Von Christian Albrecht Barschel
Für einige Fans ist es schlichtweg Lärmbelästigung und nimmt die Freude am Spiel, für andere gehört es mittlerweile zum Tennis dazu. Die Rede ist vom exzessiven Stöhnen im Damentennis, den "Queens of Screams". Es gibt einige Spielerinnen, die mit ihren Schreien und ihrem Stöhnen an die 100-Dezibel-Marke kommen - oder sogar darüber. Laut Forschern der Universität British Columbia und der Universität Hawaii haben Spieler, die während der Ballwechsel exzessiv stöhnen, einen Vorteil. In einer Studie haben die Forscher den Lautstärkeeffekt auf die Wahrnehmung der gegnerischen Spieler untersucht. Bei einem von außen störend eingreifenden Geräusch sind die Reaktionen der gegnerischen Spieler langsamer und weniger präzise, hieß es in der Studie. Diejenigen, die sich über das Stöhnen ihrer Gegner während der Ballwechsel beschweren, sehen sich wohl mit dieser Studie bestätigt.
Agnieszka Radwanska und Caroline Wozniacki kritisierten in der Vergangenheit das exzessive Stöhnen von einigen Kolleginnen. "Ich glaube, es gibt ein paar Spielerinnen, die es absichtlich machen. Sie tun es nicht im Training, kommen dann ins Match und stöhnen. Ich finde die Offiziellen sollten das unterbinden. Wenn du sehr laut stöhnst, kann die Gegnerin nicht hören, wie du den Ball getroffen hast. Weil das Stöhnen so laut ist, denkst du, dass der Ball schnell kommt. Aber plötzlich kommt er nur sehr langsam an. In engen Momenten hilft das Stöhnen vielleicht, um weniger nervös zu sein", machte Wozniacki vor einigen Jahren ihrem Unmut Luft. Die WTA arbeitet an einer Lösung, um das exzessive Stöhnen bei zukünftigen Spielerinnen-Generationen vorzeitig zu disziplinieren. Es wurde ein tragbares Gerät entwickelt, um die Lautstärke des Stöhnens auf dem Platz objektiv zu messen. "Es ist für uns an der Zeit, dass wir exzessives Stöhnen für zukünftige Generationen aus dem Spiel bekommen", sagte WTA-Chefin Stacey Allaster im Jahr 2012.
Für einige lautstarke Spielerinnen kommt diese Regelung allerdings zu spät. Wir präsentieren die fünf lautesten Stöhnerinnen im Damentennis.
Monica Seles
Monica Seles war die Vorreiterin für das exzessive Stöhnen im Damentennis und spielte in einer Lautstärke, die damals eine heftige Diskussion auslöste. Zu ihrem Stöhnen äußerte sich Seles im Jahr 2012 wie folgt. "Ich habe damit begonnen, als ich acht Jahre alt war. Ich habe gestöhnt, als ich die Nummer 83 war. Ich habe gestöhnt, als ich die Nummer eins war. Ich weiß, dass ich immer mit vollem Herzen gespielt habe. Das war einfach mein Spielstil. Ich habe um jeden Ball gekämpft. Wenn man altes Videomaterial von mir sieht, als ich 12 oder 14 war, habe ich gegen die gleichen Gegnerinnen gestöhnt. Aber als ich Nummer eins geworden bin, wurde es dann zum Problem."
Im Wimbledon-Halbfinale 1992 beschwerte sich Martina Navratilova bei der Schiedsrichterin über die Lautstärke der damals 18-jährigen Seles, die dann das Stöhnen phasenweise einstellte. "Ich wollte nicht, dass jeder sauer auf mich ist, ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es war so, als ob ich meine beidhändige Vorhand ändern würde. Ich wusste einfach nicht mehr, wie man Tennis spielt ohne diese lauten Ausrufe bei jedem Durchschwingen", schrieb Seles in ihrer Biografie "Getting a Grip" über diese Situation. Seles gewann zwar das Halbfinale gegen Navratilova, nahm sich aber vor, im Endspiel gegen Steffi Graf ihren Lautstärkepegel zu senken. "Großer Fehler. Das war eines der wenigen Dinge, die ich im Leben bereut habe", erklärte Seles, die im Finale gegen Graf mit 2:6, 1:6 chancenlos war.
Zu der Diskussion um das Stöhnen im Damentennis sagte Seles Folgendes: "Solange du nicht stöhnst, um deine Gegner zu stören, ist es in Ordnung. Was auch immer die Offiziellen entscheiden, du musst es akzeptieren. Das Gleiche gilt mit Wimbledon, wo sie entschieden haben, dass man nur Weiß tragen soll. Also spielen auch alle in Weiß. Was auch immer die Regel über das Stöhnen ist, im Endeffekt werden die Spieler dafür bezahlt, das auch einzuhalten. Du bist da, damit die Fans den meisten Spaß bekommen und unterhalten werden. Wenn die Fans kein Stöhnen wollen, dann musst du ohne Stöhnen spielen. Wenn die Fans das Stöhnen wollen, dann spielst du mit Stöhnen." Dass Seles recht entspannt mit der Diskussion um ihr Stöhnen umging, zeigt dieses Werbevideo, in dem die US-Amerikanerin auftaucht.
Maria Sharapova
Maria Sharapova wird seit jeher als "Queen of Screams" bezeichnet. Die Russin kommt regelmäßig über die 100-Dezibel-Marke und bewegt sich somit im Geräuschbereich einer Kreissäge. An das Gestöhne und Geschreie von Sharapova hat man sich mittlerweile fast schon gewöhnt. Aus großer Entfernung kann man bereits hören, wenn die Tennis-Diva auf dem Platz steht. Als die WTA im Jahr 2012 ankündigte, etwas gegen das exzessive Stöhnen im Damentennis zu unternehmen, unterstützte Sharapova dieses Vorhaben - allerdings nur bei kommenden Spielergenerationen. "Wenn man sich an etwas in jungen Jahren gewöhnt, dann wird man das nicht mehr los - egal, ob man stöhnt oder eben nicht stöhnt. Du kannst auch nicht die Vorhand oder die Schlägerhaltung mitten in der Karriere einfach komplett umstellen", erklärte die Russin.
