Von Ulrike Weinrich aus Melbourne
Vor dem unbeschreiblichen Glücksgefühl hatte Oliver Marach eine "Monster-Angst". Weil sein Doppelpartner Mate Pavic komplett im Tunnel war - und so den ersten gemeinsamen Grand-Slam-Titel des Duos im Melbourne Park erst mit mehrsekündiger Verzögerung registrierte. "Das war schon komisch. Ich wollte eigentlich schreien und mich freuen. Aber als Mate nur so da stand, habe ich dann auch noch einen Moment gezögert. Erst als der Schiedsrichter 'Game, Set, Match' sagte, war alles klar", berichtete Marach nach dem verwandelten Matchball, der das 6:4 6:4 im Finale gegen die Kolumbianer Juan Sebastian Cabal und Robert Farah (Nr. 11) besiegelte.
Der 37-Jährige erzählte alles mit leuchtenden Augen und wirkte ein bisschen wie ein kleiner Junge, der gerade im Süßwarenladen shoppen war. Mit der unlimitierten Kreditkarte des Vaters. Marach schwärmte vom "absoluten Höhepunkt seiner Karriere" sowie von Pavic als "perfektem Partner". Einziger Wermutstropfen: Die ganz große Sause Down Under und der Genuss eines hochwertigen Rotweins fiel aus. Das Lieblingslokal des Österreichers und des Kroaten in der City hatte schon längst geschlossen, als sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag gegen 2.30 Uhr die Anlage verließen. "Das holen wir aber nach, wenn ich Mate bald in Zagreb besuche. Dann wird zwei Tage gefeiert", kündigte Marach voller Tatendrang an und blickte schelmisch zum 13 Jahre alten jüngeren Pavic hinüber.
Marach: "Ich habe schon sehr viele Tiefen gehabt"
Bei der Siegerehrung zuvor in der Rod Laver Arena hatte sich der Familienvater als Charmeur gezeigt und sich für die lautstarke Atmosphäre bedankt, die die kolumbianischen Fans ins weite Runde gezaubert hatten. "Danke, ich bin euer Nachbar", sagte der in Panama lebende Marach. Ungeachtet dessen, dass die Anfeuerungsrufe der gelb-gekleideten Hardcore-Anhänger natürlich Cabal/Farah galten.
Doch Marach konnte in seiner Glückseligkeit nichts erschüttern. Der Blondschopf fühlte sich an einem denkwürdigen australischen Sommerabend entlohnt für alle Rückschläge in seiner Karriere. "Ich habe schon sehr viele Tiefen gehabt. Und es waren nicht meine Fehler", meinte er in einem nachdenklichen Ton. 2012 zum Beispiel war "Oli" in Hamburg am Rande des Courts gegen eine Metallverankerung geprallt und musste sechs Monate pausieren. Den Gerichtsprozess hat er mit Verzögerung zwar gewonnen, "aber ich habe damals viel Zeit und Geld verloren, das hat mich vier Jahre gekostet." Die Einzellaufbahn, 2006 war er die Nummer 82 der Welt, hatte er schon vorher an den Nagel gehängt - nicht zuletzt wegen immer wiederkehrender Blessuren.
"Oli" hat gelernt, mit Schmerzen umzugehen
Mit Pavic scheint Marach jetzt sein Glück gefunden zu haben. Das Duo ist in diesem Jahr noch unbesiegt (14:0 Erfolge) und hatte vor Melbourne bereits die Turniere in Doha und Auckland gewonnen. Und das, obwohl die Saison-Vorbereitung alles andere als ideal war: "Ich war nach meinem Bandscheibenvorfall im Oktober mehr beim Arzt als auf dem Platz. Aber ich habe inzwischen sehr gut gelernt, mit Schmerzen umzugehen", meinte Marach. Zuletzt konnte kaum an der Fitness gearbeitet werden, weil die Kombi zu erfolgreich war: "Wir hatten ja nur Matches!"
Nach seiner Ankunft aus Australien in Österreich am Montag wird sich der Grazer ins Auto setzen, an den Chiemsee fahren und dort den Weg zum Mediziner suchen. "Mein Körper ist übersäuert", erklärte er. Trotz der Strapazen in den vergangenen Wochen will Marach aber unbedingt im Davis-Cup-Duell für die Alpenrepublik gegen Weißrussland (2./3. Februar) in St. Pölten an den Start gehen. "Das ist mir sehr wichtig. Ich werde dort aber erst am Donnestag ins härtere Training einsteigen", kündigte Marach an. Mit Kapitän Stefan Koubek ist das abgestimmt. St. Pölten jedenfalls freut sich auf den Grand-Slam-Champion von Melbourne.