup im Detail ab?
Kerber: Das ist alles durchstrukturiert. Frühstück, Training, Mittagessen, Training, Physio, Abendessen, dann vielleicht noch ein Film - und am nächsten Tag wieder das Gleiche. Und dabei sind wir eben die ganze Zeit zusammen.
SPOX: Nun warten erst mal die Tschechinnen, die den Fed Cup 2011 und 2012 gewonnen haben. Was macht sie so gefährlich?
Kerber: Durch ihre beiden Titel haben sie uns das natürlich voraus. Sie wissen, wie es sich anfühlt, das Ding zu holen. Das Finale ist für sie also nichts Neues. Allerdings haben sie durch den Heimvorteil einen besonderen Druck.
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SPOX: Was ist mit den einzelnen Spielerinnen?
Kerber: Man darf sie auf keinen Fall unterschätzen. Petra Kvitova ist sowieso über jeden Zweifel erhaben, nicht nur wegen ihres Wimbledon-Sieges. Sie hat in den letzten Monaten herausragend gespielt und ist sehr gut in Form.
SPOX: Im Einzel dürften auch Sie das Vergnügen mit Kvitova haben.
Kerber: Davon gehe ich aus. Sie ist eine Top-Ten-Spielerin, aber das bin ich auch, ich muss mich also nicht verstecken. Für mich ist unser Duell deswegen eher eine 50:50-Angelegenheit. Was man auch nicht vergessen darf: Wir sind beide Linkshänderinnen. Das ist immer etwas anderes. Grundsätzlich sehe ich beide Teams auf Augenhöhe, am Ende entscheidet die Tagesform.
SPOX: Sie sehen sich also nicht als Außenseiter?
Kerber: Nein, warum sollte ich auch. Ich glaube an uns und weiß, dass wir zu Recht im Finale stehen. Es kann alles passieren, aber ich bin sehr zuversichtlich.
SPOX: Der Fed-Cup-Titel könnte auch für Sie persönlich ein versöhnliches Ende des Jahres 2014 darstellen. Wie fällt Ihr Saisonfazit aus?
Kerber: Ich freue mich, dass ich zum dritten Mal in Folge zum Jahresende in den Top Ten stehe. Natürlich hätte ich gerne bei den WTA-Finals ins Singapur auch aktiv ins Geschehen eingegriffen, anstatt nur Ersatz zu sein. Das hatte ich mir sicherlich anders vorgestellt. Aber es sollte nicht sein, gerade deswegen ist der Fed Cup nun umso wichtiger.
SPOX: Stand der Fed Cup für Sie in diesem Jahr im Vordergrund?
Kerber: Ja, ich habe Anfang des Jahres gesagt, dass ich mich dort komplett reinhänge. Mit dem Flug nach Australien mitten in der Saison zum Halbfinale habe ich meine persönlichen Ziele etwas hinten angestellt, denn die Reise war extrem anstrengend und passte eigentlich nicht wirklich in meine Sandplatz-Vorbereitung. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich habe das so entschieden und würde es jederzeit wieder machen.
SPOX: Was war denn abgesehen vom Fed Cup Ihr persönliches Highlight 2014?
Kerber: Das ist relativ einfach zu beantworten, das Match gegen Maria Sharapova in Wimbledon. Ich bin selbst eine der Top-Spielerinnen, aber es ist immer noch mal etwas Besonderes, wenn man gegen eine Grand-Slam-Siegerin auf dem Centre Court gewinnen kann. Das stand ganz oben. Ansonsten zähle ich meine vier Endspiele auf der WTA-Tour zu den Höhepunkten, auch wenn ich sie leider alle verloren habe.
SPOX: Ihre Grand-Slam-Saison verlief trotz des Sieges gegen Sharapova nicht so erfolgreich wie beispielsweise 2012. Haben Sie ihr Maximum schon erreicht?
Kerber: Nein, ich habe auf jeden Fall noch Luft nach oben. Man muss sicherlich nicht großartig herumreden, die Grand Slams liefen in diesem Jahr nicht nach Plan. Aber ich habe trotzdem wichtige Erfahrungen gesammelt. In diesen zwei Wochen muss einfach alles passen. Da spielen so viele Kleinigkeiten eine Rolle, angefangen vom Team im Hintergrund bis zur Konzentration, die man 14 Tage lang hochhalten muss. Und ohne das Quäntchen Glück geht es nun mal auch bei uns nicht. Aber ich werde jetzt sicherlich nicht den Kopf in den Sand stecken. Ich habe ja hoffentlich noch ein paar Jahre vor mir, auch wenn die nächste Generation bereits an die Tür klopft.
SPOX: Zu dieser neuen Generation gehört unter anderem Eugenie Bouchard, der in diesem Jahr der Durchbruch gelang. Wie schätzen Sie die Kanadierin ein?
Kerber: Sie ist unglaublich talentiert. Eugenie hat dieses Jahr den Sprung in die Top Ten geschafft und gehört zu den besten jungen Spielerinnen. Vor ihrer Saison 2014 kann man nur den Hut ziehen.
SPOX: Lassen Sie uns zum Abschluss noch in die Zukunft blicken. Was nehmen Sie sich für das nächste Jahr vor?
Kerber: Das große Ziel ist, wieder die WTA-Finals zu erreichen. Das ist der beste Richtwert für eine erfolgreiche und vor allem konstante Saison. Unabhängig davon nehme ich mir immer vor, mich weiter zu entwickeln und aus den Erfahrungen des Vorjahres zu lernen und diese einzusetzen. Und der Spaß darf auch nicht zu kurz kommen, das darf man nie vergessen. Ohne ein Team, in dem alles passt, kann man keinen dauerhaften Erfolg haben.
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Angelique Kerber im Steckbrief