Ronivaldo zerbrach an der Verletzung. In einem Karriereende sah der Stürmer die einzige Möglichkeit, der so hartnäckigen Schambeinentzündung zu entkommen. Im Oktober 2016 - um die Zeit, als die Austria der AS Rom in der Europa League auswärts ein 3:3 abluchste - traf sich Ronivaldo zu einem Termin mit dem damaligen Sportdirektor Franz Wohlfahrt. "Ich sagte ihm, dass ich nach Brasilien zurück möchte," erzählt Ronivaldo. "Er hatte Verständnis dafür. Er meinte: ‚Wenn du nach Hause willst, dann geh. Du hast noch sechs Monate Vertrag, wenn du fit wirst, komm zurück, wenn nicht, dann hat es nicht sollen sein.'"
Also ging Ronivaldo zurück in sein Heimatland, ohne je ein einziges Spiel für die Profis der Wiener Austria bestritten zu haben. Auch eine Therapie in São Paulo blieb erfolglos. Mit nur 27 Jahren fand sich Val Ceará mit seinem Karriereende ab, ging auf Jobsuche. Doch das Kapitel Fußball war in Ronivaldos Leben offenbar noch nicht zu Ende geschrieben.
"Eines Nachts hatte ich zuhause einen Traum", erzählt er. "Gott sagte zu mir: ‚Du bist jetzt fit'. Am nächsten Morgen stand ich auf und ging laufen. Als ich zurückkam, fragte mich meine Frau: ‚Warum trainierst du, bist du nicht verletzt?'. Ich erzählte ihr von dem Traum. Ich hatte beim Laufen nichts gespürt. Ich hatte die Schmerzen nie wieder."
Ronivaldo: "Nestor El Maestro wollte mich zu Trnava holen"
Zur Überraschung aller Beteiligten saß Ronivaldo wenig später wieder im Flieger zurück nach Wien und feierte im Jänner 2017 sein Comeback bei den Young Violets. Die nächsten Monate bis zum Auslaufen seines Vertrags verbrachte der Stürmer bei den Jungveilchen, die Option auf zwei weitere Jahre zog die Austria nicht. "Die Verantwortlichen verhielten sich sehr korrekt", meint Ronivaldo. "Wenn sie die Option gezogen hätten und ich mich wieder verletzt hätte, wäre das sehr schwierig gewesen. Ich bedankte mich für alles und so trennten sich unsere Wege."
Was folgte war ein weiterer entscheidender Schritt im Leben des damals vereinslosen Stürmers: Ein Urlaub bei seinem Freund Thiago de Lima Silva in Vorarlberg. Für die Austria Lustenau erzielte der österreichisch-brasilianische Stürmer in 221 Einsätzen 68 Treffer. "Ich habe oft mit Kapfenberg gegen ihn gespielt", sagt Ronivaldo. Heute wohnen die beiden sogar in Lustenau gemeinsam in einem Haus. "Meine Frau ist die Cousine von Thiagos Frau, ich habe sie in einer brasilianischen Kirche in Vorarlberg kennengelernt. Thiagos Familie wohnt unten, wir oben." Doch beinahe wäre es gar nicht dazu gekommen.
"Ich hatte damals Kontakt zu Nestor El Maestro, den ich von meiner Zeit bei der Wiener Austria gekannt habe", erzählt Ronivaldo. "Er war damals Trainer bei Spartak Trnava und wollte mich in die Slowakei holen. Es war schon alles organisiert. Zu der Zeit trainierte ich alleine in Lustenau, da fragte ich Thiago, ob er denn nicht Kontakt zu einem Verein habe, bei dem ich mittrainieren könne. Er fädelte ein, dass ich bei den Amateuren von Austria Lustenau mitspielen durfte."
Als Lustenau El Maestro Ronivaldo vor der Nase wegschnappte
"Als ich dort dann einen Tag lang mittrainierte, spazierte der damalige Präsident Hubert Nagel am Trainingsplatz vorbei", so Ronivaldo weiter. "Am nächsten Tag rief er Thiago an, um einen Termin mit mir auszumachen. Kurze Zeit später saß ich in seinem Büro. Ich sagte ihm, dass ich ein Angebot aus der Slowakei habe. Ich hatte schon alles in meinem Auto, um nach Trnava zu fahren. Einen Tag später legte mir Hubert einen guten Vertrag vor und ich unterschrieb. Ich rief Nestor an und teilte ihm mit, dass ich nicht in ein anderes Land möchte und bei Lustenau unterschrieben habe."
