Mehr Fragen als Antworten

Cliff Schmit
29. August 201320:38
Das DBB-Team von Frank Menz verfügt noch über jede Menge Steigerungspotenzialimago
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Für das DBB-Team setzte es beim Supercup in Ulm drei recht deutliche Niederlagen. Auf Frank Menz und seine Mannschaft warten knapp zehn Tage vor EM-Beginn noch eine ganze Menge Baustellen. Wo der Bundestrainer unbedingt eingreifen muss und welche Aspekte Grund zur Hoffnung geben. SPOX hat die Lehren aus dem Supercup gezogen.

Starting Five zeichnet sich ab, Rotation nicht: Frank Menz hat in den Vorbereitungsspielen erwartungsgemäß einige Formationen ausprobiert und durchrotiert. Nach dem Supercup scheint sich aber langsam, aber sicher eine feste Anfangsfünf herauszukristallisieren. SPOX

In Ulm durften in allen drei Spielen Heiko Schaffartzik, Niels Giffey, Lucca Steiger, Robin Benzing und Tibor Pleiß starten. Es spricht also einiges dafür, dass diese fünf Akteure auch beim EM-Auftakt gegen Frankreich (am 4. September im LIVE-STREAM FOR FREE bei SPOX) zu Beginn der Partie auf dem slowenischen Parkett stehen werden.

Dahinter ist jedoch nichts klar. Eine feste Rotation hat Menz bisher noch nicht gefunden. Per Günther wäre prädestiniert dafür die zweite deutsche Garde anzuführen, erholt sich der angeschlagene Spielmacher allerdings noch vor EM-Beginn von seinen Blessuren, wäre der Ulmer auch ein heißer Kandidat für den Starting Spot des Aufbauspielers. Schaffartzik könnte in dem Fall auf die für ihn besser geeignete Position des Shooting Guards ausweichen.

Was die Centerrotation betrifft, so verdichten sich die Anzeichen, dass Andreas Seiferth als Pleiß-Backup wohl die Nase vorn hat. Der Trierer bekam beim Supercup wesentlich mehr Einsatzzeit geschenkt als Maik Zirbes, der sich etwas überraschend erst einmal ganz hinten anstellen muss.

Einer muss noch gehen: Das Casting für Slowenien ist knapp zehn Tage vor Turnierbeginn nahezu abgeschlossen. Mit Johannes Lischka hat es am Supercupwochenende bereits den ersten Spieler aus dem 14-köpfigen Aufgebot erwischt.

Frank Menz muss folglich nur noch einem einzigen Akteur die schlechte Nachricht überbringen, dass er es nicht mit auf den EM-Zug geschafft hat. Als heißeste Kandidaten gelten dabei ziemlich sicher die beiden Guards Nicolai Simon oder Bastian Doreth.

Nachdem Doreth vor allem gegen Griechenland und Bosnien-Herzegowina durchaus zu gefallen wusste, wird es somit aller Voraussicht nach den 25-jährigen Bayreuther Simon erwischen.

Turnover und Dreierquote ausbaufähig: Schaut sich man ausschließlich die Statistiken des Supercups an, so bereiten vor allem zwei Kategorien mächtig Kopfzerbrechen: Turnover und Dreierquote. Vor allem was die Ballkontrolle betrifft, muss sich das DBB-Team für die anstehende EM schnellstens etwas einfallen lassen.

55 Ballverluste leisteten sich Benzing und Co. in den drei Testspielen. Ein haarsträubender Wert, der einem auf internationaler Ebene im Grunde genommen im Vorhinein jegliche Siegchance raubt. Menz will die Problematik nicht verschweigen, nimmt sein Team aber auch in Schutz: "Die Mannschaft ist nervös, weil sie niemanden hat, der sie trägt. Dirk Nowitzki ist nicht da, Chris Kaman ist nicht da. Turnovers werden auch durch Erfahrung reduziert."

Dabei fällt auf, dass in erster Linie Heiko Schaffartzik Probleme beim Ballvortrag hat. Alleine 11 Turnover gehen auf das Konto des Neumünchners. Einen richtigen Vorwurf kann man dem 29-Jährigen dabei allerdings nur begrenzt machen.

Angesichts mangelnder Alternativen läuft im Angriff notgedrungen viel über Schaffartzik, der folgerichtig auch häufig den Ball in den Händen hält. Da er jedoch noch nie ein echter Floor General war, wäre es umso wichtiger, dass Günther schnellstmöglich zurück in die Spur findet.

Neben der Turnoveranfälligkeit muss der Bundestrainer jedoch auch ein Auge auf die Wurfauswahl seiner Mannschaft haben. Bei den drei Supercupspielen verließen sich seine Schützlinge nämlich viel zu oft auf Distanzwürfe.

Insgesamt 74 Mal drückte das DBB-Team von jenseits der 6,75m ab, versenkte dabei allerdings nur magere 20 Versuche. Gegen Mazedonien erfolgten sogar mehr als die Hälfte aller Würfe (32/61) jenseits von Downtown.

Ob es sich dabei nun um offene oder mit Ablauf der Shotclock erzwungene Würfe handelte, ist schlussendlich irrelevant. In Slowenien muss sich das DBB-Team auf jeden Fall im Angriffsspiel variabler zeigen.

Riesenbaustelle Power Forward: Neben der lahmenden Offensive, hat der Supercup erneut bewiesen dass die mangelhaft besetzte Position des Power Forwards weiterhin die vielleicht größte Baustelle in der deutschen Mannschaft bleibt. Mit Dirk Nowitzki, Elias Harris oder auch Tim Ohlbrecht fehlen aus diversen Gründen die mutmaßlich besten oder zumindest geeigneteren Alternativen auf der vier.