Sharapova versichert immer wieder, dass das Stöhnen von klein auf ihr Begleiter auf dem Tennisplatz ist. "Ich stöhne beim Tennisspielen schon immer so laut - solange ich mich erinnern kann. Das sehe ich immer wieder in Videos von früher", sagte Sharapova. Kurioserweise war ihr Geräuschpegel bei ihrem ersten und wohl größten Triumph, dem Wimbledon-Sieg 2004, deutlich geringer als in der Folgezeit. Als sie im Alter von 17 Jahren auf den "Heiligen Rasen" das Endspiel gegen Serena Williams gewann, war wenig von riesengroßem Geschrei weder bei ihr noch bei Williams zu hören.
Victoria Azarenka
Das Stöhnen von Victoria Azarenka ist ebenfalls einzigartig. Den typischen Schrei der Weißrussin, den sie bei jedem Schlag mit hoher Dezibel-Power loslässt, kann man auch in einem Song hören. Der Rapper Redfoo, Mitglied des Duos LMFAO und Ex-Freund der Weißrussin, hat Azarenkas Schrei in einen Song zusammengemischt. Azarenka verteidigt immer wieder ihr Stöhnen und hat es mit Schnarchen verglichen. "Das wird mich meine gesamte Karriere begleiten. Aber sagen wir mal so: Schnarchen Sie? Können Sie das kontrollieren? Es gibt Wege, aber sie schnarchen trotzdem. Richtig? Deshalb ist das natürlich für sie, stimmt's? So, daher ist das auch für mich natürlich. Die Weise, wie ich Tennis spiele", sagte Azarenka einst zu einem Reporter.
Zudem hält Azarenka die gesamte Diskussion über das Stöhnen im Damentennis für völlig überzogen. "Ich kann nicht für die anderen Spielerinnen sprechen. Nicht eine einzige Spielerin kam zu mir und hat gesagt: ‚Hör auf das zu tun'. Wenn sich jemand beschweren möchte: ‚Ich habe das Match wegen des Stöhnens verloren', dann ist das ihre Sache. Ich finde, dass das nur schwache Leute sind."
Michelle Larcher de Brito
Michelle Larcher de Brito ist womöglich die lauteste Spielerin auf dem Platz. Bei der Portugiesin wurde im Jahr 2009 der Rekordwert von 109 Dezibel gemessen. Nicht mal eine Kettensäge oder ein Lastwagen können da mithalten. Larcher de Brito schreit beim Tennis fast so laut, wie ein wütender Löwe brüllt. Auf den Durchbruch auf der WTA-Tour wartet die mittlerweile 21-Jährige immer noch. Ihr bestes Jahr hatte sie 2009, als sie gerade einmal 16 Jahre alt war, und bei den French Open die dritte Runde erreichte. Zu dieser Zeit wurde die Portugiesin für ihr lautstarkes Auftreten auf dem Platz von einigen Spielerinnen und den Medien heftig kritisiert.
"Ich bin immer noch 16 und ich lerne immer noch. Vielleicht bekomme ich es irgendwann unter Kontrolle. Ich weiß es nicht, aber ich versuche es. Seles machte es, Sharapova macht es. Es kommt von großen Spielern", erklärte Larcher de Brito in einem Interview, um in einem anderen Interview süffisant zu sagen: "Ich könnte ja damit aufhören. Aber das wäre unnatürlich. Ich bin eine Frau und wir sind nicht dafür geschaffen, den Mund zu halten. Niemand kann mir befehlen, damit aufzuhören. Tennis ist ein Individualsport, und ich bin eine Individualsportlerin." Zuletzt machte Larcher de Brito von sich reden, als sie 2013 in der zweiten Wimbledon-Runde den "Schrei-Kampf" gegen Maria Sharapova gewinnen konnte. Danach hörte man von der jungen Portugiesin aber kaum noch was.
Als damals die Diskussion um das Stöhnen von Larcher de Brito in vollem Gange war, rückte Nick Bollettieri in die Kritik, da an seiner Akademie sowohl die "Scream Queens" Seles, Sharapova und Larcher de Brito ausgebildet wurden. "Meine Angestellten und ich haben niemals Stöhnen gelehrt. Wir haben immer die richtige Technik gelehrt, ein- und auszuatmen. Spieler stöhnen, weil es dabei hilft, Energie herauszulassen und konzentriert zu bleiben. Das ist ganz natürlich. Es ist nichts, was gezielt gemacht wird, um den Gegner zu schädigen", wehrte sich Bollettieri.
Jovana Jaksic
Jovana Jaksic spielt derzeit hauptsächlich auf der ITF-Tour und meist fernab von den Fernsehkameras. So gab es auch keine Bilder davon, wie die 20-jährige Serbin im Finale des ITF-Turniers in Surprise (USA) gegen die Österreicherin Tamira Paszek 14 Matchbälle abwehrte und noch gewann. Setzt Jaksic, derzeit Nummer 311 der Welt, ihren Aufstieg fort, wird sie in der nächsten Zeit sicherlich öfter im Fernsehen zu sehen und vor allem zu hören sein. Ihr lauter Schrei nach jedem Schlag erinnert ein wenig an einen Karate-Kämpfer. Hier ist eine Kostprobe von den lautstarken Qualitäten von Jaksic.