Der Trainer: Roman Mählich
Für Sturm lief der Herbst eher durchwachsen, der Platz in den Top sechs wurde erst durch die guten Ergebnisse in den letzten vier Ligaspielen vorerst gesichert. Insofern war der Wechsel von Heiko Vogel zu Roman Mählich bislang von Erfolg gekrönt. Unter Mählich gewann Sturm drei der vier Spiele. Vor der Premiere von Mählich blieben die Grazer sieben Partien in Folge sieglos (4 Remis, 3 Niederlagen). Herausragend war vor allem die Defensiv-Leistung, denn Sturm kassierte in den vier Auftritten unter Mählich kein einziges Gegentor. Inklusive der Begegnung unter Interimstrainer Günther Neukirchner bedeutet das die längste Serie ohne Gegentor seit Oktober 2009, als die Steirer sogar sechsmal zu null spielten.
Mählich änderte die Spielweise der Grazer drastisch. Wie schon in seiner Zeit bei Wiener Neustadt setzte er im Herbst auf eine Fünferkette, gegen den Ball stellten sich die Grazer in einem 5-4-1-System auf und versuchten, die Räume so eng wie möglich zu machen. Darum ließ Sturm unter Mählich weniger Schüsse als davor zu, allerdings litt auch der Ballbesitz merklich. In Mählichs Amtszeit hatten nur Hartberg, St. Pölten und die Admira weniger Ballbesitz als Sturm.
Die Offensive
Die Spielweise des SK Sturm Graz war im Herbst in zwei Teile zu unterteilen. Während Heiko Vogel ein Verfechter des gepflegten Ballbesitzspiels ist, wollte Roman Mählich die Grazer zunächst defensiv stabilisieren und verzichtete vorerst auf lange Ballbesitzphasen. In den vier Spielen unter Mählich hatte Sturm nur im Spiel gegen die Admira mehr Ballbesitz als der Gegner.
Da Sturm den Großteil der Spiele (13 von 18) unter Heiko Vogel absolvierte, weisen die Saisondaten die Grazer eher als Ballbesitzmannschaft aus. Sturm hatte im Herbst 121 Ballstafetten mit zehn oder mehr Pässen, nur Salzburg (193) und Rapid (170) mehr. Die Problematik unter Vogel lag darin, dass viele der Positionsangriffe im Sand verliefen. Über die gesamte Saison gesehen schafften es die Grazer nur in 13% der Ballstafetten mit zehn oder mehr Pässen zu einem Abschluss oder einer Ballaktion im Strafraum zu kommen. Das ist im ligaweiten Vergleich unterdurchschnittlich (Rang 8). Die Grazer spielten 2.9 Pässe pro Ballstafette - nur Salzburg und Rapid mehr. Die Sequenzen in Ballbesitz dauerten im Schnitt 7.9 Sekunden pro Ballstafette, auch hier hielten nur Salzburg und Rapid länger den Ball in den eigenen Reihen.
Die anderen Bundesligisten waren sich dieser Schwäche offensichtlich bewusst. Sturm wurde im Herbst selten (215-mal) angepresst - nur Salzburg (171) seltener. Das ist ein Indiz dafür, dass sich Sturm gegen organisierte Gegner schwieriger tat, Chancen herauszuspielen. So standen die Gegner meist defensiver und ließen die Grazer kommen. So ist es auch zu erklären, dass Sturm unter Heiko Vogel nur drei Spiele gewann und im Schnitt nur 1.1 Tore pro Spiel erzielte.
Ein weiteres Indiz für die fehlenden Überraschungsmomente an vorderster Front sind die 18 herausgespielten Großchancen in den ersten 18 Runden - Tiefstwert in der Bundesliga.
Offen ist, wie Mählich im Frühjahr seine Mannschaft offensiv ausrichtet. Der Wechsel vom Ballbesitzteam zur Kontermannschaft funktionierte im Herbst tadellos, vor allem weil die Defensivleistung so stark war. Speziell auswärts war Sturm mit den Spielverläufen in beiden Spielen aber gut bedient, die Gegner gaben jeweils mehr Schüsse als die Steirer ab.
