Sie sind 78 Jahre alt und wirken fit. Wie geht es Ihnen persönlich und wie sind Sie bisher durch die Coronakrise gekommen?
Schröcksnadel: "Eigentlich wollte ich einen Sixpack auftrainieren. Das ist mir nicht ganz gelungen (schmunzelt). Es ist für mich wie für jeden anderen. Wenn du eingesperrt bist, ist das eine depressive Situation. Da geht es jedem gleich. Am besten kannst du es mit Bewegung und Sport ausgleichen."
Der Skiverband hatte Glück, weil beim Corona-Shutdown Mitte März die Saison fast gelaufen war. Was sieht ihr Blick nach vorne?
Schröcksnadel: "Es wird schwierig, weil wir im Gegensatz zum Fußball nicht national, sondern international spielen. Rennen abzuwickeln wird möglich sein. Die Frage ist, ob die Athleten anreisen können. Was ist, wenn einer vor Ort erkrankt? Isolation? Quarantäne? Man muss abwarten."
Sind für Sie Skirennen ohne Publikum vorstellbar?
Schröcksnadel: "Das fände ich weniger tragisch. Skifahren ist ein Fernsehsport. In meinen ersten zehn Jahren sind wir viele Rennen gefahren, da hat sich jeder im Ziel gekannt. In Lake Louise ist das heute noch so. Beim Ski kannst auch mit weit weniger Zuschauern als im Fußball Stimmung erzeugen."
Sie bleiben wegen Corona fix ein weiteres Jahr ÖSV-Präsident. Auch der FIS-Kongress wurde verschoben und damit die Entscheidung um die Vergabe der Alpinski-WM 2025 mit Saalbach-Hinterglemm als Kandidat. Wie geht es weiter?
Schröcksnadel: "Am 25. Mai bei der FIS-Vorstandssitzung wird angedacht, wann der Kongress stattfinden kann und wie man ihn abwickelt. Virtuell halte ich für problematisch, weil der neue FIS-Präsident ja weltweit von allen Nationen gewählt wird. Die zweite Frage ist, ob man die WM eventuell früher vergibt, dafür braucht es nur den 17-köpfigen Vorstand. Uns wäre eine frühere Entscheidung natürlich lieber. Und dann muss man abwarten, ob die WM 2022 in Cortina programmgemäß über die Bühne geht. Sonst verschiebt sich alles nach hinten."
Es gab zuletzt wichtige Personalentscheidungen im ÖSV-Alpinsektor. Die Trennung von Damen-Speedchef Roland Assinger überraschte. Was ist passiert?
Schröcksnadel: "Sein Vertrag ist ausgelaufen. Wir ändern gerade von Werkverträgen auf Angestelltenverhältnisse, um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Alles war ausgehandelt, er wollte aber noch einige Bonuspunkte dazu. Das ist nicht möglich. Wenn man es ihm gibt, muss man es allen anderen 250 Trainern auch geben. Er hat das auch verstanden. Aber wir haben weiter ein gutes Verhältnis. Sobald es wieder möglich ist, gehen wir auf einen Kaffee."
Assingers Nachfolger Florian Scheiber ist mit 32 Jahren sehr jung. Haben Sie keine Bedenken?
Schröcksnadel: "Ach wo. Selbst der Bundeskanzler ist nicht viel älter. Es hat Vor- und Nachteile. Ein Junger ist vielleicht innovativer, ein Älterer vielleicht erfahrener. Jeder wächst mit seiner Aufgabe, und ich traue es ihm zu."
Mit Michael Pircher und Ferdinand Hirscher hat man zwei Großkaliber-Coaches für das kriselnde Riesentorlauf-Herrenteam geholt. Die zwei waren hauptverantwortlich für die Erfolge von Marcel Hirscher. Ihre Erwartungen?
Schröcksnadel: "Wir hatten zuletzt zwar einzelne gute Läufer wie Roland Leitinger, aber keine Riesentorlauf-Mannschaft. Die soll jetzt entstehen. Die beiden wissen, was sie von einem Läufer verlangen können, das hat man auch bei Marcel gesehen. Ich erwarte natürlich da sehr viel. Sie haben einen Bonus. Den gilt es aber auch zu erfüllen."
Hoffen Sie, dass sich damit Marcel Hirscher durch die Hintertür selbst etwas einbringt?