Am 21. September 2017 bestritt Ronivaldo zum Auftakt der Zweitliga-Saison sein erstes Profi-Spiel seit rund drei Jahren. Weitere drei Jahre später hält der Stürmer bei starken 64 Toren und 16 Assists aus nur 77 Einsätzen für die Vorarlberger. Im Herbst des vergangenen Jahres folgte die Auszeichnung bei der Bruno-Gala zum besten Spieler der 2. Liga.
Hubert Nagel ist mittlerweile Ex-Präsident, gründete gemeinsam mit Thiago die Beraterfirma Nagel & Partner mit Fokus auf den brasilianischen Markt. "Er liebt Brasilianer", sagt Ronivaldo. "Als Präsident wollte er immer mindestens zwei in der Mannschaft haben." Ronivaldo selbst ist trotz seiner 31 Jahre wohl das heißeste Eisen in Nagels Feuer.
Bundesliga? Ronivaldo: "Das ist meine letzte Chance"
Im Februar 2019 wurde Ronivaldo gar mit einem Wechsel zu Serienmeister Red Bull Salzburg in Verbindung gebracht, der heutige Gladbach-Cheftrainer Marco Rose meinte damals: "Ronivaldo ist ein geiler Spieler." Das Gerücht winkt Ronivaldo jedoch ab: "Von Salzburg kam kein Angebot. Marco gratulierte mir damals nach einem Spiel nur, dass ich nach meiner Verletzung so stark zurückgekommen bin." Auch mit Nestor El Maestro gab es seit seiner Vertragsunterzeichnung bei Lustenau keinen Kontakt mehr: "Ich habe seine Nummer verloren."
Konkret war hingegen ein Angebot von der SV Ried im Jänner 2020. Lange schien ein Transfer bereits beschlossene Sache zu sein, doch dann zog sich Ronivaldo eine Leistenverletzung zu, die den Wechsel in letzter Minute verhinderte. "Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte ich mich nicht verletzt", sagt Ronivaldo. "Die Austria möchte auf jeden Fall, dass ich hierbleibe, es gab schon Gespräche." Unterschrieben ist jedoch noch nichts, Ronivaldos Vertrag läuft mit 30. Juni aus.
Der Brasilianer, der in dieser Spielzeit wettbewerbsübergreifen alle 85 Minuten ein Tor erzielt, will nicht leugnen, dass er im kommenden, ob des Coronavirus wohl etwas anders verlaufenden, Transfersommer mit einem Wechsel in die Bundesliga spekuliert. "Ich bin 31 Jahre alt, das ist meine letzte Chance. Ich befinde mich am Höhepunkt meiner Karriere, ohne Verletzungen kann ich noch fünf Jahre als Profi spielen. Aber wenn ich heuer nicht in die Bundesliga wechsle, passiert es wohl gar nicht mehr."
Ronivaldo: "Ich bin so glücklich hier in Österreich"
Bei einer Vertragsverlängerung im Ländle dürfte dem Stürmer auch eine Anstellung nach der aktiven Karriere in Aussicht gestellt werden. Zurück nach Brasilien zieht es Val Ceará jedenfalls nicht. "Ich bin so glücklich hier in Österreich", schwärmt Ronivaldo. "Die Lebensqualität hier ist sehr hoch, die Schulen, die Krankenhäuser, die Straßen sind alle sehr entwickelt. Vor zehn Monaten ist in Vorarlberg meine Tochter auf die Welt gekommen, vielleicht kommt noch ein zweites Kind. Ich liebe Brasilien, aber es gibt viele Probleme. Aufgrund der Kriminalität könnten meine Kinder nicht einmal auf der Straße Fußball spielen, wie ich es damals tat."
Doch so nahe das Karriereende für Ronivaldo bereits einmal schien, so weit ist es derzeit noch entfernt. Was auch immer im Sommer passiert, mit dem Cup-Finale gegen Salzburg hat Ronivaldo mit Lustenau noch das größte Spiel seiner Karriere vor sich. "Natürlich ist Salzburg Favorit, aber für uns ist das eine große Chance. Wenn wir gewinnen, spielen wir Europa League." Es wäre ein weiteres Kapitel in der ganz besonderen Geschichte des Ronivaldo Bernardo Sales.
Ronivaldos Karriere in Österreich in Zahlen
Verein | Spiele | Tore | Assists | Einsatzminuten |
SC Austria Lustenau | 77 | 64 | 16 | 6.598 |
SV Kapfenberg | 56 | 27 | 5 | 3.435 |