In einer kleinen Umfrage der APA haben sich einige Spitzensportler zu der Thematik geäußert, inwiefern man einerseits von überragenden Kollegen profitiert, andererseits aber auch Nachteile hat. Fakt ist jedoch: So mancher Athlet ist erst richtig aufgeblüht, als er aus dem Schatten des alle überstrahlenden Stars treten konnte.
Für den zweifachen Skisprung-Weltmeister und Gesamt-Weltcupsieger (2016/17) Stefan Kraft hat die Medaille zwei Seiten. "Man kann sich in Ruhe entwickeln, man kann sich auf seine Sachen super konzentrieren", sagte Kraft kürzlich in Salzburg. "Aber ich habe schon gemerkt, als ich in das Weltcup-Team dazugekommen bin, dass ich da untergegangen bin. Da waren Morgenstern, Schlierenzauer, Kofler, Loitzl - da hast du sehr wenig Aufmerksamkeit gekriegt. Da habe ich mich richtig reinkämpfen müssen", verrät der mittlerweile 26-jährige Pongauer. "Es ist sicher nicht vorteilhaft oft, aber wenn so ein Star da ist, kommt man nicht drum herum."
Er selbst hat die alleinige Leader-Rolle im Team übrigens nicht genossen. "Es ist immer besser, wenn das ganze Team funktioniert, wenn viele gut springen. Man weiß im Training, wo man steht, man kann sich orientieren, pushen - es ist immer gut, wenn es mehrere Zugtiere gibt. Bei den Jungen verliert man oft ein bisserl: als ich mit 19 dazugekommen bin, wäre ich sicher der dritt- oder viertbeste Mann gewesen, aber war nicht einmal Ersatzmann beim Teamspringen."
Sein guter Freund und Zimmerkollege im Weltcup, Michael Hayböck, sieht es ähnlich. "Ich glaube schon, dass es auch eine Erleichterung sein kann für die dahinter. Ich habe es selber gemerkt. Es war bei mir nichts anderes: Ich bin in einer Zeit dazugekommen, in der die Superadler alles gewonnen haben. Ich habe im Kontinentalcup teilweise Seriensiege gehabt und bin im Weltcup nicht zum Einsatz gekommen", erinnerte sich der Oberösterreicher.
Michael Hayböck: "Kann viel lernen von Leuten, die Seriensiege feiern"
Erst als Wolfgang Loitzl, Martin Koch und Thomas Morgenstern aufgehört haben, sei es für ihn auch im Nationalteam aufwärtsgegangen. "Dann sind Krafti und ich im Jahr darauf durchgestartet." Allerdings gibt es freilich auch Vorteile, hob Hayböck hervor: "Man kann auch viel lernen von Leuten, die Seriensiege feiern."
Franz-Josef Rehrl, der mit drei Mal Bronze bei der Nordischen Heim-WM in Seefeld zum neuen Medaillenhamster aufgestiegen ist, sieht den Effekt nicht so groß. "Natürlich kriegen jetzt im Hintergrund mehrere Namen ein Gesicht, die man vorher vielleicht nicht so wahrgenommen hat. Aber ich glaube nicht, dass es so große Auswirkungen hat. Bei uns geht es immer noch um das, dass man weit Skispringen und schnell langlaufen muss, dann stehen wir auch in der Öffentlichkeit."
Biathlet Julian Eberhard, der vergangenen März bei der WM in Östersund mit Bronze seine erste Medaille geholt hat, glaubt an die Theorie der aus dem Schatten der großen Leader tretenden Athleten nicht wirklich. "Ich glaube, ganz große Stars wachsen auch parallel zu einem anderen großen Star heran. Wenn einer seinen Weg geht, macht er den unabhängig von den Umständen, die außerhalb sind." Der 32-jährige Salzburger ist aber froh, dass es immer wieder Führungspersonen in seinem Team gibt. "Das haben auch wir in den letzten Jahren immer wieder gehabt, auch abwechselnd. Es ist auch wichtig, dass Leute da sind, die auch für Sachen einstehen und sich vor die Mannschaft stellen."
Bernhard Gruber: "Österreicher sind Marcel Hirscher schon recht nahe gekommen"
Bernhard Gruber, jahrelang eines der Zugpferde bei den Nordischen Kombinierern, sieht eher die Vorteile eines Stars. "Man hat gesehen, dass die österreichischen Alpinen Marcel schon recht nahe gekommen sind. Ich glaube, sie haben auch profitiert von ihm. Das Know-how, das er in den letzten Jahren aufgebaut hat, hilft. Sie wissen sicher, in welche Richtung es geht. So eine Leitfigur ist immer sehr wichtig."
Einer, der beide Rollen zur Genüge kennt, ist Gregor Schlierenzauer. Er war einst der alle überstrahlende Star im ÖSV-Team, und stand auch medial im Mittelpunkt. Nun kämpft der Tiroler und 53-fache Rekord-Weltcupsieger seit Jahren um die Rückkehr zur Spitze und muss kleinere Brötchen backen. Problem hat er damit keines, sagt Schlierenzauer. "Es ist immer eine Einstellung zu sich selbst. Wenn der Erfolg da ist, steht man medial mehr im Mittelpunkt. Das hat auch seinen Preis, den man zahlen muss."
Sein Teamkollege Stefan Kraft setzt selbst jedenfalls ohnehin voll auf den Mannschafts-Spirit. "Ich brauche ein Team. Mir würde es allein nie Spaß machen. Ich könnte das nicht. Auch wenn ich vielleicht um das eine Prozent besser wäre, aber ich würde das vielleicht ein Jahr schaffen", bricht der Salzburger eine Lanze für den Teamgedanken und er hält auch nichts von Geheimnissen zum eigenen Vorteil. "Ich habe keine Geheimnisse, weil, was mir taugt, heißt noch lange nicht, dass es einem Aschenwald oder Hayböck hilft. Jeder kann alles von mir wissen."
Marcel Hirscher: Erfolge im Weltcup, bei WMs & Olympia
Hirscher gewann in seiner Karriere 67 Rennen im alpinen Skiweltcup (32 Slaloms, 31 RTLs, 3 Parallel-Rennen,. 1 Super-G). Zudem gewann er 14 Medaillen bei Großereignissen, keine einzige in Bronze.
Saison | Kristallkugeln | Medaillen |
2018/19 | Gesamt-, Slalom- & RTL-Weltcup | WM-Gold Slalom, WM-Silber RTL |
2017/18 | Gesamt-, Slalom- & RTL-Weltcup | Olympia-Gold Kombi & RTL |
2016/17 | Gesamt-, Slalom- & RTL-Weltcup | WM-Gold Slalom & RTL, WM-Silber Kombi |
2015/16 | Gesamt- & RTL-Weltcup | - |
2014/15 | Gesamt-, Slalom- & RTL-Weltcup | WM-Gold Kombi & Team, WM-Silber RTL |
2013/14 | Gesamt- & Slalom-Weltcup | Olympia-Silber Slalom |
2012/13 | Gesamt- & Slalom-Weltcup | WM-Gold Slalom & Team, WM-Silber RTL |
2011/12 | Gesamt- & RTL-Weltcup | - |