Schröcksnadel: "Also, wenn er gerne mithilft und seinem Vater Ratschläge gibt, ist mir das natürlich nur recht."
Zurück zu Corona. Sind die in Österreich getroffenen Maßnahmen für Sie okay?
Schröcksnadel: "Anfangs durchaus. In Tirol waren sie überzogen, wenn man nicht einmal mehr aus dem Dorf raus darf. Aber grundsätzlich war das ein Schritt, den man machen musste. Das Problem ist, wie kommt man aus einem Shutdown wieder raus? Schweden und andere Länder zeigen, dass es auch anders geht. Wir haben uns eben für diesen Weg entschieden und müssen da wieder rauskommen. Da gibt es freilich viele kleine Dinge, zum Beispiel den Schulsport, an denen man den Bonus, den man durch die anfangs prompten Maßnahmen erreicht hat, Schritt für Schritt wieder verliert."
Wie kommt man Ihrer Meinung nach am besten aus der Krise?
Schröcksnadel: "Ich bin kein Virologe. Ich halte es sowieso für problematisch, wenn nur die Virologen Politik machen. Da hat man eine Bandbreite von gar keinem Risiko bis zu Hunderttausenden Toten vernommen. Ich möchte kein Politiker sein, der entscheiden muss, was da jetzt eigentlich stimmt. Was mich aber wirklich stört waren die Vergleiche mit Italien und Spanien. Ich darf das sagen, ich gehöre zur Risikogruppe. Ich habe wie alle Österreicher jahrelang in ein perfektes Gesundheitssystem eingezahlt. Wir waren jetzt nie an der Kapazitätsgrenze, das kann man also einfach nicht vergleichen. Das ist mir sehr unangenehm aufgefallen."
Haben Sie Angst vor einer zweiten Corona-Welle?
Schröcksnadel: "Man vergisst so schnell, wie viele Menschen früher und immer wieder an Epidemien gestorben sind. Deshalb glaube ich etwas anderes. Nämlich, dass man sich daran gewöhnen wird, mit Corona zu sterben. Es wird halt auch eine Art sein, wie du sterben kannst. Wie Herzinfarkt, wie Krebs, wie die Grippe. Nur sollte es auf einem Niveau sein, das verträglich sein muss. Es ist eine Frage der Balance."
Sie engagieren sich sehr in der Krebsforschung. Kommen Ihre Überlegungen auch von dort?
Schröcksnadel: "Natürlich. Krebstote gibt es viel mehr als Coronatote. Aber die Krebsforschung und auch andere Bereiche sind derzeit völlig unter den Tisch gefallen. Das halte ich nicht für gut. Es ist nun mal so: Je älter du bist, desto größer ist dein Risiko, zu sterben. Damit muss man leben lernen. Krebs oder Kreislauferkrankungen fordern viel mehr Tote als Corona. Aber das ist jetzt alles im Hintergrund. Du kannst die Alten nicht einfach wegsperren. Ich kann mir vorstellen, so mancher sieht lieber seine Enkel und kann dann sterben, als dass er da eingesperrt ist."
Wie geht man im Skiverband mit Corona um. Auch künftig?
Schröcksnadel: "Wir hatten vergangenen Winter laufend schwer an Grippe erkrankte Athleten. Deshalb bieten wir vor der nächsten Saison Gratis-Grippeimpfungen an, damit man nicht ausgerechnet bei Weltmeisterschaften oder so krank wird. Ich denke aber auch, dass es nach Vorbild Schweden oder Dänemark auch in ganz Österreich an allen Apotheken gratis Grippeimpfungen für die gesamte Bevölkerung geben sollte. Alles freiwillig natürlich. Da hätte man, wenn Covid und die Grippe im Winter gemeinsam wiederkehren, zumindest einen Teil des Problems weg. In Dänemark haben sie eine Impfrate von über 90 Prozent, wir gerade mal 8. Sowas könnte auch auf dem Weg retour helfen. Wenn die Grippekranken weg sind, ist auch die Auslastung in den Krankenhäusern geringer."
Abschließend nochmals zum Sport: Kommende Saison holt Österreich den Nationencup im Alpinski zurück, richtig?
Schröcksnadel: "Natürlich, das ist das Ziel."