Das DBB-Team hat auch das zweite Spiel der Gruppenphase bei der EuroBasket 2022 gewonnen. Beim 92:82 gegen Bosnien-Herzegowina überzeugt die deutsche Mannschaft erst in der zweiten Halbzeit, erneut ist die Bank eine große Stärke. Und der Jüngste im Team hat seinen "Kodak-Moment". Die Erkenntnisse zum Spiel.
1. DBB: Die defensive Umstellung kommt spät, aber früh genug
Es war ein etwas merkwürdiger Start, den die deutsche Mannschaft im zweiten Gruppenspiel hinlegte. "Ich habe ihnen gesagt, dass wir Glück hatten, dass es zur Pause nur 5 Punkte Unterschied waren", verriet Gordon Herbert über seine Halbzeitansprache, und das war durchaus treffend. Es hätte höher sein können, vielleicht auch müssen.
Das DBB-Team hatte defensiv große Probleme, sah vor allem gegen das Pick'n'Roll sehr schlecht aus und erlaubte es Star-Center Jusuf Nurkic immer wieder, tief Position zu beziehen - und dann kam die Hilfe zu spät oder gar nicht, obwohl Bosnien keineswegs ein starkes Shooting-Team ist, dessen Schützen nie allein gelassen werden dürfen.
Bosnien wirkte in der ersten Hälfte klarer in seiner Offense und physisch oftmals überlegen. Es brauchte seine Zeit, bis die deutsche Mannschaft darauf die richtige Reaktion fand. In der zweiten Hälfte hatte insbesondere Nurkic es deutlich schwerer, nach 17 Punkten in der ersten Hälfte folgten nur noch 4 weitere. Physisch, aber auch taktisch schien die deutsche Mannschaft die richtige Antwort zu finden.
"Nurkic hat in der ersten Hälfte viele leichte Catches unterm Korb bekommen. Da ist er sehr schwer zu stoppen", erklärte Johannes Thiemann gegenüber SPOX. "Aber wenn man ihn zwei, drei Meter weiter rauspusht, den Catch erschwert, dann ist es auch für ihn nicht so leicht. Unsere Hilfen waren dann auch besser."
Nicht nur defensiv änderte sich das Spiel in der zweiten Hälfte merklich. Auch offensiv lief der Ball besser und schneller. Nach gegnerischen Fehlwürfen wurde das Tempo mehr forciert, es gab mehrere Breakaway-Dunks, dazu suchten Dennis Schröder und Franz Wagner häufiger den direkten Weg zum Korb, selbst wenn Nurkic auch hier einen gewissen Einschüchterungsfaktor mitbrachte.
All das half auch dabei, dass die Dreierquote und -frequenz nach der Pause merklich anstieg. Schröder haderte zwar mit dem eigenen Abschluss ("Der Wurf ist scheiße"), zwang die Defense aber wieder vermehrt in Rotationen, die offene Würfe für andere bedeuteten. Andi Obst traf drei Dreier, Wagner und Johannes Voigtmann je 2. Insgesamt kam die deutsche Mannschaft auf sehr solide 11/26 von draußen.
"Wir kamen nach der Pause mit mehr Energie in der Defense raus, das hat alles leichter gemacht", sagte Obst. Warum es diese Energie erst mit etwas Verzögerung gab, konnte niemand so recht beantworten, aber lieber spät als nie. Mit einem 18:0-Lauf, der schon am Ende des zweiten Viertels begann, kam die Qualität des Teams immerhin in einigen Phasen zum Vorschein.
2. DBB-Team: Die Bank ist eine ... Bank
42 zu 11. Fast viermal so viele Punkte wie die gegnerische Bank. Das war die Ausbeute des deutschen Bench-Mobs, der schon gegen Frankreich dominiert hatte. Besonders auffällig war dabei, dass es eben nicht wieder dieselben Spieler waren wie im ersten Spiel (der erneut herausragende Thiemann ausgenommen), sondern dass auch andere ihre Klasse zeigen konnten.
Dass Obst (mindestens) eins dieser exzellenten Shooting-Spiele haben würde, war zu erwarten, es war aber auch dringend nötig. Überraschender war der starke Auftritt von Jonas Wohlfart-Bottermann, der gerade in Sachen Physis und Hustle genau die Qualitäten einbrachte, die in Halbzeit eins teilweise gefehlt hatten.
WoBo blockte in gut zehn Minuten drei Würfe, holte drei Offensiv-Rebounds, traf seine beiden Abschlüsse am Korb ... und rechtfertigte die Entscheidung von Herbert, wieder konsequent groß zu spielen, selbst wenn die Offensive darunter in Phasen leidet. In diesem Spiel war gerade die körperliche Komponente wichtiger.
"Es macht einfach Spaß. Jeder hat seinen Moment, das ist eine gute Truppe", sagte Maódo Lô, der gegen Frankreich selbst einen ganzen Haufen dieser Momente hatte.
3. Franz Wagner kann alles
Wenn wir schon bei Momenten sind: Erinnern wird man sich bei diesem Spiel vor allem an den Monsterblock von Wagner gegen Nurkic zwei Minuten vor dem Ende, der aufgrund seiner Vorgeschichte sogar noch monströser war. Kurz zuvor hatte Nurkic Wagner geblockt und danach betont böse dreingeschaut. Der 21-jährige Deutsche lieferte aber sofort die perfekte Antwort (O-Ton Wagner bei MagentaTV: "Der Block sieht schon gut aus ..." Okay!).
Diese Aktion war die (Vor-)Entscheidung im Spiel. Ohnehin spielte Wagner eine ziemlich makellose zweite Halbzeit. Er war zwar aufgrund von Foulproblemen ein wenig eingeschränkt, machte aber das Beste aus seiner Spielzeit. 14 seiner 18 Punkte kamen nach der Pause, Wagner scorte von draußen, per Drive, er arbeitete sich an die Linie ... und er erzielte die letzten 5 Punkte seines Teams.
Wagner gefiel sowohl defensiv als auch offensiv. Bisweilen drängte sich sogar die Frage auf, ob er nicht sogar noch mehr Touches bekommen sollte, auch als Initiator. Herbert ließ erneut recht viel mit Schröder und Lô nebeneinander spielen, das tat der Offense auch gut. Aber der derzeit beste Advantage-Creator ist oft tatsächlich schon der Jüngste im Kader.
Die deutsche Mannschaft hat offensiv noch immer viel Luft nach oben. Es gibt Trockenphasen, das Starting Lineup kam nun zweimal nacheinander nicht gut ins Spiel. Mit Nick Weiler-Babb ist noch immer nicht viel Synergie da, das Spiel wirkt manchmal zu statisch. Es ist dann kein Zufall, dass es erst nach den Einwechslungen mehr nach vorne geht.
Wenn Herbert bei der defensiv stärkeren Starting Five mit Weiler-Babb bleiben will, könnte es ein Mittel sein, Wagner öfter den Ballvortrag übernehmen zu lassen, um dann Schröder und dessen Speed einzusetzen - das könnte auch bei dessen Problemen im Abschluss womöglich helfen.
So oder so: Wagner sah schon gegen Frankreich gut aus, nun ist er endgültig im Turnier angekommen. Und er hat bereits seinen ersten von hoffentlich vielen legendären Momenten im DBB-Dress im Portfolio.