Die Defensive
Nach der Beurlaubung von Heiko Vogel wurde die Defensive der Grazer zur unüberwindbaren Festung. Fünf Spiele ohne Gegentor waren es unter Neukirchner und Mählich, den letzten Gegentreffer kassierten die Grazer am 3. November gegen Wacker Innsbruck von Zlatko Dedic. Insgesamt ist Sturm seit 468 Bundesliga-Minuten ohne Gegentor. Das letzte Bundesliga-Team, das zuvor in fünf Spielen in Folge ohne Gegentor blieb, war Rapid im November 2017.
Das bedeutet freilich nicht, dass Sturm unter Mählich überhaupt keine Möglichkeiten des Gegners zulässt. Aber die Anzahl der gegnerischen Tormöglichkeiten wurde unter der Sturm-Legende auf ein Minimum reduziert. Sturm hätte in den vier letzten Spielen der Herbstsaison laut Expected-Goals-Against-Statistik insgesamt nur zwei Gegentore kassieren sollen. Das war in diesem Zeitraum Ligabestwert.
In dieser Saison kassierten nur Salzburg (16) und der LASK (18) weniger Tore als die Grazer. Verantwortlich dafür waren die letzten Spiele vor der Winterpause. Von den sechs Zu-Null-Spielen im Herbst absolvierten die Grazer nur eines unter Vogel.
In vielen Defensivkategorien wurde Sturm in dieser Phase zum Maß aller Dinge. So kassierten die Grazer vor der Pause nur sechs Gegentore - wie sonst nur Salzburg. Zudem erhielten die Grazer nur vier der 19 Gegentore nach Standards. Das ist sowohl in absoluten Zahlen, als auch anteilig (21%) der Bestwert in der laufenden Saison.
Sturm trat im Herbst nicht als klassische Pressing-Mannschaft auf, 229 Ballstafetten des Gegners wurden angepresst. Das ist ligaweit Rang sechs. Zum einen lag es daran, dass Sturm über den Großteil der Saison selbst viel Ballbesitz hatte. Auf der anderen Seite setzte Sturm gegen den Ball nur teilweise hohes Pressing ein. Die Grazer ließen im Schnitt 11.6 gegnerische Pässe pro ausgeführter Defensivaktion zu. Das entspricht nur dem Ligaschnitt - hinter den Spitzenmannschaften.
Ging Sturm in ein hohes Pressing, dann war der Output sehr gut. Drei Tore nach hohen Ballgewinnen wurden nur von Red Bull Salzburg überboten (7).
Die Schlüsselspieler
Dario Maresic
Nach dem Abgang von Peter Zulj zum RSC Anderlecht liegt es an anderen Spielern nachzurücken und noch mehr ins Rampenlicht zu treten. Dario Maresic zählt aufgrund seiner Leistungen längst zum Stamm seiner Mannschaft. Seit seinem Debüt am 9. April 2017 verpasste der hochtalentierte Abwehrspieler nur acht Bundesliga-Spiele, die Hälfte davon verloren die Grazer. In dieser Saison bestritt Maresic 16 der 18 Spiele, dabei fing er 38 Pässe ab - Höchstwert bei Sturm. Seine 28 Tacklings wurden mannschaftsintern nur von Fabian Koch (31) übertroffen.
Otar Kiteishvili
Besonders offensiv wird der Abgang von Zulj für Sturm nur schwer zu verkraften sein. Der Mittelfeldspieler gab die meisten Schüsse ab, lieferte mit Abstand die meisten Schussvorlagen und hatte die meisten Ballaktionen bei den Grazern.
Deswegen muss bei Sturm wohl auch ein Offensivspieler in die großen Fußstapfen des Nationalspielers treten. Ein Kandidat dafür wäre Otar Kiteishvili, der im Herbst seine Qualität aufblitzen ließ. Er gab 35 Schüsse ab, das waren die zweitmeisten Versuche hinter Peter Zulj. Elf dieser Schüsse kamen auf das Tor des Gegners - nur bei Zulj mehr (15). Der Offensivspieler ist auch in der Arbeit gegen den Ball äußerst fleißig, 92 Balleroberungen wurden von allen Feldspielern bei Sturm ebenfalls nur von Zulj überboten (126). Elfmal eroberte der Georgier den Ball im Angriffsdrittel - nur Zulj (15-mal) häufiger.