In Ulm durfte sich erneut Robin Benzing hauptsächlich auf der Position versuchen. Dem 24-Jährigen kann man nötige Einstellung und Willen auch in keinster Weise absprechen. Die Ideallösung auf der Position ist der Münchner jedoch keineswegs. Benzing hat nicht nur viel zu sehr mit seiner eigenen schwankenden Form zu kämpfen, sondern fühlt sich zudem als Small Forward wesentlich wohler.

Das Gleiche gilt für Alex King, einer der Gewinner der Vorbereitung, mit knapp zwei Metern Körperlänge aber eigentlich auch zu klein für die Position. Welche großen Probleme das DBB-Team bei der EM unter dem Korb bekommen könnte, zeigte das Duell gegen Mazedonien, als Pero Antic die deutschen Big Men nach Belieben herumschubste.

Seite 2: Negativspirale, Einsatzwille und Fazit

Negativspirale droht: Natürlich darf man die Testspielergebnisse nicht überbewerten und die Gegner beim Supercup waren zudem alles andere als europäisches Fallobst. Dennoch sollte der Faktor Selbstvertrauen nicht komplett außen vor gelassen werden.

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In Ulm setzte es für Deutschland nun die Niederlagen fünf, sechs und sieben in der Vorbereitung. Insgesamt konnte die Mannschaft nur eine der letzten acht Partien gewinnen.

Zieht man außerdem in Betracht, dass die Siegchancen zum EM-Auftakt gegen Frankreich nicht unbedingt rosig aussehen, gewinnt das abschließende Testspiel gegen Schweden zunehmend an Bedeutung.

Ein Erfolg gegen die Skandinavier würde sicherlich nicht die ganze Vorbereitung vergessen machen, eine drohende Negativspirale wäre aber vorerst abgewendet.

Der Einsatzwille stimmt: Bei allen Kritikpunkten kann man eines der Mannschaft auf keinen Fall vorwerfen: fehlenden Willen. Beim Supercup wurde abermals deutlich, dass es innerhalb der Mannschaft stimmt. Immer wieder feuerten sich die Spieler untereinander an, auch die Reservisten versuchten stets motivierend einzugreifen.

Eine Statistik, an der man den Einsatz eines Teams sehr gut festmachen kann, ist die Reboundsparte. Kein Wunder, dass Pleiß und Co. diese Kategorie in sämtlichen Spielen zu ihren Gunsten entscheiden konnten.

Eine Eigenschaft, die auch DBB-Präsident Ingo Weiss nicht entgangen ist: "Man sollte der Mannschaft etwas Kredit und Zeit geben, sich zu entwickeln. Es hat Spaß gemacht, zu erleben, wie die Mannschaft kämpft und sich nicht aufgibt."

Pleiß überzeugt, Staiger mit Abstrichen: In einem insgesamt schwachen deutschen Team war Tibor Pleiß in allen drei Spielen eine der wenigen positiven Konstanten. Der Center hat in Ulm deutlich unter Beweis gestellt, dass ihm bei Caja Laboral ein weiterer Entwicklungssprung gelungen ist.

Der 23-Jährige punktete in jeder Partie zweistellig und wusste auch durch exzellente Quoten zu überzeugen (insgesamt 19/26). Für Pleiß kann die EM jedenfalls beginnen.

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Neben dem Big Man verdiente sich auch Lucca Staiger mit Abstrichen Fleißpunkte. Der ehemalige Ludwigsburger neigt im Angriff zwar immer noch zeitweise dazu heftig zu überdrehen, hat beim Supercup jedoch auch bewiesen, dass er ein gutes Auge für seine Mitspieler hat.

Fazit: Insgesamt fällt es schwer ein objektives Fazit zum Supercup zu ziehen. Auf der einen Seite stehen drei relativ ernüchternde Niederlagen, bei denen das DBB-Team zu keinem Zeitpunkt eine reelle Siegchance besaß und sich vor allem in der Offensive unglaublich schwer tat.

Auf der anderen Seite muss man sich aber auch einfach eingestehen, dass mit dieser Mannschaft momentan auf internationaler Ebene nicht mehr möglich ist. Die Griechen haben Spanoulis, Bosnien-Herzegowina einen Teletovic, selbst die Mazedonier verfügen mit McCalebb oder Antic über Topstars.

In Abwesenheit von Nowitzki oder auch den vielversprechenden Rookies Harris und Schröder, fehlt es dem deutschen Team zurzeit an überragenden Einzelkönnern. Eine Momentaufnahme, die Frank Menz auch gar nicht leugnen will.

"Jede Mannschaft hatte hier Stars, die sich selbst Würfe nehmen können. Wir können uns keine Situation im Eins-gegen-Eins erarbeiten. Und in der Bundesliga werden die Spiele nicht von unseren Spielern entschieden. Hier haben sie eine völlig andere Rolle," so der Bundestrainer.

Schwarzmalerei sollte man angesichts der bevorstehenden EM dennoch nicht betreiben. Trotz der momentanen Ergebniskrise sollten in der Vorrunde Nationen wie Belgien, die Ukraine oder auch Großbritannien immer noch zu schlagen sein. Gegebenenfalls auch Israel.

Nichtsdestotrotz hat der Supercup mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Wer stopft die Lücke auf der vier? Kann Per Günther in der kurzen Zeit noch der dringend benötigte Faktor werden und wann finden die beiden Leistungsträger Schaffartzik und Benzing wieder ihre Form?

An einer realistischen EM-Prognose würde sich zurzeit wohl sogar Nostradamus schwer tun. Vom enttäuschenden Vorrundenaus bis hin zu Platz zwei hinter - im Normalfall - Frankreich scheint alles im Bereich des Möglichen zu liegen.

Der EM-Spielplan im Überblick