Der Vorstoß auf Gold unter Flutlicht wollte nicht gelingen, Hirscher verteidigte aber den zweiten Halbzeitrang. "Angesichts der Umstände, wie alles gelaufen ist in den letzten drei Tagen, ist es ein cooles Ergebnis. Auf der anderen Seite wird morgen in der Zeitung stehen, zweiter Platz, erster Verlierer, so wird es auch sein, aber damit kann ich sehr, sehr gut leben. Gratulation an Henrik, ein verdienter Weltmeister. Er hat das Gerät heute zweimal gnadenlos runtergedrückt", sagte der 29-Jährige im Zielraum.
Seine Medaille sei sehr viel wert, eine weitere im Medaillenkoffer. Auf die Erkrankung wollte er sich nicht ausreden. "Natürlich war es nicht lustig in den letzten zwei Tagen, aber da haben wir schon Schlimmeres durchgemacht." Sicher sei so eine Vollbelastung nicht super, er hoffe, er könne am Sonntag im Slalom wieder voll angreifen. "Das Wichtigste ist, dass ich nach so einem Tag wie heute keinen Rückfall bekomme. Und die Tendenz weiter so verläuft."
Hirscher zieht mit Raich gleich
Der Salzburger stieß mit seiner nun zehnten Medaille zum Kreis jener Rennläufer vor, die zehn oder mehr WM-Medaillen gewonnen haben. Kjetil Andre Aamodt (12) liegt vor Marc Girardelli (11) und Lasse Kjus (11) sowie Benjamin Raich (10), mit dem Hirscher nun gleichzog. Bei Hirscher und Raich sind Teammedaillen dabei, zu Zeiten der anderen gab es diesen Bewerb noch nicht. Mit sieben Goldmedaillen weiterhin voran ist Toni Sailer.
Hirscher, vierfacher Welt-Alpinskisportler des Jahres und fünffacher Sportler des Jahres in Österreich, ist auf dem besten Weg zu seinem achten Gesamtweltcupsieg in Folge. Dem zweifachen Olympiasieger von Pyeongchang fehlen mit 68 Siegen im Weltcup noch 18 auf Ingemar Stenmark.
Der Schwede sagte als Gast bei der WM in Aare, dass er gegen Hirscher keine Chancen gehabt hätte. "Er ist so stark. Er hat alles, die Physis, er ist stark im Kopf." Vor allem die Fähigkeit, sich nach nicht so guten Ergebnissen wieder aufzurichten, imponiere dem früheren Slalom- und Riesentorlauf-Spezialisten.
Wie lange Hirscher noch weiterfährt, ist offen. Sein Leben hat sich im vergangenen Jahr stark verändert. Im Juni heiratete er seine Langzeitfreundin Laura, Anfang Oktober wurden sie Eltern eines Buben. "Es ist ein bisschen eine Sucht dahinter, das Skifahren, vor allem der Wettkampf ist das, was den Rest am Leben erhält", sagte er über die Fortsetzung seiner Karriere. Freilich gäbe es jetzt aber "mehrere Prioritäten", er wolle seine Rolle als Familienvater "sehr ernst nehmen". Deshalb hält er das Rahmenprogramm rund um die Rennen sehr knapp, erfüllt nur die Pflicht.
Bei den Winterspielen im Februar 2018 in Pyeongchang machte der Absolvent der Hotelfachschule Bad Hofgastein, der sein erstes Weltcuprennen am 17. März 2007 als Junioren-Weltmeister im Riesentorlauf in Lenzerheide fuhr, die Karriere mit zwei Goldmedaillen rundum perfekt. Es waren wichtige Mosaiksteinchen im Erfolgspuzzle, an dem er aber immer noch kräftig zubaut.
Marcel Hirscher setzt auf Kontinuität in seinem Umfeld, auf beruflicher Seite begleiten ihn u.a. die Skifirma Atomic, sein Trainer Michael Pircher, sein Presssprecher Stefan Illek und natürlich Vater Ferdinand seit Jahren. Der schnauzbärtige Skilehrer "Ferdl" ist die Konstante am Pistenrand. Das Erfolgsgeheimnis des Sohnes? "Das liegt sicher in seiner Kindheit. Er ist auf der Alm aufgewachsen, er war immer koordinativ sehr gut. Das kommt ihm heute zugute." Er habe seinem Kind Skifahren wegen der Freude an der Bewegung beigebracht.